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Joachim Slüters Gesangbuch aus dem Jahre 1531Aus: Joachim Slüters ältestes rostocker Gesangbuch vom Jahre 1531 und der demselben zuzuschreibende Katechismus vom Jahre 1525. Nach den Originaldrucken wortgetreu herausgegeben von C. M. Wiechmann-Kadow. Schwerin 1858

Nachrede.

Die erste Nachricht von den eifrigen Bemühungen Joachim Slüters*) um die Einführung des deutschen Kirchengesanges gibt uns sein ältester Biograph, der gelehrte Nicolaus Gryse. Dieser erzählt nämlich in seiner Historia van der Lere, Leuende vnd Dode M. Joachimi Slüters, Rostock, 1593, 4°, Bl. J1, es sei im Jahr 1531 unter den lutherischen Predigern zu Rostock darüber Uneinigkeit entstanden, ob in der Kirche nur deutsche Lieder, oder auch einige der alten lateinischen Hymnen gesungen werden sollten. Der Zwist wurde bald beigelegt, und Slüter brachte es dahin, dass man sich allein auf die Gesänge in deutscher Sprache beschränkte; nur für die wenig besuchten Morgen- und Abendgottesdienste (thor Metten vnd thor vesper) wollte man der Schüler wegen lateinische Lieder beibehalten. 

*) Es ist in neuerer Zeit darauf hingewiesen, dass Slüter seinen Namen selbst Sluter geschrieben habe, und deshalb noch jetzt Sluter, und nicht Slüter zu schreiben sei. In der Vorrede zur ersten Ausgabe des rostocker Gesangbuches lautet der Name sluter, auch schreibt der bischöfliche Official Joachim Michaelis zu Rostock in den beiden von Lisch in den Jahrbüchern d. Vereins f. meklenbg. Geschichte, Jg. 3, S. 93 mitgeteilten Briefen aus dem Jahr 1525 Joachim Sluter und Jochim Sluther.

In den niederdeutschen Urkunden und Drucken fehlen bis in das 16. Jahrh. hinein die Umlaute gänzlich, denn das über einen Vokal gesetzte e dient nur zur Bezeichnung der Dehnung, z. B. dan, und don, welches dân (gethan) und dôn (tun) heißen soll und auch daen und doen geschrieben wurde. Man schrieb crutze (Kreuz), gelucke (Glück), sunde (Sünde), koning (König), und erst nach dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts begannen die Umlaute allmählich sich in das Niedersächsische einzubürgern. Es handelt sich nun darum, ob die Umlaute schon früher ausgesprochen sind, bevor sie in die Schriftsprache aufgenommen wurden, oder nicht: über diesen Punkt sind die Ansichten der Sprachforscher verschieden. Der eine Gewährsmann (Lisch) behauptet: „Man sprach in früheren Zeiten das Niedersächsische fast eben so wie heute; aber man schrieb es nicht so, wie man es sprach, sondern hatte eine eigene Schriftsprache; man schrieb sunde, sprach jedoch stets suende. Dagegen erklärt ein anderer Gelehrter (Kosegarten): „Das Niedersächsische hatte früher die Umlaute oe und ue nicht, d. h. man sprach sie nicht und schrieb sie darum auch nicht; man schrieb sunde, weil man sunde sprach“.

Da aber die in alter Zeit den Umlaut entbehrenden Namen, als Blucher, Bulow, Butzow, Gustrow, Lubcz, Robel, u. s. w. jetzt mit demselben geschrieben werden, so glaube ich gleichfalls Slüter schreiben zu dürfen. Schon die zweite Ausgabe des Gesangbuches (von 1534) hat Slueter, Gryse hat nur Slüter, und ist der Familienname Slüter (häufig Schlueter) ein sehr verbreiteter. Auch das Comité zur Errichtung des Slüter-Denkmals in Rostock hat sich für die Schreibart Slueter entschieden.

Dass Slüters eigentlicher Name „Kutzker“ war, ist bekannt.

... Die Schüler mussten sowohl morgens, als nachmittags unter Begleitung der Lehrer die Kirche besuchen. ... Eben so schreiben die Gesetze für die Domschule zu Güstrow von 1572 den Schülern täglichen Kirchenbesuch vor. Raspe, Zur Geschichte der Güstrower Domschule, 1853, S. 36. Ferner vgl. man Hobers treffliche Geschichte des Stralsunder Gymnasiums, 1839, Beitr. l, S. 7 u. 36. ...

... Man darf sich nicht wundern, wenn Gryse, der in der theologischen Literatur seines Jahrhunderts durchaus genau bewandert war, von Slüters Liederbuche nur den späteren lübecker Druck erwähnt und die rostocker Ausgaben nicht kennt, indem die alten Gesangbücher schon dadurch bald sehr selten werden mussten, weil sie täglich mehrmals in die Hand genommen und, wie Hoffmann von Fallersleben sich ausdrückt, im eigentlichsten Sinne des Wortes zersungen und zerlesen wurden. Ferner war im Anfange der Reformation die katholische Geistlichkeit und ihre Anhänger aus allen Kräften bemüht, lutherische Schriften in ihre Hände zu bringen, um sie zu vernichten, so dass auf diese Weise manches Buch beinahe gänzlich untergegangen sein mag.

