GERARD DOU, Der Geiger

Gerard Dou war noch einige Jahre älter als Ferdinand Bol, und er war auch schon früher in Rembrandts Schule gewesen, als dieser noch in Leyden, der Geburtsstadt beider, lebte. Als Rembrandt aber dann 1631 nach Amsterdam zog, ging Dou nicht mit, sondern blieb in seiner Vaterstadt und entwickelte hier aus Anfängen, die sich noch deutlich an seinen Meister anschließen, eine eigentümliche Kunst, in der, abgesehen von einigen Äußerlichkeiten, höchstens die Vorliebe für die Wirkung des geschlossenen Lichts in Innenräumen an Rembrandt erinnert. Sonst ist er so ziemlich das Gegenteil von diesem. Er hat keinen Sinn für den Ausdruck des menschlichen Charakters und ist ein mittelmäßiger Porträtist. Die Gesichter auf seinen Bildern sagen bei dem engen Kreise von Angehörigen und Bekannten, aus dem er seine Modelle nimmt, außerordentlich wenig, und die Personen sind eigentlich nur die wichtigsten Gegenstände in einem sorgfältig ausgeführten Stilleben von Sachen. Das Interesse für die Landschaft fehlt ihm ganz, und wenn er Bäume gibt, so werden sie schlecht, aber gewöhnlich malt er nur Bilder mit Innenräumen. Sie haben in der Regel wenig Figuren, denn in der Verteilung einer größeren Anzahl zeigt sich Dou als ein ungeschickter Komponist, und niemals haben sie einen tieferen geistigen Inhalt. Rembrandt bringt uns Bildnisse über Bildnisse, dazu biblische Geschichte, aus der auch immer wieder das Bildnis lebensvoll hervortritt, höchst selten aber und eigentlich nur nebenher in seinen Radierungen eine Darstellung täglicher Vorgänge und Sitten. Dieses „Genrebild“ mit Menschen, die bloß ihre Gattung vertreten und auch nur ganz alltägliche Dinge vornehmen, die viel weniger handeln als existieren und sich sehen lassen, wird nun gerade Dous Gebiet. Es könnte geistvoll behandelt werden, wenn er diese Gabe hätte, aber menschlich angesehen ist dieser feine Künstler doch kaum mehr als ein Philister, der vortrefflich zeichnen und mit Farben umgehen gelernt hat. Die Kostümstücke seiner Werkstatt sind ihm beinahe wichtiger als die Menschen, und diese Teller, Kannen, Büchsen und Violinen, die Bücher, Pergamente, Diplome mit seidenen Bändern und Siegeln sind freilich wunderbar ausgeführt, wogegen es an seinen Personen wenig ausmacht, ob sie eine Visite, eine Schule, einen Kaufladen oder auch gar nichts vorstellen. Rembrandt kann mit dem kleinsten Format, das er gern anwendet, groß wirken und er führt als Maler überhaupt die Einzelheiten nicht nachdrücklich aus. Dous Kunst, die größeren Bildern nicht gewachsen ist, gewinnt mit der Verkleinerung der Masse, und wenn er dann zu ganz kleinen Tafeln greift und mikroskopisch arbeitet, so will er uns doch damit sagen, dass in der Malerei das Schwierigste auch das Wertvollste sei f und seine Zeitgenossen und die folgenden Geschlechter waren zum Teil derselben Meinung. Er wurde ein berühmter Mann, das Haupt der Leydener „Kleinmaler“ mit einer langen Gefolgschaft, aus der die drei Mieris am bekanntesten geworden sind. Er konnte die höchsten Preise machen, und noch im achtzehnten Jahrhundert wanderten seine kleinen Bilder, die sich heute in den öffentlichen Galerien finden, in das Ausland, denn sie galten zu einer Zeit, als man den weitaus größten Teil der holländischen Malerei für etwas derbes und rohes ansah, für vorzugsweise schicklich und wohlanständig. Heute bewundern wir seine sichere Zeichnung, sein tüchtiges Malwerk und das oftmals zarte Helldunkel, finden aber hinter diesen technischen Eigenschaften kaum noch etwas, was uns festhält: keinen Erzählungsinhalt wie bei Jan Steen, dem zweiten berühmten Leydener Sittenbildmaler von Ruf, nichts von Gemütswärme wie bei Nikolaas Maes, einem jüngeren Schüler Rembrandts aus dessen Amsterdamer Zeit, der namentlich in ungemein anziehender Weise einzelne sittenbildlich aufgefasste alte Frauen und Mädchen gemalt hat. — Eine solche genrehafte Einzelfigur ist auch der hier mitgeteilte Violinspieler Dous aus der Dresdner Galerie vom Jahre 1665, eine ebenso datierte Wiederholung findet sich in der Eremitage. Das vortreffliche Bild aus des Künstlers letzter Zeit stellt nicht, wie man früher meinte, ihn selbst dar, schon darum nicht, weil dieser Spieler nicht 52 Jahre alt sein kann. Die hier angewandte Form der Einrahmung in ein Fenster oder eine Nische geht auf Rembrandt und die Schüler von Frans Hals, z. B. Adriaen van Ostade, zurück. Dou bedient sich ihrer besonders gern, er liebt es dann, den Hintergrund aufzuklären und im Rücken der Hauptperson kleinere Nebenfiguren oder auch nur wie hier eine Möbelausstattung zu zeigen. Dieses Intime des Raumes und die vollendete Stoffmalerei sind die Dinge, auf die es ihm ankam; der Mann selbst hat geistig nichts zu bedeuten« Während auf Dous früheren Nischenbildern die Umrahmung sehr einfach gehalten zu sein pflegt, sehen wir hier in die Fensterbrüstung ein Relief eingelassen, Kinder, die mit einer Ziege spielen, vielleicht von Fiammingo. Es befand sich in Dous Besitz, und er hat es sehr häufig in dieser Weise verwendet, selten ein anderes. Das Bild wurde 1749 in Paris erworben.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Album der Dresdner Galerie