Türkisches Recht

Der provisorische Besitztitel hat mit dem definitiven gleiche juristische Wirkung. Dadurch wird auch die bei Übertragungen von Miriboden unbedingt erforderliche Genehmigung des Staates manifestiert, ohne welche eine Übertragung von Miriboden invalid ist. Hat eine solche Übertragung ohne die Förmlichkeit und autoritäre Zustimmung stattgefunden, so bleibt das Geschäft für beide Teile widerruflich. Es können aber wohl die Parteien, solange sie beide leben, sie immerhin noch verlangen. Stirbt jedoch der Erwerber, so kann der Farigh den Besitz ohne weiteres zurückübernehmen und wenn er stirbt, können dessen Erben dieses Rückziehungsrecht in die Nachlassmasse ausüben. Sind keine vorhanden, so fällt der Boden als Mahlul (Kaduk) an den Fiskus zurück, und dem Erwerber bleibt nur der Anspruch auf Ersatz des etwa bezahlten Kaufpreises Bedel-i-firagh an die Verlassenschaft des Verkäufers vorbehalten. Dagegen ist der Erwerb nach dem Takrirakte rechtsgültig, selbst wenn der Erwerber noch nicht im Besitz des Titels ist. Stirbt da der Farigh ohne Erben, so kann der Boden nicht Mahlul werden. Aber auch die Widerruflichkeit, welche bei Schenkungsakten durch den Zivilkodex bei Mülkboden zugelassen wird, wird durch diesen Akt bei Miriboden ausgeschlossen. Aus fiskalischen Rücksichten wurden nämlich durch das Gesetz 1291 diese Förmlichkeiten und die Lösung eines Titels auch für Mülkboden vorgeschrieben, was aber nicht verhindert, daß noch immer trotz der damit verbundenen Rechtsnachteile Überfragungen von Mülkboden mit Umgehung dieser Vorschriften vorgenommen werden, lediglich um die Gebühr zu ersparen. Diese beträgt bei Mülkgut 1.5 Prozent, bei Miriboden und doppeleinkünftigem Wakufgut 3 Prozent, bei gewöhnlichen Wakufgütern 5 Prozent.

ad c) Die objektiven Elemente eines Realvertrages betreffend, muß 1. der Verkaufsgegenstand dem Käufer genau nach seinen unterscheidenden Merkmalen bekannt sein, also insbesondere nach den Grenzen, wenn es sich um eine Realität handelt. 2. Bei Auslegung des Kontrahentenwillens ist das Prinzip der Ehrlichkeit, Treue und Glauben zugrunde zu legen und ein Nachteil trifft denjenigen Vertragsteil, der es daran fehlen läßt. So soll nach den Bestimmungen des Zivilrechtes Grund und Boden sowohl bei der Festsetzung des Preises nach Dunam oder nach dem Ganzen so behandelt werden, wie Mevzrunsachen, das sind Gerichtsgegenstände. Bei diesen gibt eine ungenaue Angabe des Gewichtes nach unten oder nach oben dem Käufer das Recht, vom Vertrage zurückzutreten oder ihn aufrecht zu halten. Hält er ihn aufrecht, so muß er auch für das Mindergewicht den vereinbarten Preis bezahlen, ist aber zu einer Mehrleistung nicht verpflichtet, wenn er ein höheres. Gewicht hat. Wenn jedoch für die ganze angezeigte Menge der Preis nach Gewichtseinheiten bestimmt ist, so kann der Käufer bei der Preis Bedel-i-firagh, genau bestimmt sein, wenn der Vertrag nicht nichtig sein soll. Ist gar kein Preis erwähnt, so wird eine Schenkung angenommen und es kann weder der Farigh noch der Erbe hinterher Zahlung verlangen.


3. Als Anhang (Pertinenz) und mit der Sache selbst verkauft gilt jeder Teil derselben, der nicht getrennt werden kann. Was zur Sache gehört, ist zumeist nach dem Ortsgebrauche zu bestimmen. Die Ernte jedoch oder die Früchte der Bäume werden nicht als Anhang des Bodens angesehen, der Verkäufer ist aber verpflichtet, die Ernte und die Früchte der Bäume vor der Übergabe zu entfernen. Nur was nach dem Verkauf zuwächst, gehört dem Käufer, selbst wenn die Sache noch nicht übertragen ist. Bei Miriboden kommen noch einige Beschränkungen hinzu. Von Natur aus wachsende Bäume gelten als mitverkauft. Vom Verkäufer gepflanzte Bäume bilden sein Eigentum und gehören nach Artikel 38 des Bodengesetzes nicht zur verkauften Sache. Sie müssen daher in den Kaufkontrakt besonders aufgenommen werden. Dasselbe gilt von den vom Verkäufer aufgeführten Gebäuden. Auch da wird der Grund Pertinenz zum Gebäude. Ist von diesen Dingen im Vertrage keine Erwähnung getan, so behält der Verkäufer sein Mülkeigentum an denselben.

