Zur Geschichte der Juden in Magdeburg

Größtenteils nach Urkunden des Magdeburger Königlichem Provinzial-Archivs bearbeitet
Autor: Güdemann, Moritz Dr. (1835-1918) jüdischer Gelehrter, Publizist, Rabbiner in Wien, Erscheinungsjahr: 1866
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Juden, Judentum, Magdeburg, Deutschland, Mittelalter, jüdische Geschichte, Kammerknechtschaft, Judenschutz, Schutzjuden, Schutzherrlichkeit, Judenprivilegien, Judenhass, Judenverfolgung, Antisemitismus, deutsche Geschichte
Es mag überraschen von einer „Geschichte der Juden in Magdeburg“ reden zu wollen. Erwartet man doch eine Geschichte nur von einer „alten“ Gemeinde, und als eine solche dürfte freilich die Magdeburgische selbst Demjenigen nicht erscheinen, der in der allgemeinen Geschichte der Juden nicht ganz unbewandert ist. In der Tat zählt die Gemeinde, wie sie augenblicklich besteht, kaum ein halbes Jahrhundert. Da ist Nichts, was in dem Reisenden, der auf den Gassen sich umschaut, den Gedanken erwecken könnte, dass einst Juden hier auf ihrer Pilgerfahrt eine Ruhestätte gefunden. — Kein Häuserkomplex, den man als das alte „Ghetto“ bezeichnen hörte, kein alter Friedhof, auf welchem verwitterte Steine von der geschwundenen Größe einer einstigen Judengemeinde erzählten, keine Sagen und Märchen im Volksmunde, in denen Juden eine Rolle spielten! Man hoffe auch nicht, ein ehrwürdiges, vergilbtes „Memorbuch“ zu finden, das eine Reihe berühmter Männer, gefeiert durch Gelehrsamkeit oder ein heldenmütiges Märtyrertum, verewigte: kein Schriftstück ruht in dem Archive der Gemeinde, das älter wäre als unser Jahrhundert. Und doch gab es hier einst alles Das, was anderen Gemeinden einen klangvollen Namen gemacht und einen Ehrenplatz in dem Buche der Geschichte verschafft hat: es gab hier Gelehrte, es gab hier Märtyrer, es saß hier eine Gemeinde, deren Alter an das der ältesten in Deutschland hinan reicht; ja, zu der Zeit schon, wo in Persien noch Exilarchat und Gaonat den Juden eine gewisse Selbstständigkeit bewahrten, waren hier, im rauen Norden, an den Ufern der Elbe, Juden angesiedelt.
Inhaltsverzeichnis
  1. Das Judendorf zu Magdebung
Man wird es mir daher vielleicht auch außerhalb Magdeburgs Dank wissen, wenn ich, was von alten Nachrichten über seine einstige Judengemeinde auf uns gekommen ist, zusammenstelle und vor der Ungunst der Zeiten, die ohnehin hier unbarmherziger als anderswo das Schwert der Vernichtung geschwungen, bewahre. Auch dürfte Magdeburg gerade deshalb, weil man die Erinnerung an seine einstigen jüdischen Bewohner so ganz und gar verloren hat, das Interesse verdienen, das man jüngeren und unbedeutenderen Gemeinden oft in übertriebener Weise widmet. Doch erwarte man nicht eine lauge, wechselvolle, von Tage zu Tage fortschreitende Geschichte! Von jüdischer Seite ist uns beinahe Nichts geblieben, was über die Juden zu Magdeburg unterrichten könnte. Denn während des früheren Mittelalters, etwa vom 10.—14. Jahrhundert lagen die Fäden der jüdischen Angelegenheiten in den Händen der süddeutschen Gemeinden, und aus der spätem Zeit, wo in Folge heftiger Verfolgungen das jüdische Leben sich mehr nach Norddeutschland zog, sind uns überhaupt nur wenig jüdische Nachrichten geblieben. Es beruht daher im Wesentlichen, was ich in den folgenden Blättern mitzuteilen gedenke, auf Urkunden des hiesigen Königlichen Provinzial-Archivs *). Es ist möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass einst eine größere Anzahl von Urkunden über jüdische Angelegenheiten vorhanden war. Sie werden wohl das Schicksal des hiesigen städtischen Archivs geteilt und bei der Zerstörung Magdeburgs ihren Untergang gefunden haben. Sonst finden sich noch zerstreute Nachrichten über die Magdeburgischen Juden in der sogenannten Schöppenchronik, die wahrscheinlich um die Mitte des 14. Jahrhunderts begonnen und im Verlaufe der Zeit von verschiedenen Verfassern bis etwa 1480 fortgesetzt ist. Sie diente jedenfalls auch andern Chronisten, insoweit sie sich über die Verhältnisse Magdeburgs verbreiten, zur Quelle. Letztere bieten daher wenig, was nicht schon aus der Schöppenchronik sich ergäbe. Auf Grund dieser Nachrichten, an welche sich nur spärliche Notizen aus jüdischen Schriftstellern des Mittelalters reihen, gebe ich im Folgenden nach einer kurzen Untersuchung über die Lage des ehemaligen Wohnsitzes der Juden zunächst die Geschichte derselben bis zu ihrer Vertreibung i. J. 1492, um hieran eine kurze Skizze über die nachmalige Stellung der Stadt zu den Juden überhaupt bis zu ihrer Wiederansiedelung zu knüpfen.

*) Ich muss hier dankend die Bereitwilligkeit erwähnen, mit; welcher mir die Herren Archivrat v. Mülverstedt und Archivsekretär Dr. Jacobs behilflich waren. Zu besonderem Danke aber fühle ich mich dem Herrn Direktor Prof. Wiggert verpflichtet, der nicht bloß durch seine reiche Bibliothek, deren Benutzung er mir freundlichst gestattete, sondern auch durch manchen belehrenden Wink meine Arbeit wesentlich gefördert hat.

Magdeburg, 1572

Magdeburg, 1572

Magdeburg, 1631

Magdeburg, 1631

Magdeburg, Otto der Große und seine Gattin Edith

Magdeburg, Otto der Große und seine Gattin Edith

Magdeburg um 1850

Magdeburg um 1850

Magdeburg, Der Breitsweg

Magdeburg, Der Breitsweg

Magdeburg, Der Dom

Magdeburg, Der Dom

Magdeburg, Elbansicht mit Königsbrücke

Magdeburg, Elbansicht mit Königsbrücke

Magdeburg, Elbansicht mit Dom

Magdeburg, Elbansicht mit Dom

Magdeburg, Kaiser-Otto-Denkmal

Magdeburg, Kaiser-Otto-Denkmal

Magdeburg, Kaiser-Wilhelm-Denkmal

Magdeburg, Kaiser-Wilhelm-Denkmal

Magdeburg, Königsbrücke

Magdeburg, Königsbrücke