Palästina, Kulturstufe der Juden

Die Juden Palästinas haben zurzeit noch kein einheitliches Kulturniveau. Die alteingesessenen Sephardim haben sich teilweise den Arabern ziemlich assimiliert. Diese arabischen Juden, die sich auch demgemäss meist des Arabischen als ihrer Sprache bedienen, sind sowohl in jüdischer als allgemeiner Gelehrsamkeit wenig gebildet. Das mag auch in innigem Zusammenhang mit ihrer sozial recht untergeordneten Stellung (Kameltreiber, Gepäckträger, Handwerker etc.) stehen. Gleichwohl sind auch unter ihnen recht gebildete Leute, die auch kulturell etwas leisten. So ist einer der wenigen bedeutenden arabischen Dichter der Gegenwart ein palästinensischer Jude (Mani aus Hebron).

Die jüdische Bevölkerung der Aschkenasim und Sephardim, die sich von der „Chalukah“ (s. d.) ernähren läßt, bildet eine weitere kompakte jüdische Masse, die weniger von den übrigen Bewohnern des Landes abhängig ist und sich daher um so leichter ihre Mundart bewahren konnte. Besonders die sogenannten „deutschen“ (aschkenasischen) Juden Osteuropas sind in der jüdischen Schrift, im Talmud etc. wohl bewandert und stellen im Lande tüchtige Gelehrte. Ihre Kenntnis der weltlichen Wissenschaft ist recht gering, die Benutzung des Hebräischen als Umgangssprache noch wenig entwickelt, ihre sozialen Verhältnisse sind traurige. Die Kinderzahl ist fast immer eine sehr große, die Intelligenteren widmen sich wiederum völlig dem Talmudstudium.


Die Frauen sind wenig unterrichtet und werden jung verheiratet.

Die 30—40.000 Chalukahjuden wohnen meist in Jerusalem, Hebron, Safed und Tiberias, den sogenannten heiligen Städten.

Ihre Schulen sind die bekannten Chedarim, die außer in diesen Städten noch in fast allen jüdischen Gemeinden existieren, wo sie aber von geringerer Bedeutung sind.

Die dritte Bevölkerungsgruppe besteht aus produktiv tätigen Elementen, vornehmlich den Bauern in den Kolonien, den Handwerkern und Kaufleuten russischer und rumänischer Herkunft, sowie aus eingewanderten Lehrern, Ärzten usw.

Die älteren dieser Kategorie — sie sind erst in den letzten 25 Jahren eingewandert — sprechen nur sehr wenig Hebräisch, um so mehr die Kinder der Bauern in den Kolonien und in den Stadien Jaffa und Haifa. Aber auch des Französischen, das früher viel in den Rothschildschen Kolonien gesprochen und gelehrt wurde, bedienen sie sich nicht. Ihre Umgangssprache ist meist das Jüdisch-Deutsche (Jargon). Neuerdings wird auch in den Allianzschulen neben der französischen Sprache etwas mehr Zeit auf hebräische Konversation verwandt, wie es schon länger in den Hilfsvereinsschulen der Fall ist. In Jerusalem erscheint alle 3 Tage die von dem Schriftsteller Ben Jehuda her ausgegebene „Haschkafah“, die einen rein nationalen Standpunkt vertritt. Das Organ der Orthodoxen ist die ,,Hawazeleth“.

Die zahlreichen Stiftungen, Kranken-, Waisen- und Altersheime stehen meist auf dem Höhepunkt der Zeit, sind aber durchweg von ausländischen Juden geschaffen. Ebenso Einrichtungen wie die Nationalbibliothek (mit ca. 30.000 Bänden) zu Jerusalem, das Volksheim in Jaffa etc. Die jüngsten Bildungsinstitute sind eine hebräische Mittelschule in Jaffa, die Kunstgewerbeschule Bezalel (s. a. O.), sowie ein Lehrerseminar des Hilfsvereins in Jerusalem, dem eine Handelsschule angereiht werden soll.

Der agrikulturellen Ausbildung dient die landwirtschaftliche Schule „Mikweh Israel“ der Allianz bei Jaffa mit großartigen Einrichtungen.

Zeichen weiterer Entwicklung des Landes sind: die Begründung von Bnei Brith Logen, die einige der schon ziemlich zahlreichen Kindergärten unterstützen; der Lehrerverein, der z. B. hebräische Lehrbücher herausgibt und eine einheitliche hebräische Aussprache geschaffen hat, ein Turnverein, der die körperliche und nationale Entwicklung erstrebt, u. dgl. mehr.

Als Hochschule für Medizin und Pharmakologie wird neuerdings mehrfach Beirut benutzt. Die meisten im Lande praktizierenden Ärzte haben aber in Europa studiert; dagegen verfügen die wenigsten Apotheker über ein Diplom.

In den meisten freien Berufen findet man schon Juden: Ingenieure, Schriftsteller, Architekten, Geometer, Agronomen etc.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zionistisches Abc-Buch