Kongressort

„Der für Ende August nach München einberufene Kongress wird vermutlich ein Datum in der Geschichte der Juden bilden.“ So schreibt Theodor Herzl in der ersten Nummer seiner neu gegründeten „Welt“. Man hatte München gewählt, „die liebenswürdige, gastliche Stadt“, als einen Knotenpunkt der neuen großen Verkehrsstraßen. Aber München zeigte sich keineswegs liebenswürdig und gastlich. Vielmehr erhob sich ein Sturm der Entrüstung gegen einen Judenkongress mit vaterlandsfeindlichen Tendenzen, wie ihn die Protestrabbiner gekennzeichnet hatten. Vor allem war es der Kultusvorstand, der gegen die Abhaltung des Kongresses in München am 11. Juni 1897 Einspruch erhob, und sich gar am 14.Juni, „um jedes Missverständnis auszuschließen“, zu einem förmlichen Protest gegen die Abhaltung des Kongresses in München entschloß. Die Münchener Bnei Brith Loge sandte sogar eine eigene Deputation an Herzl, die ihn veranlassen sollte, den Kongress in München nicht abzuhalten. Für Herzl war am Münchener Kongress nicht München die Hauptsache, sondern der Kongress. Deshalb war schon nach drei Wochen die vorbereitende Kommission des Zionistenkongresses in der Lage mitzuteilen, daß die Zusammenkunft von München nach Basel verlegt worden sei, nachdem durch genügende Erhebungen festgestellt worden war, daß die Tagung in Basel keinerlei Schwierigkeiten ausgesetzt sei. Die Folge hat gezeigt, daß man mit der Wahl Basels den geeigneten Ort getroffen hatte und dieses viel eher den Beinamen des gastlichen verdient wie München. (S. No. 1—5, I. Jahrg. der „Weit“.)

Auch der II., III., V., VI. und VII. Kongress sind in Basel abgehalten worden. Die Wirkung auf die Bevölkerung war eine außerordentlich günstige und bewies, daß berechtigtes Selbstbewusstsein und mannhaftes Bekenntnis zum angestammten Volk stets die Achtung des nichtjüdischen Bevölkerungsteiles erwecken. In welch hohem Maße dies der Fall war, zeigt die Tatsache, daß ein von St. Jacob heimkehrender Festzug vor dem Stadtkasino Halt machte, als man Dr. Herzl auf dem mit blauweißen Fahnen geschmückten Balkon erblickte, und in den selten genug gehörten vielhundertstimmigen Ruf ausbrach: Hoch die Juden. Auch die Kantonsregierung hat stets den Kongress amtlich begrüßen und ihn ihrer Sympathien versichern lassen.


Wenn trotzdem für den IV. Kongress London, für den VIII. den Haag als Ort der Tagung gewählt wurden, so geschah dies wesentlich aus Gründen der Propaganda. Der Londoner Kongreß z. B. hat wesentlich zur Förderung unserer Idee unter den englisch sprechenden Juden beigetragen, deren Zahl heute 2½ Millionen erreicht. Auch mußte das A.-K. politischen Motiven Erwägung schenken. Natürlich wird aber der Stadt Basel die von ihr in so großzügiger Weise geübte Gastfreundschaft unvergessen bleiben.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zionistisches Abc-Buch