JCA

= Jewish Colonisation Association. Im Jahre 1891 gründete Baron Hirsch unter dem Namen Jewish Colonisation Association (nach den Anfangsbuchstaben auch Ica genannt) eine Gesellschaft mit dem Sitz in London, die den Zweck haben sollte, die Juden aus den Ländern, in denen sie Verfolgungen ausgesetzt sind, auswandern zu lassen und sie in Amerika und andern geeigneten Gegenden in Kolonien unter zubringen. Um ihre Ziele zu erreichen, sollte die J. C. A. Territorien kaufen oder auf sonstige Weise übernehmen und alle Institute, die für die Auswanderung der Juden oder für die Entwicklung oder das Gedeihen von Kolonien von Wert waren, gründen oder subventionieren können.

Baron Hirsch stattete ursprünglich die J. C. A. mit einem Kapital von 2 Millionen Pfund aus; später erhöhte er dasselbe auf ungefähr 10 Millionen. Um die Fortdauer der Gesellschaft nach seinem Tode zu ermöglichen und zu sichern, gab er ihr die Form einer Aktiengesellschaft und verteilte die Aktien zwischen Alliance israélite universelle, Anglo-Jewish-Association und den jüdischen Gemeinden Frankfurt a. M., Berlin und Brüssel. Er behielt sich jedoch das Recht vor, solange er lebte, an den Beratungen des Verwaltungsrats der Gesellschaft teilzunehmen.


Tatsächlich blieb Baron Hirsch bis zu seinem Tode Vorsitzender des Verwaltungsrats der J. C. A. Auf seine Anregung und unter seiner Leitung kaufte die J. C. A. größere Güter komplexe in Argentinien und siedelte auf denselben jüdische Emigranten an. Mit jedem Jahr bis zum Tode Baron Hirschs nahm das Kolonisationswerk in Argentinien einen größeren Umfang an.

Baron Hirsch starb am 21. April 1896. Nach seinem Tod konstituierte sich der Verwaltungsrat der J. C. A. aufs neue. Hirsch hatte die Absicht gehabt, die übrigens in den Statuten der J. C. A. ihren klaren Ausdruck gefunden hatte, seine Tätigkeit auf die Kolonisation zu konzentrieren. Der neue Verwaltungsrat glaubte seine Aufgabe erweitern zu müssen. Von der Idee ausgehend, daß die Judenfrage in erster Linie in den Ländern, in denen die Juden in größeren Massen konzentriert sind, zu lösen sei, begann er im Osten Europas und in Nordamerika alle möglichen Anstalten zu gründen oder zu unterstützen, die nach seinem Urteil geeignet waren, die Juden existenzfähig zu machen: Fabriken, Betriebsgenossenschaften, Vorschusskassen, Ackerbau und Handwerkerschulen, auch Elementarschulen. Im argentinischen Kolonisationswerk trat aber ein Stillstand und ein Rückschritt ein.

Außer den Kolonien in Argentinien wurden nach dem Tode Hirschs auch Kolonien und einzelne Kolonisten in den Vereinigten Staaten, in Kanada, in Cypern, in Kleinasien und in Palästina finanziell unterstützt. 1900 wurde die Verwaltung der Rothschild'schen Kolonien in Palästina übernommen. 1903 wurde die Kolonie Philippson in Brasilien, in der Provinz Rio Grande do Sul, gegründet.

Viele von den Maßnahmen, die der Verwaltungsrat der J. C. A. traf, hingen nur lose oder gar nicht mit dem Kolonisationswerk zusammen. In einer berühmt gewordenen Polemik machte Israel Zangwill die J. C. A. darauf aufmerksam, daß ihre Tätigkeit in den Statuten nicht vorgesehen sei, daß sie ihnen im Gegenteil zuwiderlaufe, und daß dem klar ausgesprochenen Willen Baron Hirschs, möglichst viele Juden in Kolonien unterzubringen, keine Rechnung getragen werde. Die J. C. A. konnte sich der Erkenntnis nicht entziehen, daß sie zum mindesten formell im Unrecht sei; sie fügte deshalb im Jahre 1903, mit Genehmigung des englischen Parlaments, ihren Statuten einen Paragraphen hinzu, der ihr erlaubte, den neu ein geschlagenen Kurs beizubehalten.

Die J. C. A. betrachtet nun nicht mehr die Kolonisation als ihre Hauptaufgabe. Als im Sommer 1903 Theodor Herzl ihr den Vorschlag machte, gemeinsam eine Expedition auszurüsten, um das von England in Ostafrika angebotene Gebiet auf seine Kolonisationsfähigkeit zu untersuchen, erklärte sie, nur unter der Bedingung annehmen zu können, daß die Kolonisten auf eine autonome Verwaltung verzichteten. Diese Erklärung war einer Weigerung gleich zu achten. Der Präsident der J. C. A., Herr Narcisse Leven, gab auch in der Generalversammlung des Jahres 1903 offen zu, daß die J. C. A. nur Musterkolonien gründen wolle.

Baron Hirsch hat dem jüdischen Volk ein fürstliches Geschenk gemacht; nie wird sein Name vergessen werden. Doch im besten Fall konnte er 15—20.000 Juden kolonisieren. In einer Gasse der Leopoldstadt in Wien wohnen mehr, meinte einst Herzl. Noch viel weniger vermochten seine Rechtsnachfolger die Judenfrage zu lösen. Weder Schulen noch Vorschusskassen noch Musterkolonien werden in nennenswerter Weise die Lage des jüdischen Volkes modifizieren. Wie insbesondere Musterkolonien wirken sollen, durch welchen Mechanismus sie das jüdische Proletariat in eine Ackerbau treibende Bevölkerung umwandeln werden, ist bis heute in tiefes Dunkel gehüllt

Die Judenfrage wird nur durch eine Politik gelöst, die in den Juden ein Volk erkennt, die diesem Volk ein Land eröffnet Im Dienst dieser Politik werden die Millionen der J. C. A. fruchtbringend angelegt sein. Daher die Bemühungen, seitdem es einen Zionismus gibt, die J. C. A. oder die Organisationen, die Besitzerinnen von J. C. A. -Aktien sind, für eine nationale Politik zu gewinnen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zionistisches Abc-Buch