Emil Kronberger: Interwiew mit Peter Rosegger

In einem großen, lichterfüllten Zimmer, zu dem herauf Vogelgezwitscher tönt und der belebende Duft eines weiten Parkes eindringt, empfängt uns ein schwächlich gebauter, häufig hüstelnder Mann, von dessen Gesicht etwas wie mildfreudige Zufriedenheit leuchtet. Er passt so hinein in seine Umgebung, den altväterlichen Hausrat und die stimmungsvolle Ruhe, die nur bisweilen von fernem Wagengerassel unterbrochen wird. Und doch fühlt er sich nie allein, denn ein steter teurer Gast ist ihm seines Volkes Genius geworden, dem täglich neue Verdienste und Vorzüge, neue poetische Gestaltungen abzugewinnen sein Talent sich redlich bemüht. Die tausend Wechselfälle des täglichen Lebens, das wonnige Glück der stillen Freude, sehnender Liebe Schmerz, der Gefühle aufbrausende Macht, des Unglücks volle Qual, der Niederen redlich` Streben, der Bergeleut' entzückende Naivität sind ihm gleicherweise reiche Fundstätten einer sinnigen Poesie, die von des Volkes Verehrung hoch gehalten gleich dem schimmernden Juwel der Leser Herz ergreift und mit Begeisterung — weil mit dem Zauberstift der glühenden Volksliebe niedergeschrieben — leichthin erregt.

Die Freude am heimischen Boden und der eigenen Scholle ist's, die Rosegger erhebt und auch für uns hat sie etwas Bestrickendes. Auch wir sehnen uns darnach und hoffen sie im Besitz uralten väterlichen Bodens zu erreichen. Aus dem unsicheren, stets schwankenden Wesen, das der tausendjährige Jammer und das Elend erzeugte, werden zufriedene Menschen voll ehrlicher Wahrheit und Natürlichkeit erstehen, die vom festen Boden der wiedergewonnenen Heimath aus zu vollen, ganzen Charakteren wachsen sollen und gedeihen können hinan zur Entwicklung und zum Verständnis eines wahren weltgroßen Menschentums im höheren Sinne der national-sozialen Reife.


Vor dem Dichter, der mit dem goldigen Lichte seiner poetischen Fackel in die hässlichen kleinen Stuben der halbproletarisierten Bergbauern leuchtet und die Gestalten seines Lieblingskreises, umflossen vom klärenden Licht seiner Poesie, uns näher rückt, konnte eine Bewegung, deren innere Motive seinem Gedankenkreise so nahe kommen, nicht lange verborgen bleiben. Und der Zionismus darf sich freuen, sein ganzes Interesse, ja viel mehr noch seine ganze, warme Sympathie gewonnen zu haben.

Lassen ihn die Aufzeichnungen des ersten Besuches auch noch als wohlwollenden Zweifler erscheinen, so hat er sich indes doch zu einem wackeren, philozionistischen Standpunkte bekehrt. Mit welchem Ernste der Dichter sich für die Bewegung interessiert, mögen die folgenden Zeilen bekunden.

„Der Zionismus“, begann der Dichter, als ich ihn um Mitarbeit an diesem Buche bat, „ist mir gut bekannt. Als Dr. Herzls „Judenstaat“ erschien, schrieb ich darüber im „Heimgarten“, dass ich mich freue im einzigen, tief kosmopolitischen Volke ebenfalls nationale Regungen zu sehen und verhielt ich mich damals auch sehr pessimistisch, den moralischen Wert dieser Idee verkannte ich keineswegs. Und nun hat ja die Idee bedeutende Fortschritte gemacht und gesund sich weiter entwickelt. Ich selbst beteilige mich ungern an Enquêten und habe damit schlechte Erfahrungen gemacht. Einst wurde ich unschuldigerweise verlästert und angegriffen, als ich ehrlich niederschrieb, ich kenne Heine zu wenig, um über die Berechtigung eines Denkmals für ihn urteilen zu können. Häufig krank, habe ich zum Lesen wenig Zeit. Hier nun eine Ausnahme zu machen und für Sie etwas zu schreiben, nach dem ich mich doch seither an Bundfragen nicht mehr beteiligt habe, fällt mir wahrhaftig schwer. Um die ganze Sache so recht beurteilen zu können, wäre es am besten den Boden zu besuchen und gründlich zu prüfen, der ein Aufleben so viel Unglücklicher sehen soll.“

„Die Armen müssen sich ja förmlich nach einer Heimat, die sie nicht quält und nicht zum Scheine blos duldet, sehnen und nach väterlich-friedlichem Boden dürsten. Eine Frage wäre allerdings vorher zu erwägen, ob dort nur Platz genug für all' die von Mühsal Getroffenen sein wird.“

„Darüber habe ich oft nachgedacht und verstehe es auch heute noch nicht, wie es Juden geben kann, die Ihre Bewegung bekämpfen, eine Bewegung, die zu fördern einfach Menschenpflicht ist, nicht mehr oder minder. Man mag an der Erfüllung zweifeln — und ich selbst tue dies oft — aber damit kann man sich doch nicht dieser Pflicht entziehen. Was mich am meisten freut, ist die mutige Stellung, die der Zionismus gegen die Auswüchse der Börse und Presse einnimmt, die so heftigen Antisemitismus erregen und die von innen heraus bekämpft werden müssen.“

„Ich fürchte nur das eine, dass, wenn der Ruf zur Auswanderung ertönt, diese minderwertigen Juden hier bleiben, während doch mein Wunsch der wäre, dass die Zionisten, die mir das einzig, sympathische Element im Judentum darstellen, hier blieben und die anderen uns verließen.“

„Auch dessen kann ich Sie versichern, dass Sie auch nicht im geringsten, wenn Sie offen Ihren zionistischen Standpunkt bekennen, in der Achtung Ihres christlichen Bekanntenkreises sinken, vielmehr als selbstbewusster, ehrlich ringender Jude nur neue noch gewinnen werden“.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Zionisten und Christen