DER MEISTER DES TODES DER MARIA, Die große Anbetung der Könige

Dieser nach zwei Darstellungen desselben Gegenstandes in Köln und in München benannte Maler, ein Zeitgenosse Dürers und Holbeins, hat in über sechzig äußerlich meist sehr glänzenden Bildern den Stil der gleichzeitigen namenlosen kölnischen Meister (unter die man ihn häufig gerechnet hat) mit Anregungen der Altniederländer, unter Anwendung von Schmuckformen der italienischen Renaissance, auf eine so eigentümliche, man möchte sagen innerliche Weise verarbeitet, dass er in der Kunstgeschichte ganz allein für sich dasteht. Das Merkwürdigste ist, dass wir in dieser geschichtlich doch schon so hellen Zeit über die persönlichen Verhältnisse eines Künstlers, dessen Bildnisse man gelegentlich Holbein hat zusprechen können, unter dessen Auftraggebern namhafte und hochangesehene Männer erscheinen, dessen Werke endlich früh nach Italien (Genua) kamen und überall auf das höchste geschätzt wurden, — so gut wie nichts, und über seine Herkunft nur soviel ermitteln können, als uns der Charakter seiner Bilder erraten lässt. Wahrscheinlich war er ein Niederländer, er braucht nicht in Köln oder überhaupt am deutschen Rhein längere Zeit gelebt zu haben, und es ist auch nicht notwendig, dass er Italien gesehen hat. Mit den ungelösten Rätseln seiner Person, seiner Lehrer und seiner nächsten Schulgenossen sollen die Leser nicht behelligt werden. Dem Charakter seiner Bilder nach ist er ein Nachahmer, der kein eigenes, tieferes Seelenleben hat, ein Archaist: seine Hauptneigung geht auf Glanz der Ausstattung und Ornamente. Er bevorzugt die ruhige Situation, niederländische Behaglichkeit, das Häusliche der inneren Einrichtung. Ihm fehlt der volkstümliche Zug, der in der Kunstgeschichte zu neuen Bewegungen führt. Dafür hat er eine gewählte Eleganz, die auf den Geschmack der feineren Kreise rechnet. Er ist, wie es einst Jan van Eyck war, ein Maler für vornehme Leute. Unser aus Genua stammendes Dresdner Bild ist ein charakteristisches Hauptwerk seiner späteren Zeit. Zu dem üblichen Bestand an Figuren sind vorn zwei Heilige hinzugekommen, links Dominikus mit einem Hunde, rechts Lukas neben seinem Ochsen. Hinter der Brüstung, ganz klein, des Meisters Selbstbildnis. Die Umrisse der Zeichnung sind nicht sehr scharf und namentlich in der Ferne Verblasen, aber die Figuren sind fest und plastisch modelliert, sie erinnern etwas an die Art des italienischen späteren Quattrocento. Die kräftig bunte Färbung hat (im Gegensatz zu der „kleinen“ Anbetung der Könige aus des Meisters früherer Zeit, ebenfalls in Dresden) einen auffallend kalten Gesamtton und verläuft nach der Ferne zu in ein unfreundliches Blaugrün.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Album der Dresdner Galerie