Herzl, Theodor

wurde 1860 zu Budapest als der Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns geboren. Er besuchte eine jüdische Vorschule, kam im Alter von 10 Jahren auf die Realschule und von dort aufs Gymnasium. Infolge des Todes seiner einzigen, damals 18jährigen Schwester übersiedelte die Familie nach Wien, wo Herzl das Studium der Rechte begann. 1884 erwarb er den Doktortitel, trat in den Staatsdienst und arbeitete an den Gerichten in Wien und Salzburg. Da sich aber für den Juden keine Aussichten auf eine Richterstelle boten, nahm er bald seinen Abschied, begann zu reisen und für das Theater zu schreiben. Seine Reisebriefe gefielen so sehr, daß ihm 1891 während einer Reise in Spanien die Wiener Neue Freie Presse die Stellung eines Korrespondenten in Paris anbot, und Herzl, der sich kurz vorher mit Julie Naschauer vermählt hatte, nahm an, „obwohl er die Politik verachtete und verabscheute“. In Paris entstand das ,,Palais Bourbon“, das er selbst für die beste Sammlung seiner Feuilletons erklärt hat und das in der Tat von großer Schärfe der Beobachtung und großer schriftstellerischer Begabung zeugt, ferner die "Philosophischen Erzählungen“. 1895 trat Herzl als Leiter des Feuilletons und des literarischen Teils in die Redaktion der Neuen Freien Presse ein.

Auch als Bühnendichter war Herzl damals bereits bekannt und geschätzt. Das erste seiner Stücke, das in Berlin aufgeführt wurde, war „Seine Hochzeit“, ein abendfüllendes Schauspiel. Des weiteren gingen über die Bretter die Lustspiele: „Der Flüchtling“. „Prinzen aus Genieland“, „Wilddiebe“, ,,I love you“, „Unser Käthchen“, und die Schauspiele „Gretel“, „Solon in Lydien“ und „Das neue Ghetto“.


Vor allem aber machten Herzl seine Feuilletons berühmt, in denen sich ein glänzender Stil mit Humor, sprühenden Bemerkungen und seltener Innigkeit des Gefühls eint.

Während der letzten zwei Monate seines Pariser Aufenthalts schrieb Herzl den ,,Judenstaat“ (s. d.) „Ich erinnere mich nicht,“ so sagt er, „je etwas in so erhabener Stimmung geschrieben zu haben. ... Ich glaubte an so etwas wie ein Rauschen über meinem Haupte, als ich dieses Buch schrieb.“ Der Judenstaat war eigentlich nur bestimmt, im kleinen Kreise gelesen zu werden, die Dreyfusaffäre hatte den Anstoß zum Gedankengang des Verfassers geliefert. Nordaus Zustimmung gab Herzl die Kraft, damit an die Öffentlichkeit zu treten, und der Erfolg war derart, daß sich sogleich die bis dahin zerstreuten unorganisierten Zionisten wie von selbst um Herzl als Führer zu scharen begannen. Unter ungeheurer Begeisterung wählte ihn der I. Kongress zum Vorsitzenden des A.-K. und nun begann seine große Lebensarbeit — die Schaffung der zionistischen Volksbewegung. Zu diesem Zwecke ward die „Welt“ gegründet, eine gewaltige Propaganda entfaltet. Die Jüdische Kolonialbank entstand, ihr schloß sich die Anglo Palestine Co., an — alles aus der persönlichen Initiative Herzls, um der Bewegung ,,die Werkzeuge zu schaffen“. Daneben suchte und fand er die Anknüpfungen, um die Regierungen zu gewinnen. Der reine Idealismus seines Wesens, der königliche Anstand seines Auftretens öffneten ihm bald die Tore zu den europäischen Höfen. Gelegentlich seiner Palästinareise empfing ihn der deutsche Kaiser Wilhelm II. im Zeltlager vor Jerusalem, es folgten Audienzen in Karlsruhe, London, Rom. Mehrfach erbat der Sultan seinen Besuch und bereitete ihm einen fürstlichen Empfang. Es wurde über bestimmte Anerbietungen verhandelt, ohne daß ein Abschluß erzielt worden wäre, weil die angebotenen Konzessionen Herzl nicht ausreichend erschienen. Im Jahre 1902 begannen neue Verhandlungen über eine Großkolonisation des Nordteiles der Sinaihalbinsel. Herzl selbst begab sich im März 1903 nach Ägypten, um die Angelegenheil zu Ende zu führen. Als dies unmöglich wurde, bot die englische Regierung als Ersatz ein großes Territorium in British Last Africa an. Dieses Angebot führte auf dem VI. Kongress zu heftigen Zerwürfnissen und in der Folge zu Angriffen auf Herzl selbst. Seine ohne dies erschütterte Gesundheit litt darunter schwer. Bald nach der Sitzung des A.-K. vom April 1904 verschlimmerte sich sein Herzleiden derart, daß die Ärzte ihn schleunigst nach Franzensbad sandten. Auch dort noch war er rastlos für die Bewegung tätig und arbeitete an neuen Plänen zur Gewinnung der Mächte. Bald darauf übersiedelte er nach Edlach bei Wien, wo er am 3. Juli 1904 seinem heldenmütig ertragenen Leiden erlag. Dem Armensarge, in dem man ihn seinem Wunsche gemäß bestattete, folgten mehr als 10.000 Leidtragende. Seinem Testamente gemäß soll seine Leiche nach Palästina überführt werden, sobald das Ziel der Bewegung erreicht ist.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zionistisches Abc-Buch