Zionisten und Christen

Ein Beitrag zur Erkenntnis des Zionismus
Autor: Kronberger, Emil, Erscheinungsjahr: 1900
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Zionisten, Christen, Max Nordau, Dr. A. Berliner, Felix Dahn, Adolf Damaschke, Theodor Herzl, Martin Greif, F. Heman, Emil Kronberger
Der Zionismus erstrebt die Schaffung einer öffentlich-rechtlichen Heimstätte in Palästina für diejenigen Juden, die sich in ihren Ländern nicht assimilieren können oder wollen.
        Baseler Programm (1898).

                                        Vorwort.

        „Feiger Gedanken
        Bängliches Schwanken,
        Weibisches Zagen,
        Ängstliches Klagen
        Wendet kein Elend,
        Macht dich nicht frei.“


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Inhaltsverzeichnis
    A. Zionisten.
  1. Emil Kronberger: Vorwort.
  2. Theodor Herzl: Die Menorah.
  3. Max Aram: Der III. Kongress aus der Vogelperspektive.
  4. B. Zionisten und Christen.
  5. Max Nordau, Einleitung.
  6. Dr. A. Berliner: Großherzog Friedrich v. Baden.
  7. A. Csóri: Wie ein kathol. Geistlicher über den Zionismus denkt.
  8. Felix Dahn.
  9. Adolf Damaschke: Zionismus und Bodenreform.
  10. Dr. Ernst Eckstein.
  11. Martin Greif: Ein Brief.
  12. Lord Gwydyr, Großmeister von England.
  13. Dr. Eduard v. Hartmann: Über den Zionismus.
  14. Rev. W. H. Hechler: Ihr Kinder Abrahams, wachet auf!
  15. Prof. Dr. F. Heman: Was soll man vom Zionismus halten?
  16. Abg. Dr. Jarosiewicz.
  17. Father Ignatius: Die nationale Renaissance der Juden.
  18. Emil Kronberger: An Ed. v. Hartmann! (Zur Erwiderung).
  19. Emil Kronberger: P. K. Rosegger.
  20. Emil Kronberger: Bei Karl Frhr. v. Tonesani.
  21. Emil Kronberger: Zum Briefe des Prof. v. Zwiedinek.
  22. Prof. Cesare Lombroso: Der Zionismus in Italien und anderswo.
  23. Baron Maxime Manteuffel.
  24. Abg. Dr. Jarosiewicz.
  25. Father Ignatius: Die nationale Renaissance der Juden.
  26. Emil Kronberger: Zur Erwiderung
  27. Prof. Cesare Lombroso: Der Zionismus in Italien u. anderswo
  28. Baron Maxime Manteuffel: Aus einem Briefe.
  29. Prof. T. A. Masaryk (Prag): Über den Zionismus
  30. Friederike Gossmann: Gräfin Prokesch-Osten
  31. Boleslav Prus
  32. Peter Rosegger: Den Zionisten
  33. Emil Kronberger: Interwiew mit Peter Rosegger
  34. Peter Rosegger: Die Heimkehr der Juden
  35. Ferdin. v. Saar: Judaea
  36. Lord Salisbury
  37. Johannes Schlaf: Ein Brief
  38. Johannes Scherr
  39. A. Gundaccar von Suttner: Antisemitismus und Zionismus
  40. Bertha v. Suttner: Mr. Leon Bourgeois
  41. Bertha v. Suttner: Mr. Andrew White
  42. Emil Kronberger: Bei Carl Freiherrn v. Torresani
  43. Fürst Trubetzki
  44. Rev. Stephen S. Wise: Drei Amerikaner
  45. Rev. Stephen S. Wise: G. B. Rayndal
  46. Seine Majestät Kaiser Wilhelm II.
  47. Fürst Friedrich Wrede: Ein Brief
  48. Dr. Hans Edler v. Zwiedinek-Südenhorst: Ein Brief
  49. Emil Kronberger: Zum Briefe des Prof. v. Zwiedinek
Schwer erkrankt unter dem Stickdruck der Assimilation bot noch vor wenigen Jahren das jüdische Volksleben nichts weniger als das Bild eines lebensfrohen und hoffnungskräftigen Organismus.

Überall machte sich würdeloses Strebertum, nationale Selbstentleibung und Verflachung, ein affektierter Spurt nach dem der jüdischen Wesenheit Fremden, kurz eine völlig ratlose Fahnenflucht Platz.

Während manche in stiller Resignation und Verzweiflung dem Zeitwandel grollten, trotzten wenige ethisch vertiefte Individualitäten im Kampfe für die Regeneration der jüdischen Volksseele aus. Dass diesen Guten, eh' sie erlahmten, die Retterhand eines wackeren Talentes zu Hilfe kam, dass im richtigen Momente ein von wenigen gepflegter Heilsgedanke, die uralte Volkssehnsucht anfachend, sich den Weg zur öffentlichen Diskussion und Propaganda eroberte, dass er mit jugendfrohem Kampfesmute gegen das Treiben einer gedankenlosen Anpassungssucht auftrat, wird ein ewig merk- und denkwürdiger Zufall der jüdischen Geschichte bleiben.

