JUSEPE DE RIBERA, Die heilige Agnes

Jusepe de Ribera, ein geborener Spanier — Lo Spagnoletto — kam etwa 1606 nach Italien und ließ sich bald in Neapel nieder, wo er nach einer reichen Wirksamkeit in hohem Ansehen gestorben ist. Er hat zahlreiche Kirchentafeln gemalt, darunter grausig natürliche Martyrien, wie sie bei den Spaniern beliebt und auch in Neapel besonders begehrt waren, sodann sehr realistische Sittenbilder in der Art Caravaggios, dessen Vorbild auch übrigens auf ihn eingewirkt hat. Außerdem studierte er den Lichtmaler Correggio und die Venezianer; seine Farbe, sein Vortrag und seine ganze Auffassung sind stark venezianisch. Alles das hat seine kräftige Persönlichkeit zu einem eigenen, höchst individuellen Stil verarbeitet. In Italien herrschte um jene Zeit die akademische Richtung der Bolognesen. Ihr stellte er den Wirklichkeitssinn und die rücksichtslose Naturauffassung entgegen, die er aus Spanien mitgebracht hatte und die er nun prinzipmäßig gegen die verflachende Manier und die bloße Formschönheit durchsetzte, ganz im Sinne Caravaggios, an den uns seine Behandlung der Körperoberfläche mit den stark betonten Muskeln und seine schweren Schatten oft erinnern. Aber seine Kunst geht noch erheblich über Caravaggio hinaus. Sein sicherer Pinselstrich trifft alle Einzelheiten des menschlichen Körpers, den Ton des Fleisches, das Leben der Haut bis in ihre kleinen Linien und Falten und das Spielen der Lichter darauf. Was er auch angreift, und wie wenig uns der einzelne Gegenstand auf den ersten Blick gefallen mag, man wird immer bei näherem Zusehen etwas daran zu beachten finden. Ribera ist niemals leer oder langweilig. Gegenüber der breiten Geschäftigkeit der Bolognesen empfinden wir seinen Natursinn als eine wahre Erfrischung. Zu einem solchen Wirklichkeitsernst ist kein reiner Italiener vorgedrungen, nur noch der Spanier Velazquez, dem Ribera so ganz zusagte. Und dass dem energischen Charakteristiker auch der Ausdruck des Zarten und Weichen zu Gebote stand, zeigt der aufwärts blickende Kopf dieser betenden Heiligen, zu der dem Künstler seine eigene Tochter gesessen hat. Ganz von wunderbar gemaltem Haar umflossen, kniet sie in ihrer von goldenem Sonnenstaub erfüllten Zelle vor einer kellerartigen Vertiefung; ein Engel hat ihr das deckende Gewand gereicht. Das Bild mit der Jahrzahl 1641 wurde 1745 durch den spanischen Gesandten erworben.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Album der Dresdner Galerie