Heilige Stätten

nennt man die den Christen heiligen Orte in Palästina. Sie sind zwar nicht exterritorial, unterstehen aber dem Schutz europäischer Großmächte ebenso, wie dies bei Angehörigen mehrerer christlicher Bekenntnisse der Fall ist. Das Schutzrecht wurzelt in dem Umstand, daß Christen früher niemals türkische Untertanen wurden; die Heimatstaaten der Auswanderer empfanden aber gegenüber den „heidnischen“ Türken eine besondere Verpflichtung zur Wahrung der Rechte der Christen und überdies mußte den Pilgern das Recht der freien Straße zu den Heiligtümern gewährleistet werden. Da Frankreich an der Spitze dieser Bestrebungen stand, wurde ihm allmählich das Schutzrecht über die katholischen Christen und die meisten Heiligtümer nach Gewohnheitsrecht zuerkannt, während Rußland den Schutz der Griechisch-Orthodoxen für sich in Anspruch nahm. Sein Verlangen ist freilich nicht unbestritten geblieben, hat vielmehr schließlich zum Krimkrieg geführt.

Auch die protestantischen Großmächte Preußen und England haben wiederholt Schutzrechte geltend zu machen versucht; sie gründeten gemeinsam das Bistum Jerusalem und üben das Protektorat über eine Anzahl wohltätiger Anstalten aus.


Bei der Gründung einer öffentlichrechtlich gesicherten Heimstätte würden alle diese Rechte zu berücksichtigen sein, etwaige Widerstände von selten der Berechtigten wären zu beseitigen. Die Protestanten kommen dabei als unsere Gegner nicht in Frage. England insbesondere hat wiederholt seine Sympathie mit unseren Bestrebungen ausgesprochen. Von Seiten der römischen Katholiken sind Widerstände prinzipieller Natur ebenfalls nicht zu erwarten. Die Päpste Clemens VI., Martin V., Pius IV, haben sich zugunsten einer Wiedersammlung der Juden aus religiösen Gründen erklärt, weil das Kommen des 1000jährigen Reiches abhängig sei von der Neuerrichtung Zions. Von dieser Seite wird man sich also einverstanden erklären, wenn praktische Garantien für den Schutz der römischen Interessen geboten werden. Ernsterer Widerspruch ist also nur von selten der griechischen Orthodoxen zu erwarten, die sich im allgemeinen intolerant und feindlich gegenüber allen anderen Bekenntnissen verhalten. Hier muß nötigenfalls politischer Einfluß in Petersburg geübt werden, die Orthodoxen sind vollständig abhängig von der Newa und ihr Verhalten wird von dort aus dirigiert. Da die russische Regierung wiederholt sich mit einer Massenauswanderung von Juden nach Palästina einverstanden erklärt hat, ist mit Sicherheit zu hoffen, daß sie auch die logische Folgerung ziehen und etwaiger Opposition von selten der Orthodoxen begegnen wird. — Nötigenfalls wäre die Exterritorialisierung der Heiligen Stätten in Frage zu ziehen.

Literatur; Hermann, Das Erwachen der jüdischen Nation.
— Dr. Friedemann in der Welt No. 27 vom 8. Juli 1898.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zionistisches Abc-Buch