4. Bodenkauf durch Ausländer. Der Grundsatz des Internationalen Rechtes, daß die persönliche Rechtsfähigkeit und in gewissen Fähen das bewegliche Vermögen eines Menschen sich nach den Gesetzen seiner Landeszugehörigkeit (völkerrechtlich „Nationalität“ genannt) zu richten haben, führte auf Grund der Kapitulationen zwischen der Hohen Pforte und den anderen Mächten in dem ottomanischen Reiche zu besonderen Konsequenzen.

Um das Recht und das Gesetz der genannten Länder in Anwendung zu bringen, wurden die Ausländer nach dieser Richtung der Jurisdiktion der türkischen Gerichte entzogen. Als eine Konsequenz hiervon sowie der mohammedanischen Anschauung überhaupt, mußte die Folge eintreten, daß der Ausländer, der der fremden Gerichtsbarkeit unterstand, Rechte auf Grund und Boden nicht erwerben konnte, da letzterer nach dem Prinzipe der Territorialität der türkischen Gesetzgebung und Jurisdiktion zu unterliegen hatte.

Die Macht der Verhältnisse führte jedoch dazu, daß dieses Verbot unter verschiedenen Vorwänden und Schlichen umgangen wurde. Der Fremde erwarb Rechte auf Grund und Boden, indem er ihn bald auf den Namen eines ottomanischen Untertanen eintragen ließ, bald sich selbst als solchen ausgab, in der Folge jedoch, bei etwaigen Unbilden sich an seine Regierung um Schutz wandte. Um den dadurch entstandenen Ungelegenheiten entgegenzutreten, entschloß sich die Hohe Pforte mit dem Gesetze vom 7. Sefer 1284 (16. Juni 1867) den Ausländern und zwar unter dem Titel einer „besonderen Konzession“ an jede einzelne Macht für ihre Untertanen, den Erwerb von Bodenrechten unter der Bedingung zuzugestehen, daß die Mächte ihrerseits auf jede Intervention verzichteten, wenn es sich um Streitigkeiten über Immobilienrechte ihrer Untertanen und Schutzbefohlenen handelte. Artikel 1 des genannten Gesetzes normiert: Die Ausländer sind gleich ottomanischen Untertanen zum Genusse des Eigentumsrechtes an städtischen und ländlichen Gütern in dem ganzen Umfange des Reiches mit Ausnahme der Provinz Hedschas unter der Bedingung zugelassen, daß sie sich den Gesetzen und Vorschriften unterwerfen, die diesbezüglich für die ottomanischen Untertanen gelten. Artikel 2: Die Ausländer als Eigentümer und Besitzer von Immobilien sind infolgedessen den ottomanischen Bürgern gleichgestellt, insoweit es ihre unbeweglichen Güter im Reiche betrifft. Die Übereinkunft zwischen der Hohen Pforte und den Mächten wurde in Konstantinopel am 29. Juni 1868 zwischen dem Großvezier und dem Botschafter von Frankreich protokollarisch festgestellt und den anderen Mächten der Beitritt durch Mitfertigung vorbehalten. Fast gleichzeitig schlössen sich Österreich-Ungarn, Großbritannien, Preußen, Schweden etc. diesem Übereinkommen an. Rußland und Italien traten demselben erst im Jahre 1873, die Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 1874, am spätesten Serbien im Jahre I902, bei. Rumänien, Montenegro und die Schweiz haben sich dieser Übereinkunft bis jetzt nicht angeschlossen und ihre An gehörigen können daher dieser Rechtswohltat nur dann teilhaftig werden, wenn sie sich unter den Schutz einer der zu stimmenden Mächte stellen. So allgemein und umfassend die obigen Bestimmungen gehalten sind, so bestehen doch unter türkischen Juristen Meinungsverschiedenheiten darüber, ob Bodenrechte im Erbwege von Fremden in der Türkei erworben werden können, sind die türkischen Gerichte ebenso wie der Staatsrat bisher dafür, daß das im religiösen Gesetz begründete Erbhindernis der „Verschiedenheit der Nationalität“ noch immer nicht aufgehoben wäre. Zweifellos ist das bezüglich der Sukzession in Mülkgütern, für welche die im Scherigesetz begründete, äußerst komplizierte Erbfolgeordnung gilt. Für die in ganz anderer Weise geregelte zivilgesetzliche Erbfolge bei Miriboden sollte die gegenteilige Ansicht prävalieren, wenn gleich auch hier subsidiär das Scherigesetz zu gelten hat.

