Palästina, Kulturstufe der Eingeborenen

Die eingeborene mohammedanische Bevölkerung sondert sich in die dünne türkische Oberschicht (meist Beamte und Offiziere), angesessene Bauern (Fellachen) und nomadisierende Beduinen. Die Türken haben meist die formale Koranbildung erlangt, sprechen zuweilen ein wenig französisch oder italienisch und einige von ihnen haben z. B. als Ärzte europäische Bildung genossen. Sehr traurig dagegen ist es um das geistige Niveau der arabischen Fellachen und Beduinen bestellt. Sie sind fast sämtlich Analphabeten und selbst ihre religiösen Kenntnisse erschöpfen sich oft in einigen Formeln. Das Familienleben ist ein gutes, die Stellung der Frau besser als in der Türkei; das gegebene Wort ist heilig und die Gastfreundschaft wird in dem halbwilden Lande in reichstem Maße geübt. Der gleichmütige Charakter der Bevölkerung, verstärkt durch den Fatalismus des Islam, läßt Haß gegen den Andersgläubigen nur schwer aufkommen. Allein in Hebron zeigt sich zuweilen Fanatismus. Die Blutrache spielt noch eine nicht unerhebliche Rolle, besonders unter den Beduinen und fordert alljährlich Opfer. Religiöser Aberglauben ist weit verbreitet und der Glauben an Dämonen (Dschins) allgemein. Das Leben ist ärmlich; die Landbevölkerung lebt in Hütten aus schwarzem Lehm, die Nomaden in Zelten aus Kamelhaaren. Fleisch wird selten genossen. Der Boden wird in primitivster Weise bestellt und erst in neuerer Zeit zeigt sich eine Wandlung in der Nähe der Städte und jüdischen Dörfer. Insbesondere bei Jaffa sind große Orangerien durch Araber angelegt worden und liefern gute Erträge. In den nach orientalischer Art nur aus Stein erbauten Stadthäusern mit weißen Kuppeldächern ist wenig Hausrat. Bisher wurde die gesamte Bekleidung aus hausgewebten Stoffen hergestellt, die oft prächtige Stickereien tragen. Jetzt verdrängt billige europäische Industrieware allmählich die soliden einheimischen Gewebe. Die hauptsächlichsten Gebrauchstiere sind Esel und Kamel, letzteres wird in halbwilden Herden gezüchtet. Trotz wiederholter Waffenverbote ist das Waffentragen allgemein üblich, wenigstens auf dem flachen Lande. Da keinerlei Hygiene geübt wird, sind epidemische Krankheiten häufig, Cholera, Typhus und Fieber haben in den ersten Jahren des Jahrhunderts zahlreiche Opfer gefordert.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zionistisches Abc-Buch