Das Judendorf zu Magdebung

Das Gebiet, auf welchem die Gemeinde saß, wird in den Urkunden als das „Judendorf zu (d. h. vor) Magdeburg“ bezeichnet. Dasselbe lag nicht im Bezirke der Stadt, unterstand auch nicht deren Botmäßigkeit, sondern gehörte zu dem Gebiete und der Gerichtsbarkeit des Erzbischofs, der innerhalb der Stadt deren südlichen Teil, den sogenannten Neumarkt *) (Domplatz) und die angrenzenden Straßen, und außerhalb der Stadt das an diese Seite stoßende Areal zu Eigen besaß. Auf diesem Areal, hart die Stadt berührend und unfern der Elbe, unter der jetzigen Bastion Cleve, lag damals die Sudenburg, so genannt von ihrer südlichen Lage (arx meridionalis) **). Ein wenig entfernter von der Stadt, westlich von der Sudenburg, aber ziemlich nahe bei derselben, etwa auf dem südlichen Ende des Platzes bei dem jetzigen Fort Scharnhorst, lag das Judendorf.

*) Im Gegensatze dazu heißt die eigentliche Stadt die alte Stadt oder Altstadt.
**) S. Erhard, das Judendorf bei Magdeburg u. s. w. in Ledeburs Allgem. Archiv für die Geschichtskunde d. Preuss. Staates I, S. 321, Anm. 3.


Weiterhin, auf dem Plane, den jetzt der Wilhelmsgarten einnimmt, lag das Kloster Bergen. Die genannten Ortschaften treten in den Urkunden oft in Beziehung zu einander, deswegen es auf eine möglichst genaue Bestimmung ihrer Lage wesentlich ankommt. Die Nähe des Judendorfs zur Sudenburg einerseits und zur Stadt Magdeburg andererseits macht es erklärlich, dass die Juden bald nach dieser, bald nach jener bezeichnet werden. So finden sich die Bezeichnungen: die Juden zu Magdeburg, die Juden in der Sudenburg Magdeburg, die Magdeburgischen Juden in der Sudenburg. Es bleibt noch übrig, die Lage des jüdischen Begräbnisplatzes anzugeben. Derselbe, in den Urkunden „heuer, kyuer, kefer, keffer genannt, lag hinter Bukau, links am Wege nach Fermersleben, wo 1827 noch viele Schädel und einige Steine mit hebräischen Inschriften aufgefunden wurden. Zwei derselben, arg verstümmelt, befinden sich auf dem jetzigen Friedhof der Gemeinde; ihre Inschriften, an sich unbedeutend, geben die Jahreszahlen 1268 und 1289 an; eine dritte, mir in Abschrift zu Gesicht gekommene, nennt einen Märtyrer vom Jahre 1356; eine vierte hat die Jahreszahl 1306. Die Leichensteine sind höchstwahrscheinlich zu Bauzwecken verwendet worden. Um 1815 waren etwa noch zwanzig als Prellsteine an Straßenecken und in den Toren sichtbar. Übrigens führt noch jetzt ein Stück Feldes in der Nähe der Stadt Bukau die Bezeichnung „Judenkever“. In der Stadt Magdeburg selbst haben wohl niemals Juden gewohnt. *) Es zeigt sich, wie weiter ersichtlich, auch hier die in der Geschichte des Mittelalters oft wiederkehrende Erscheinung, dass die Geistlichkeit — gleichviel ob aus Eigennutz oder Humanität — den Juden Schutz gewährte, während die Städte in übermütigem Selbstbewusstsein ihnen eine schroffe Unduldsamkeit bewiesen.

*) Ich weiß nicht, worauf Hoffmann, Geschichte der Stadt Magdeburg I, S. 39, die Behauptung stützt, dass die Juden anfänglich in der Stadt gewohnt und späterhin erst in das Judendorf verwiesen worden seien. Dass die Juden in den Urkunden Ottos I. und II. (s. weiter) als „ibi (d. h. zu Magdeburg) manentes“ bezeichnet werden, beweist nach der obigen Darstellung Nichts. Die Juden werden selbst bei ihrer Ansiedelung einen gemeinsamen Wohnsitz (das Judendorf) sich erwählt haben. Auch würde sich von einer Verweisung in den Quellen irgend eine Andeutung finden.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zur Geschichte der Juden in Magdeburg
Magdeburg, Otto der Große und seine Gattin Edith

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