Wie im deutschen Geistesleben die Vorklassiker der nationalen Würde und der Kultur des deutschen Volkes aus dem Sumpfgrabe der beschämendsten Verachtung, in welches sie von den eignen Söhnen verstoßen worden, zur Wiederbelebung und Blüte verhalfen, wie aus dem Kampfe gegen den scheinbar überaus mächtigen Einfluss des französischen eine Renaissancezeit deutschen Volkstums erwuchs, so hat mit dem Zionismus für das jüdische Volk eine Zeit erneuten Strebens begonnen.

Frühling ist's geworden im scheinbar morschen Körper, dem manche den Zerfall gewünscht — und überall sprießen die Blätter einer neuen Geschichte und treiben die Blüten eines neuen Lebens. Erstanden ist mit ihm das große kraftgetragene Ideal, nach dem sich so viele innerhalb der Judenheit gesehnt, zum befruchtenden Geistesquell ward er für viele Durstende. Ein neuer, weiter Geisteskreis, ein Fernblick auf Länder- und Völkerschicksale eröffnete sich so Manchem mit einem Male und eine Saat von Edelsinn und vertiefter Lebensweisheit erstand.

So ward der Rettungsgedanke für die Unglücklichen im Osten den westlichen Juden zum geistigen Sammelruf und stützenden Trost in moralischer Not.

Was diese Bewegung aber den Armen selbst, die in verelendeter Pein hinsiechen, nicht leben, geworden, wie der Zionsgedanke sie der Apathie der Verzweiflung und dem hoffnungslosen, stillen Hinbrüten so vielfach entrissen, wie er so manchem Trostlosen Arbeitsmut und Schaffensdrang gab, wie er seine Seele vom tötenden Alpdrucke einer aussichtslosen Zukunft befreite und sie dem Schönen öffnete, das mag im ganzen Umfange nur der mitempfinden können, der unschuldig verurteilt, nach langen Jahren ein Licht der Freiheit winken sieht.

Es gibt viele Moralphilosophen, die ethischhohe Bestrebungen in unsren Tagen vermissen. Wenn sie auf Seitenpfaden einer solchen folgen wollten, hier wäre sie.

In einer moralischen Idee hat ein Volk sich hier wiedergefunden und arbeitet mit der Wucht einer feurigen Jugendlichkeit an seiner kulturellpolitischen Besserung, trägt Bildung und Wissen ferne nach Osten und will Länder der Sorgen befreien. In die Vergangenheit zu den Helden und Märtyrern und alten Lehrern führt sie die Verlangenden hin und prägt in ihren Geist das Ideal der reinen Lehre und der seelischen Vertiefung. Aus haltlosen Individuen, aus Objekten des revolutionären Umsturzes, die zur steten Gefahr ihrer Heimländer würden, bildet sie gefestigte, ruhig erwägende Hoffende, aus planleeren Herolden des gesellschaftlichen Vernichtungskrieges ernste, dem Studium der nationalökonomischen und soziologen Wissenschaften ergebene, für ihr Volk in aussichtsvoller Weise wirkende Männer.

In knappen Umrissen haben wir bisher eine Skizze jener Potenz von ethisch-kulturellen Bestrebungen zu geben versucht, die der Zionismus an seinen Bekennern zum Leben erweckt.

Noch haben wir aber nicht der umfangreichen politischen Bedeutung und auch nicht der diplomatischen Erfolge Erwähnung getan. Und auch davon haben wir zu erzählen unterlassen, wie ein jüdisches Heimwesen in Palästina als ein Vorposten Europas bedeutungsvoll im gewaltigen Konkurrenzkampf der Zukunft zwischen den asiatischen Arbeitsmassen und den Produzenten Europas sein würde.

Möge dies an anderen Orten nachgelesen weiden.

Nimmer hätte die Bewegung einem so großen Ziele dienen, nimmer das Heil so viel Armer zu ihrem Schildruf erheben dürfen, wäre sie nicht auf einen Kampf mit der vereinigten Meute der kleinlichen Neider und Egoisten gefasst und darauf vorbereitet gewesen, die Nasenlängenpolitiker und beschränkten Salonhelden und die ganze Schar der berufsmäßigen Schwarzseher und entstellenden Heuchler zu erbitterten Feinden sich zu machen. Mit dem Wagemut der Wahrheit trat sie in den Kampf ein und Schlag für Schlag wurde für sie zum werbenden Beweis ihrer Lehren, jeder Tag vermehrte der Freunde Zahl, frei gaben die Zionisten die Hoffnungsparole des jungen Judentums aus und scharten um sich alles was lebensfroh des Dichters Wort erfüllend:

„Jung ist mir der Werdende
Auch mit weißen Haaren,
Wer in seiner Zeit erstarrt
Mag zur Grube fahren.“


(Adolf Pichler)

Die Zeit der Kämpfe ist nun vorbei. Der Zionismus ist stark und groß geworden und im sieg- reichen Entwicklungsgange.