Es haben denn auch die türkischen Behörden bei Vererbung von Miriboden von der genannten strengen Auffassung wiederholt Ausnahmen zugelassen, insbesondere wenn der Erbe auch im ottomanischen Reiche sich aufhält.

5. Juristische Personen im türkischen Recht. Theoretisch ist der Begriff der Juristischen Person im türkischen Rechte eigentlich fremd. Prinzipiell sind Träger von Rechten nur physische Personen. Gleichwohl kann man nicht behaupten, daß dies auch in der Praxis durchgehends der Fall ist. Vielmehr gab es und gibt es im osmanischen Rechte und zwar gleich in den ersten Stadien der Koranrechtsbildung und in der folgenden Entwicklung der verschiedenen Riten, religiösen Rechtsschulen, Institutionen, die der Fiktion der sog. moralischen Person in den abendländischen Rechten gleichkommen. Nur treten an die Stelle des einigenden Bandes durch einen Begriff verschiedene Rechtseinrichtungen, die trotz der gemeinsamen Grundlage, daß hier Träger von Rechten nicht Einzelindividuen sind, sich mit einer gewissen Unbeholfenheit in heterogene Rechtsgebilde auflösen, aber wesentlich das erreichen, was in unserem Rechtsleben durch die Annahme der juristischen Person erreicht wird. Schwierig gestalten sich die Verhältnisse, wenn es sich um den Erwerb und Besitz von Grund und Boden handelt, weil die Eintragung in Grundbücher nur auf Namen einzelner physischer Personen erfolgen kann.

Zu den angeführten Rechtsgebilden gehören in erster Linie der „Beit-ül mal“, Staatsschatz, der zweifellos eine nach unseren Begriffen ausgewachsene „juristische Person“ ist. Rechtsträger ist da die Gemeinschaft der Gläubigen, die durch den Sultan repräsentiert wird, dem die unbeschränkte Verfügung über alle Vermögensbestandteile und Rechte zusteht. Der Beit-ül-mal ist auch Obereigentümer sämtlicher Staatsländereien und Güter, Ersi-i-emirié, welche mit Ausnahme der Grundstücke in Städten und Dörfern und allenfalls noch einem halben Dunam im Umkreis derselben so ziemlich alle Ländereien des osmanischen Reiches umfassen, und die einzelnen Privaten nur zum Besitz und Genussrecht mit weitgehender Disposition, auch Intestatsvererbungsrecht, überlassen werden. — Hierher gehören die Gemeinden als Inhaber von „Metrukégründen“ (Gemeindegut), ferner die verschiedenen Arten des „Wakuf“, womit nicht nur der Inbegriff von religiösen, wohltätigen und gemeinnützigen Zwecken geweihten, sowohl beweglichen als auch besonders unbeweglichen Vermögen und Ertragsobjekten, sondern jedes einzelne Weihegut und der gute Zweck selbst bezeichnet zu werden pflegt, und wofür ein eigenes Ministerium besteht, welches in den einzelnen Provinzen und Ortschaften durch hierzu berufene Behörden vertreten wird, die über die Verwaltung und genaue Verwendung der Einkünfte im Sinne des Stifters zu wachen haben. — Selbstverständlich ist das auch bei Aktiengesellschaften der Fall, welche durch einen kaiserlichen Iradé begründet werden und denen in Bezug auf die Verwaltung ihres beweglichen Vermögens die weitestgehenden Verfügungsrechte zukommen. Aber auch diese können, dem ob genannten Prinzipe entsprechend, unbewegliche Güter nur auf den Namen von einzelnen Personen, Direktoren, Verwaltungsräten etc. erwerben und ins Grundbuch eintragen lassen, bei welchen Eintragungen wohl der Zusatz der Funktion des Eingetragenen einen gewissen Hinweis darauf enthält, daß ihm die Güter in dieser Eigenschaft zugehören. Die türkische Praxis befindet sich aber diesbezüglich auf dem Wege der Annäherung an die abendländischen Rechtszustände.

Es kam öfters vor, daß man z, B, bei Eisenbahngesellschaften, bei der k. ottomanischen Tabakregie die von diesen erworbenen Grundstücke direkt auf den Namen der anonymen Gesellschaft selbst im Grundbuche registrierte.

Hier waltet für die Ausnahme der fiskalische Gesichtspunkt vor, daß nämlich das Immobiliar dieser Gesellschaften zufolge des Heimfallrechtes einst dem Staatsschatze zufallen und Mirigut sein werde, die Eintragung daher als ein Provisorium anzusehen ist Es kommt aber auch vor, daß Kirchen, Bethäuser, Schulen etc. auf den Namen der Kommunitäten eingetragen werden, von denen sie errichtet wurden. Doch dürfte es lange dauern, bis sich aus diesen faktischen Vorfällen die prinzipielle und gesetzliche Anerkennung juristischer Körper als Träger von Rechten und insbesondere auch Bodenrechten herausbilden und durchsetzen wird.

