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Marie von Bunsen (1860-1941) war die erste Frau, die im Alleingang als Ruderin die mecklenburgischen Gewässer erkundete. Archiv SeiffertZum Auftakt Ausflüge nach Brüsewitz und Hohen Viecheln
Marie von Bunsen (1860-1941) erkundete 1915 mit ihrer Ruderjolle
"Formosa" die Gewässer Mecklenburgs und Brandenburgs.

Sie hatte sich gut vorbereitet, Fritz Reuter gelesen und dessen Figuren lieben gelernt, sich über Mecklenburg und seine Geschichte, über den Adel und seine herausragenden Vertreter informiert, bevor sie mitten im Krieg am 11. August 1915 mit Hilfe eines Bootsdieners vom „gastlichen Schweriner Obotriten-Ruderklub“ aus in See stach, um bis 6 Uhr abends mit ihrer Ruderjolle „Formosa“ Schloss Wiligrad zu erreichen.Die selbstbewusste sportliche Dame war Marie von Bunsen (1860-1941), die ihr Leben lang mit waghalsigen Touren von sich reden machte, und es darüber hinaus verstand, den Hauch von Sensation, der ihren Ein-Frau-Expeditionen immer anhaftete, als Autorin von Reiseberichten und literarischen Porträts, Malerin und Salonnière zu vermarkten. Der Tochter des preußischen Politikers und Reichstagsabgeordneten Georg von Bunsen und der englischen Bankierstochter Emma von Birkbeck wurde dieses abenteuerliche Leben buchstäblich in die Wiege gelegt, kam sie doch 1860 während einer Reise ihrer Eltern in London zur Welt. Aus liberalem Hause stammend, plagten sie nie Geldsorgen, und so konnte sie nicht nur die Gefahren und Risiken bewältigen, die ihre Touren in fremden Ländern und Kontinenten mit sich brachten, sondern sich auch ebenso sicher in der Gesellschaft der oberen Zehntausend bewegen. Ursprünglich als Hofdame der Kaiserin Victoria vorgesehen, war sie seit 1918 Mitglied der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei. 1934 löste sie einen diplomatischen Eklat aus, weil sie das Äußere des japanischen Kaisers in ihrem Buch „Im Fernen Osten“ mit einem brutalen Verbrecher aus niederen Ständen verglich. 

Diesmal nun hatte sie sich eine eher romantische Route ausgesucht – vom Schweriner Außensee quer durch Mecklenburg und die Mark Brandenburg bis nach Berlin. Aber schon die Ankunft, der Wasserweg von Schwerin nach Wiligrad, dauerte länger als geplant, da sie dem Geheimtipp des Bootsdieners folgte und erst mal einen Abstecher in den „Haidensee“ und den Ziegelsee unternahm. Als sie sich dann gegen Abend ihrem eigentlichen Ziel näherte, kam ihr Herzog Johann Albrecht – ganz Kavalier – mit seinem Ruderboot entgegen, um sie in den kleinen Hafen zu geleiten. In Wiligrad wurde Marie von Bunsen nicht nur von der Herzogin, sondern auch von ihrer „Jungfer“ erwartet, die inzwischen mit dem Reisegepäck aus Berlin eingetroffen war. Anwesend war auch Herzog Adolf Friedrich, der als Gouverneur von Togo nur zufällig nicht in englische Gefangenschaft geraten war. 

Der Start ihrer Wasserwanderung verzögerte sich jedoch um fast eine Woche, denn das Schloss wurde erst mal eine Art Basislager für die unternehmungslustige, wissensdurstige Dame. Neben dem Aufenthalt bei ihren Gastgebern standen sorgfältig gewählte Ausflüge nach Brüsewitz zum Sitz derer von Schack, aber auch zum Pastor von Hohen Viecheln auf dem Programm. Und so wie während der gesamten späteren Wasserwanderung, notierte sie schon hier ihre kulturhistorisch wertvollen Beobachtungen mit einem wachen Sinn für Details. Ihr Wiligrader Domizil beschrieb sie u.a. so: „Mein Wohnzimmer hat Zitronenholztäfelung aus einem Potsdamer Prinzengemach des achtzehnten Jahrhunderts, brokatbezogene Möbel der gleichen Zeit, und aus dem Fenster sehe ich auf eine uralte Steinfünte…“. Vom Äußeren des Brüsewitzer Gutshauses zunächst enttäuscht, wurde sie von dessen „Innenleben“ nicht nur versöhnt. Ihr erstes Missfallen verwandelte sich bald in Bewunderung, als ihr die Hausherrin, deren Onkel Graf Adolf Friedrich von Schack (1815-1894) in München die Schackgalerie gegründet hatte, neben Stichen wie „Blücher bei Ligny“ oder „Napoleons Tod“ im Esszimmer einen besonderen Schatz zeigte, „eine handgemalte Tapete mit Szenen der sonnenanbetenden Inkas. Phantastische Felsenufer, Fürsten mit Federkronen, Tempel, Priester und Volk…“. Ihr Besuch von Hohen Viecheln hatte dagegen einen fernen historischen Hintergrund, denn nach 26jähriger Gefangenschaft traf Herzog Heinrich auf seiner Rückkehr aus dem Heiligen Land 1298 dort auf seine Gemahlin Anastasia – ein Umstand, der Marie von Bunsen zu einigen sehr menschlichen Fragestellungen veranlasste. Dennoch hatte sie auch Augen für andere Einzelheiten im Ort wie den weithin sichtbaren Hecht etwa, der damals den legendären Erbfischern von Hohen Viecheln als Wetterfahne diente.

HTML clipboard Am 17. August 1915 fiel dann endlich in Wiligrad der Startschuss für Marie von Bunsens Fahrt mit der „Formosa“, die sie auch als kleines Segelboot nutzen konnte. Erste Station war der Erbkrug Schweriner Fähre, wo sie mit „Kaffee und Kuchen in mecklenburgischer Fülle“ beköstigt wurde und dessen Wirtin Saft und Fruchtmus an Lazarette lieferte. Danach ging es durch die Stör via Friedrichsmoor bestaunt aber auch mißtrauisch beäugt nach Parchim, Groß Parchow, Lübz, Plau, Malchow (Abstecher per Bahn nach Neubrandenburg), Waren, Mirow (Neustrelitz), Fürstenhof/ Rheinsberg, Molchow, Wustrau, Kremmen, Oranienburg, Heiligensee, Gatow.

Marie von Bunsen „Mecklenburgischer See“ (Aquarell) aus ihrem Buch „Wanderungen durch Deutschland“Ihre Eindrücke und Begegnungen hielt sie in einem Tagebuch und mit Aquarellen fest. Am 5. September 1915 erreichte sie bei Unwetter Berlin und der Krieg, dem sie für einige Tage entkommen war, hatte sie wieder. „Den nächsten Morgen“, heißt es in ihrem Tagebuch, „stand ich in Kriegsschwesterntracht in der Verbandsstube...“ Der Verein der Freunde des Wiligrader Schlosses beabsichtigt, das 1936 erschienene Buch „Wanderungen durch Deutschland“ der Marie von Bunsen, in dem das Tagebuch der hier vorgestellten Reise den Auftakt und den mit Abstand umfangreichsten Teil darstellt, wegen seiner wertvollen Schilderungen von Land und Leuten, von Natur und Landschaft mit Hilfe einer Buchpatenschaft beim Lexikus Verlag neu herauszugeben.

 

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