An drei Kongressen hat er von allen Enden der Welt seine Vertreter zu Basel versammelt, ein finanzielles Instrument, eine Volksbank im eigentlichen Sinne mit über 110.000 Aktionären sich begründet und eine Organisation, fürwahr niemandem zum Schaden, der Reinheit und moralischen Höhe der nationalen Juden aber zum Nutzen geschaffen.

Umsomehr aber tritt an die Propagandisten unter den Bekennern des Zionismus die Pflicht heran, alle die bisher dem Zionswerke fremd, weil unvertraut oder indifferent, gegenüberstanden zu gewinnen, ihnen, den Wackeren und Guten, uns noch Fremden seien zur Belehrung diese Blätter bestimmt. Und auch in der christlichen Welt, wo so vielen die Schönheit des zionistischen Gedankens fremd ist, mögen sie uns Freunde werben, Freunde noch zu denen, deren reine Sympathie uns so viel Ermutigung gab in den Kämpfen der ersten Zeit, und die vielfach weite Reisen und manch' mühselig Werk — in dankbarer Erinnerung nennen wir nur den Namen Michael Ritter von Newlinskys — nicht scheuten, um unsern Mut zu heben. Ihnen, den von Vorurteil und Hass freien, glaubt der Herausgeber in den Aufsätzen von Dr. Herzl und Aram schöne Wertmesser zionistischer Denkweise beizugeben.

Und auch die Furchtsamen und sonst Braven unter den Juden mögen aus diesen Blättern lernen, und mit uns frei von Rücksicht und Angst wirken zur Erhebung und Befreiung und nationalen Entwicklung unseres Judentums.

Dieser doppelten Aufgabe gerecht zu werden, den unentschlossen Zagenden die herzliche Zuneigung der christlichen Welt zu zeigen, anderseits den unkundig Fremden die Reinheit der nationaljüdischen Renaissance darzustellen, schickt der Herausgeber dem eigentlichen Thema zur Erläuterung das Kapitel „Zionisten“ voran, hier mögen noch jene Erläuterungen Platz finden, die in dieser Einleitung nicht zum Worte gelangen oder höchlich dürftig gestreift werden können.

Im Hauptteile dieser Broschüre erhalten mehr als 30 christliche Freunde des Zionismus das Wort; doch stellt diese Zahl bei weitem nicht die Summe aller Philozionisten vor — es ist nur ein kleiner Bruchteil und manches Wackeren Name, dessen volle Sympathien uns gehören, fehlt, weil viele infolge der Missliebigkeit des Enquetenwesens und der Furcht vor Überhäufung mit Fragen von einem Öffentlichen Ausspruche Unangenehmes erwarten. Wir wollen hier beispielsweise den Namen des bekannten Münchener Universitätslehrers Dr. L. Quidde anführen, dessen ganze Sympathie unserer Sache geweiht ist. Trotz seines regen Interesses für den Zionismus wollte er an dieser Sammlung „als abgesagter Feind solcher Enquêten'' nicht teilnehmen.

Mit um so herzlicherem Danke sei daher der freundlichen Bereitwilligkeit der geehrten Autoren, die unserer Einladung folgten, gedacht, vor allem aber der werktätigen Beihilfe unseres Führers, Dr. Max Nordan.

Die, meisten Beiträge dieser Sammlung sind Originale, nur in einzelnen Fällen und auf Ersuchen mancher Herren wurden Aufsätze der vortrefflich redigierten Wiener Wochenschrift „Die Welt“*) entnommen.

Dem wackeren Vorkämpfer der Wahrheit in Österreich, Herrn Prof. Dr. Masaryk, sind diese Blätter gewidmet. Ihm, dem Edlen, der ungeachtet vielen inneren Kummers und ohne Scheu vor Beschimpfungen persönlicher und materieller Natur, mit vollem Eifer dem dient, was Geist und Herz zu recht erkennen, mögen die Kämpen dieser volksbefreienden und -erhebenden Idee folgen und mit gleich hohem Streben ihrem Werke die Treue wahren.

Und so sei dies Buch, das wir im Einvernehmen mit der Grazer zionistischen Vereinigung der Öffentlichkeit übergeben, ein Werkstein mit zum großen Hilfsbau.

Möge es auf seiner Wanderung werbend und die Zahl der Freunde mehrend, jene Ideenkette fördern, die nur das eine Ziel kennt, Aschenbrödels der Geschichte zum sonnigen Glücke zu verhelfen.

Graz, Ende 1899.

Emil Kronberger.

*) „Die Welt“ sei jedermann, der sich für den Zionismus interessiert, bestens empfohlen. Administration: Wien IX Türken- Straße 9.