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Blücher: Ick bin een RostockerEs ist gar nicht zu sagen, wie sehr der, alte Marschall Vorwärts während seiner letzten Anwesenheit in Rostock von seinen Landsleuten gefeiert wurde.

Aber hatten die Rostocker nicht recht, stolz auf den Mann zu sein, der vom armen kleinen Landedelmann sich durch eignes Verdienst bis zum Feldmarschall und Fürsten emporgeschwungen hatte — der als Ehrenbürger Londons — und aller freien Städte des Festlandes mit inniger Freude sich rühmte:

Ick bin een Rostocker —?

Er wollte in Rostock durchaus von seinen ehemaligen Bekannten, deren keinen er vergessen hatte, nicht als Fürst und Feldmarschall behandelt sein. Ick heeße Leberecht Blücher! sagte er, und so sollt ihr mir nennen, Kinder! — Und von seinen ehemaligen Schulkameraden verlangte er, dass sie ihn duzen sollten, wie er sie duzte.

Von diesen Schulkameraden waren nun freilich außer dem alten Kommissionsrat, seinem Spezialfreund, wenig mehr übrig und die meisten derselben hatten es nicht einmal bis zum Kommissionsrat bringen können.

Einer derselben, er hieß Brenecke, war Schuster geworden und lebte als ehrsamer Meister seines Handwerks in einem bescheidenen Häuslein nahe am Tor, welches zur Warnow und auf den Platz führt, wo alljährlich der große Rostocker Pfingstmarkt abgehalten wird. Diesen Schuster besuchte Blücher fast eben so oft als seinen Kommissionsrat, rauchte bei ihm einen Stummel, verschmähte einen tüchtigen Kümmel und ein Schwarzbutterbrod mit gebratenem Speck nicht, und hatte seine herzliche Freude, je zutraulicher Meister Brenecke von der längst vergangenen Zeit zu schwatzen wusste. Blücher selbst mit seinem erstaunlich treuen Gedächtnis half dem Alten ein, wo dieser stockte, und einmal hörte ich es mit an, wie er den Schuster fragte: Weest du noch, Fritze, wie mich det verfluchte Rechnen nicht in den Kopf wollte, und wie du mir immer die Exempel machtest, womit mir det alte Pennal (er meinte den Schullehrer) anführten?

Und darauf der Schuhmacher: Ja, aber west du noch, Junge, watt vor jämmerliche Hiebe du bekommen hast, weil et sich bei der Prüfung herausstellte, datt du nich einmal addiren konntest, und der Alte hatte gedacht, du wärst schon in die Brüche.

Ja, er hat mich tüchtig abgebläut — übrigens ein juter Mensch. Jott hab' ihn selig.

So unterhielt sich der Fürst von Wahlstadt mit seinen alten Schulkameraden, denn, sagte er, obgleich ich kein Studierter bin, ich halte auf Comment. Dieser Ausspruch machte ihn natürlich zum Abgott der damaligen Rostocker Studenten, von welchen einige bemoste Häupter sogar noch unter ihm gefochten hatten — und als es nun an dem war, dass diese lustigen Brüder mitten im Sommer in einer außerhalb der Stadt gelegenen fixen Kneipe einen maskierten Ball veranstalten wollten, erhielt natürlich Marschall Vorwärts eine feierliche Einladung, die er höchst freundlich annahm.

Als es bekannt wurde, Blücher habe die Einladung der Studenten angenommen, drängte sich alles, was vornehm, reich und schön war, herzu, um Teil an dem Fest zu nehmen, und bald waren alle Billets vergriffen, und um nur wenigstens nicht alle, welche noch fort und fort Billets begehrten, abweisen zu müssen, ward beschlossen, daß die Maskerade nicht nur im Salon, sondern auch im Garten stattfinden sollte.

Nach einem wunderschönen Tag brach ein noch schönerer Abend an und bald herrschte Totenstille in der Stadt, denn alles war hinausgeströmt in die Studentenkneipe. Blücher ließ nicht lange auf sich warten, er erschien in schwarzer Zivilkleidung, weißer Halsbinde, den blitzenden Stern auf der Brust — er nahm sich in dieser Kleidung ungemein stattlich aus und bewegte sich in dieser mit einer Ungezwungenheit und Würde, die mich um so mehr frappierte, und als ich ihn weder früher noch später in Zivilkleidung gesehen habe.