6. Staatsrecht. Die Verfassungsurkunde des türk. Reiches datiert vom 23. Dez. 1876, sie ist jedoch heute suspendiert, kann aber jederzeit durch Willensakt des Sultans wieder in Kraft gesetzt werden. Sie zerfällt in 12 Abschnitte:

1. vom osmanischen Reich (Art 1 — 7),

2. vom öffentlichen Recht der Osmanen (Art 8— 26),

3. von den Ministern (Art 27—38),

4. von den Beamten (Art 39 — 41),

5. von dem Parlament (Art 42—59),

6. von dem Senat (Art 60 — 64),

7. von dem Hause der Abgeordneten (Art 65 — 80),

8. von dem Justizwesen (Art 81—91),

9. von dem hohen Gerichtshofe (Art 92—95),

10. von den Finanzen (Art 96—107),

11. von der Provinzialverwallung (Art. 108—112),

12. Besondere Bestimmungen (Art 113—119). In der Praxis stellt sich das türkische Verfassungsrecht folgendermaßen dar:

Das Gebiet zerfällt in die europäische, asiatische und afrikanische Türkei mit im ganzen 4.100.000 qkm und ca. 40 Mill. Einwohnern. Man unterscheidet kaiserliche Provinzen (z. B. Syrien, Jerusalem), in denen der Sultan unumschränkter Herrscher ist, und halbsouveräne bezw. autonome Provinzen, (z. B. Samos, Cypern, Kreta).

Die Staatsangehörigkeit wird nach dem Ges. v. 21. Jan. 1869 durch Abstammung oder Verleihung erworben. Ein Recht auf Verleihung hat der in der Türkei geborene Ausländer während derjenigen drei Jahre, die dem Eintritt seiner Großjährigkeit folgen. Eine Naturalisation in der Türkei erstreckt sich nicht auf die Kinder des Naturalisierten. Verloren wird die Staatsangehörigkeil durch Entlassung, Ausstoßung und Verheiratung einer Untertanin mit einem Ausländer. Bis zum Erlass v. 18. Febr. 1856 galten nur Mohammedaner als türkische Staatsbürger, seit dem sind Christen und Juden den Mohammedanern in rechtlicher Beziehung gleichgestellt

Als Organe der Staatsgewalt kommen in der Türkei der Sultan und das Parlament in Frage. Da jedoch die Verfassung suspendiert ist, kann der Sultan als absoluter Herrscher angesehen werden, soweit seine Gewalt nicht durch europäische Staaten beschränkt ist. Er vereinigt daher in sich die gesetzgebende, richterliche und vollziehende Gewalt

Nach der Verfassung von I876 besteht das Parlament aus zwei Häusern, dem Senate und dem Abgeordnetenhause. Die Häuser sind gleichberechtigt und beraten getrennt. Die Mitglieder des Senats werden vom Sultan auf Lebenszeit ernannt; die Abgeordneten gehen aus geheimer Wahl hervor. Ein Gesetz kommt zustande, wenn Mehrheitsbeschlüsse beider Kammern vorliegen und der Sultan seine Zustimmung erteilt.

Die Funktionen des Staates sind:

a) da die Verfassung suspendiert ist, ruht die Gesetzgebung einzig und allein in der Hand des Sultans.

b) Justiz; vergl. oben.

c) An der Spitze da Verwaltung steht der Sultan, der seinen Willen durch die Beamten ausführen laßt. Die höchsten Beamten und ständigen persönlichen Berater des Sultans sind der Großvezier und der Scheich-ul-Islâm. Der Großvezier ist der höchste weltliche Beamte des Reichs, von ihm ressortieren die Minister, unter denen wieder die Vali (Oberpräsidenten der einzelnen Provinzen) u. s. w. stehen. Der Scheich-ul-Islâm ist der höchste geistliche Justizbeamte und Minister des osmanischen Kultus und Unterrichts, Obervormund und Verwalter des Vermögens aller Waisen. Von ihm ist die Gesamtheit H der osm. Religions-, Unterrichts- und geistlichen Gerichtsbeamten abhängig.

Literatur: Albrecht „Grundriß des osmanischen Staatsrechts“. Berlin 1905. — Blau in Altneuland 1906 No. 2. — Über die in der Türkei bestehenden Autonomien siehe den betreffenden Artikel.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zionistisches Abc-Buch