CARLO DOLCI, Die heilige Cäcilie

Dieser weiche, etwas süßliche Florentiner ist ein Spätling, der kaum noch etwas von den für die Kunst eines bestimmten Ortes charakteristischen Eigentümlichkeiten erkennen lässt; er hätte ebensogut in Rom oder in Mailand malen können, Raffaels Grazie, Lionardos Liebreiz, Correggios Helldunkel, alles das hatten die Nachzügler in berühmten und verbreiteten Werken vor Augen, und jeder nahm sich eklektisch, was ihm zusagte, Carlo Dolci ist ein kleines Talent, ohne Erfindung und in seiner Stoffwahl auf einen engen Kreis beschränkt. Die schöne Heilige, die als solche nur an ihrem Nimbus erkennbar ist, sitzt an ihrer Orgel wie eine Weltdame, höchstens sehen wir an dem stark idealisierten Kopf mit den allgemein gehaltenen Gesichtszügen, dass wir nicht ein bestimmtes Porträt vor uns haben. Aus dem kirchlichen Andacht bilde ist ein Genrebild für das Haus geworden, dem die legendarische Einkleidung außer einer angemessenen Stilhöhe noch etwas von dem Reize eines Rätselspiels gibt. Also ein für ein Musikzimmer passendes Dekorationsstück, das einstmals ein Großherzog von Toskana bestellte, um es dem Schatzmeister des Königs von Polen zu schenken. Ohne einen tieferen geistigen Inhalt gewährt uns das Bild doch durch die korrekte Zeichnung, die äußerst feine gegenständliche Haltung und den köstlichen Farbenschmelz einen hohen künstlerischen Genuss, und den Künstler zeigt es auf der höchsten Stufe, die ihm erreichbar war.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Album der Dresdner Galerie