Das Fest war eben so glänzend als geschmackvoll angeordnet; an lustigen Masken fehlte es nicht — einige Damenmasken bewiesen durch ihre Kostbarkeit zur Genüge, dass Moses und die Propheten in Rostock noch nicht vergebens zu suchen seien, die — meist sehr hübschen Rostockerinnen können, was das Tanzen betrifft, für die Wienerinnen Norddeutschlands gelten, sie tanzen eben so graziös als leidenschaftlich und nun vollends mit flotten Studenten.

Eine der schönsten und jüngsten Damen bat den alten Helden um die erste Polonaise und Blücher tanzte sie mit echtem soldatischen Anstand — dann besah er sich die Masken, ließ sich von ihnen necken, suchte diesen oder jenen zu erraten und hatte es besonders auf die Erdbeerenmädchen aus Vierlanden, welches Kostüm auf keiner norddeutschen Maskerade fehlt, da es höchst kleidsam ist, abgesehen.

Unendlichen Spaß machte ihm die Maske eines Schulmeisters mit seinen Schuljungen, die vielen tollen Spektakel trieben, und seine frode Laune wurde ungemein erhöht, als er nach vielem vergeblichem Raten in diesem Schulmeister seinen ehemaligen Reitknecht und Pipenmeister Herrmann, der jetzt als Schenkwirt in Bützow lebt, erkannte; Blücher hielt wacker die ganze Nacht aus, und wie oft er in dem im Norden so beliebten Küßchentanz, eine Art Cotillon, von den schönen Rostockerinnen aufgefordert wurde, sie zu küssen, habe ich gar nicht zählen können.

Die letzten Stunden des Balls verbrachte Blücher übrigens in einem abgelegenen Gastzimmer, aus dem Stummel rauchend, Punsch trinkend und — spielend. — Einige fremde Herren, welche von Doberan herübergekommen waren, hatten ihm ein Partiechen offeriert, was Blücher nie ausschlug. So saß er denn seelenvergnügt da und ließ sich richtig dermaßen ausplündern, dass, als der Tag anbrach, er rattenkabl war.

Die Studenten waren aus jene Herren aus Doberan ungemein erbittert und hätten sie gerne tüchtig geholzt; Blücher aber meinte: Was wollt ihr, Kinder? Ihr habt mir geladen, ick bin gekommen und habe mir aus Ehre königlich amüsiert. Spielen habe ick selber gewollt und an die paar lumpigen Ducaten, die ick verloren babe, denk ick gar nicht mehr, an euer schönes Fest aber will ick noch recht oft und mit Vergnügen denken.

Da war denn freilich wieder alles gut, und wie mir später der alte Kommissionsrat versicherte, so hat Blücher nie eine Maskerade besucht — und er besuchte jede, die an dem Ort, wo er eben lebte, gegeben wurde — ohne zu spielen und meist tüchtig zu verlieren.

Es charakterisiert übrigens den alten Helden nicht wenig, dass, wie cordial er mit seinen alten Freunden umging, wie leutselig er gegen Geringere war, er sich gegen Höherstehende durchaus nichts vergab, am wenigsten wenn nur Geburt, nicht auch Verdienst sie höher gestellt hatte, als ihn. Es kursierten damals in Rostock mehrere Anekdoten von ihm, welche sich nicht wohl wieder erzählen lassen, ihn aber noch ganz als denselben Hitzkopf bei Gelegenheit bezeichneten, als welcher er dem großen Preußenkönig gegenüber gestanden hatte.

Blücher nämlich begann seine militärische Lausbahn unter Friedrich II. als Fähnrich. Der junge Mensch tat sich hervor und wurde bald Secondlieutenant; dann aber überging man ihn beim Avancement zwei — dreimal. Beim nächsten Mal trat er vor den König hin.

Majestät!

Was will Er?

Ich bitte um meinen Abschied.

Warum?

Ich werde übergangen!

Possen!

Keine Possen, Majestät! ich werde übergangen, zurückgesetzt! Ich könnte mehr sein als Secondlieutenant!

Er kann zum Teufel geben!

Ich danke, Ew. Majestät!

 

Und damit ging der junge Blücher und quittierte den preußischen Dienst unter Friedrich II.

Aus: Volks-Blatt unterhaltend und gemeinnützigen Inhalts. Nro. 5. Freitag, 3.März 1854. Von Fr. Beck

 

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