JTO

= Jewish Territorial Organisation wurde in den letzten Tagen des VII. Kongresses in Basel gegründet, nach dem ein Teil der Minorität, insbesondere russische und englische Delegierte, den Kongress verlassen hatten Das Programm, das damals angenommen wurde, lautet folgendermaßen:

1. Die ,,Jüdisch-territorialistische Organisation“ hat den Zweck, ein Territorium auf autonomer Basis für diejenigen Juden zu finden, die in den Ländern, in denen sie jetzt leben, nicht bleiben können oder wollen.


2. Zur Erreichung dieses Zieles stellt sie sich folgende Auf gaben:

a) Sie will alle diejenigen Juden, welche sich mit dem Zwecke dieser Organisation einverstanden erklären, vereinigen.

b) Sie will mit Regierungen, sowie auch mit öffentlichen und privaten Institutionen in Verbindung treten.

c) Sie will Finanzinstitute, Arbeitsbureaus und andere Einrichtungen schaffen, welche nötig sind, den von der Organisation angestrebten Zweck zu erreichen.

Außerdem wurde noch in Basel, wo die J. T. O. unter den Stürmen des Kongresses geboren ward, der Beschluss gefaßt: „Die J. T. O. nimmt als solche keinerlei Stellung zum Zionismus; sie stellt es auch jedem ihrer Mitglieder frei, seine persönlichen Beziehungen zu dieser Bewegung nach eigenem Ermessen zu regeln.“ Das Große A.K hat in seiner an den Kongress an schließenden Tagung beschlossen, daß kein Mitglied des Großen A.K persönlich und keine Ortsgruppe korporativ der J. T. O. beitreten dürfe. Der Beitritt der einzelnen Zionisten unterliegt keinen Beschränkungen.

Beide Organisationen haben in dem ersten Halbjahr nach dem VII. Kongress vielfach einander bekämpft, besonders heftig in England, bis die Brüsseler Konferenz die führenden Männer beider Organisationen einander nahe brachte. Seitdem ist eine Art Waffenstillstand zu konstatieren. — Inzwischen hat sich die J. T. O. in fast allen Ländern ausgebreitet und besonders in England, Rußland, Südafrika sich kräftig organisiert. Die Leitung liegt in den Händen des ,, Internationalrats“, dem Israel Zangwill präsidiert, und dem auch andere Zionisten von Namen angehören, u. a. Prof. Mandelstamm-Kiew, Dr. Jasinowsky-Warschau, Cyrus L. Sulzberger-Chicago, Dr. Krenzberger-Wien, Dr. Klee und Dr. Simonsohn Berlin, Dr. Jeremias-Posen. Mitglied der J. T. O. ist auch der Präsident des VII. Kongresses, Dr. Max Nordau. Schon diese persönlichen Beziehungen machen alle Befürchtungen hinfällig, die J. T. O. könne oder wolle gar den Zionismus schädigen, im Gegenteil: die Konzentration der wandernden Judenmassen unter den Bedingungen der Freiheit und Selbstverwaltung, die notwendig daraus erwachsende Entwicklung einer neujüdischen Kultur, die spontane Gesamtrenaissance dieser Asyljuden, ihre Erziehung zur Disziplin in der Freiheit, zur Selbstzucht in der Selbstregierung — das alles kann der Erreichung des äußeren und inneren Zionsideals nur förderlich sein und vorarbeiten. Außerhalb des Zionismus hat die J. T. O. weite Kreise für den modernen Gedanken einer nationalen Autonomie gewonnen und sie dadurch auch sonst der nationaljüdischen Gedankenwelt näher gebracht. Auch diese ideale Konkurrenz in der Bearbeitung indifferenter Massen muß zuletzt dem Zionismus zugute kommen. — Was die praktischen Aussichten der J. T. O. anlangt, so hat diese folgende Tatsachen veröffentlicht: Die englische Regierung hat wiederholt ihre ausdrückliche Bereitwilligkeit kundgetan, brauchbare Vorschläge der J. T. O. zu prüfen. Außer englischen Projekten lagen der Plenarversammlung des Internationalrats im August 1906 noch verschiedene andere Landangebote vor. Zur Prüfung aller in Betracht kommenden Pläne wurde eine „geographische Kommission“ eingesetzt, bestehend aus: Lord Rothschild-London, Oscar S. Strauß — früher amerikanischer Botschafter bei der Pforte, jetzt Handelsminister der Vereinigten Staaten, — James Simon, Vorsitzender und Dr. Paul Nathan, Geschäftsführer des ,,Hilfsvereins der deutschen Juden“ und Prof. Mandelstamm-Kiew. Die Beziehungen der meisten Kommissionsmitglieder zur Diplomatie und internationalen Großfinanz rücken die Pläne der J. T. O. in das Gebiet ernsthafter Aussichten. — Neuerdings hat die J. T. O. ihr Arbeitsgebiet noch insofern erweitert, als sie das gesamte Emigrationsproblem in den Bereich ihrer Tätigkeit zu ziehen beschlossen hat. In der Erkenntnis, daß auch nach Gewinnung eines jüdischen Siedlungsgebietes dieses nicht so gleich für die Aufnahme der wandernden Massen in Betracht kommen könne, sondern erst in jahrelangen Vorarbeiten dazu vorbereitet werden müsse, während inzwischen die Einwanderungsbeschränkungen in allen Ländern zunehmende Verschärfung erfahren und die inneren Gefahren der Massenanhäufung von Juden in wenigen Riesenstädten Amerikas immer dringlicher werden, — in dieser Erkenntnis will die J. T. O. bemüht sein, der ganzen Emigration gesündere Direktiven zu geben nach einem System, das den ökonomischen Interessen der Emigranten wie den nationalen Interessen der Judenheit in gleicher Weise Rechnung trägt. Zunächst soll versucht werden, die amerikanische Einwanderung von New-York nach den Südstaaten der Union, besonders nach Texas, abzulenken und in diesen Gebieten viele, aber kleinere Judenzentren zu schaffen. Dieser Zweig der J. T. O. -Arbeit ist einem besonderen „Emigrationsdepartement“ unterstellt, das in Amerika, England, Deutschland und Rußland Bureaus eröffnet hat und von Jacob Schiff-New-York, dem Londoner und dem Pariser Rothschild finanziert wird. (Vergl. zum Artikel „J. T. O.“ auch den über „Territorialismus“.)


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zionistisches Abc-Buch