Nachdem fast drei Jahrhunderte verflossen waren, seitdem Gryse die vorstehende Nachricht verzeichnete, wurde im vorigen Jahre[1857] die Original-Ausgabe *) von Slüters Gesangbuche wieder aufgefunden, und zwar zu derselben Zeit, als die Bürger der Stadt Rostock den Entschluss fassten, das Andenken ihres Joachim Slüter durch ein Denkmal würdig zu ehren. Schon Wackernagel hatte in seiner Bibliogr. d. deutsch. Kirchenliedes, 1855, S. 128 dargetan, dass die 1534 zu Magdeburg gedruckte Ausgabe von Slüters Liedersammlung nicht die erste sei, sondern dass es eine ältere geben müsse, bei deren Bearbeitung das verschollene Joseph Klug'sche Gesangbuch von 1529 zu Grunde gelegt ist; er konnte jedoch das Buch nicht erlangen. Bald darauf ward ein Exemplar der ersten Ausgabe, wahrscheinlich das einzig erhaltene, in der Bibliothek zu Lüneburg durch den Direktor Volger entdeckt und von ihm dem auch als Hymnolog rühmlichst bekannten Pastor Johannes Geffcken zu Hamburg mitgeteilt, welcher dasselbe in dem Werke: Die Hamburg, niedersächs. Gesangbücher b. 16. Jahrh., 1857, S. 212—222 umständlich beschrieben hat. Der Lüneburger Band (in 8 °), der noch den alten Einband seiner Zeit trägt und mit Nr. 5786 bezeichnet ist, enthält außer dem Liederbuche folgendes Gebetbuch: ...

*) Den rostocker Druck von 1531 bezeichne ich als Original-Ausgabe. Denn Slüter wird schwerlich früher ein Gesangbuch herausgegeben haben, da das Luthertum in Rostock erst 1531 den vollständigen Sieg errang.

Vorrede Martin LuthersDas hier abgedruckte Gesangbuch Slüters zerfällt in zwei Hauptteile. Der erste Teil, welcher die beiden Vorreden Luthers, fünfzig Lieder und vierzehn biblische Gesänge in Prosa enthält, ist, wie eben angedeutet wurde, die unveränderte Übersetzung eines 1529 von Jos. Klug zu Wittenburg gedruckten hochdeutschen Gesangbüchleins, das in neuerer Zeit leider nicht wieder aufzufinden war. Das Vorhandensein eines solchen Liederbuches ist von den älteren Hymnologen (Schober, Niederer, Rambach) häufig bezweifelt; doch müssen jetzt alle Zweifel fallen, nachdem unser rostocker Gesangbuch von 1531 bekannt geworden ist, in dessen Vorrede Slüter ausdrücklich erklärt, dass er ein Gesangbuch Luthers „ane alle tosettinge“ wiedergebe. Außerdem besitzen wir eine ziemlich ausführliche Beschreibung des Klugschen Liederbuches, die der Prediger Georg Ernst Waldau zu Nürnberg nach einem ihm gehörenden Exemplare in dem Journal von und für Deutschland, Jahrg. 5, 1788, Semester 2, S. 328 flgd. mitteilte. Diese Zeitschrift, welche auch Wackernagel für Nr. 280 seiner Bibliogr. benutzt hat, kommt jetzt selten vor*), so dass eine Wiederholung des kleinen Aufsatzes sehr erwünscht sein dürfte.

*) Geffcken (hamb. Gesangb., S. 241, Anmerk. 4) bemerkt: „das Journal habe ich nicht erlangen können“. In der Großherzogl. Bibliothet zu Neustrelitz befindet sich ein vollständiges Exemplar der Zeitschrift.

... Slüters Gesangbuch ist, wenn auch nicht das älteste, doch unstreitig das wichtigste von allen niedersächsischen Liederbüchern; die zahlreichen Ausgaben zeigen, wie bedeutend seine Verbreitung gewesen sein muss. ...

... Vergebens habe ich seit Jahren nach einer anderen Schrift Slüters gesucht, welche besonders für die Geschichte der Reformation zu Rostock von Wichtigkeit sein wird: ich meine den Bericht über die kirchlichen Zeremonien, den Slüter verfasste und am 10. März 1531 in Gemeinschaft mit den übrigen lutherischen Predigern dem Rate der Stadt Rostock überreichte. Der später durch Ludwig Dietz gedruckte Bericht ist freilich von vielen Schriftstellern erwähnt, aber alle diese zum Teil selbst unrichtigen Angaben lassen sich auf die nachstehende Beschreibung zurückführen, welche Gryse in Slüters Leben, Bl. H 3b, gegeben hat. ...

Obgleich die Korrektur des Buches mit der größten Sorgfalt behandelt, und kein Bogen gedruckt ist, der nicht durch drei Hände gegangen, so mag sich dennoch einmal ein Fehler durchgeschlichen haben. ...

Der Sachverständige weiß, wie viel Mühe die Korrektur eines solchen Druckes verursacht.

Die Sprache, in welcher das rostocker Gesangbuch von 1531 und der Katechismus von 1525 abgefasst sind, ist ein nicht mehr ganz reines Altniedersächsisch. Ich nenne die Mundart aus dem Grunde eine nicht ganz reine, weil die Umlaute ä und ü, die dem Niedersachsischen ursprünglich fremd sind, in beiden Drucken durchgehends vorkommen, in der älteren latechetischen Schrift jedoch sparsamer, als im Gesangbuche*). Beispiele sind: böß, dörsten, köning, söte, ...

*) Wenn S. 20 gesagt ist, dass nach dem ersten Viertel des 16. Jahrh. die Umlaute in das Niedersächsische eingeführt wurden, so soll damit nicht behauptet werden, dass sie vor dieser Zeit in niederdeutschen Schriften niemals vorkommen. Sie finden sich freilich schon vor 1525, aber nur hier und da. Erst in den zwanziger Jahren des 16. Jahrh. werden die Umlaute allgemeiner. ...

Man wolle auch diesen Teil meiner Arbeit nachsichtig beurteilen.

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