Wie der Golmberg bei Swinemünde entstanden. Nach alten Chroniken.

Aus: Die schönsten Sagen und Märchen der Insel Usedom und Wollin
Autor: Bearbeitet und herausgegeben von William Forster, Erscheinungsjahr: 1895

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Sagen, Märchen, Überlieferungen, Chroniken, Dokumente, Usedom, Kaminke, Golmberg, Aussichtspunkt, Naturereignisse, Swinemünde, Kurgäste
Nicht weit vom Dorfe Kaminke am Haff stand ein hohes, reich mit Zinnen und Türmen geschmücktes Schloss. Hier saß ein reicher Fürst. Wenn er auf seines Schlosses Zinnen stehend hinaus über Land und See schaute, da durfte er sich stolzem Mutes sagen: „So weit mein Auge reicht, gehört alles — alles — Dörfer und Wälder — Wiesen und Felder, mein — ist mein Eigentum!“ Reich und mächtig war der Fürst — aber an seinem Herzen da fraß ein Wurm — der Geiz.

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Inhaltsverzeichnis
Er kannte nur ein Vergnügen — seine Schätze anzuschauen. Und deshalb verließ er oft in der Nacht sein weiches Eiderdaunenbett um hinab in seine Schatzkammer zu steigen. Diese war kunstvoll in den felsigen Grund hinein gebaut, auf dem sein stolzes Schloss stand.

Eine schmale Treppe, die nur durch sein Schlafzimmer zu erreichen war, führte hinab und schwere eiserne Türen schlossen die Schatzkammern gegen jeden unberufenen Besuch ab.

Wie glänzten die grauen Augen des Geizigen, wenn er dann vor den wohlgefüllten Truhen stand und die glänzenden Gold- und Silbermünzen durch seine Finger gleiten ließ, oder wenn er sich an dem hellen Glanz ungemünzter Goldbarren weidete. Manchmal schloss er sogar sein Allerheiligste auf, um dort wie er sagte: Seinen Gottesdienst zu halten. Das Allerheiligste war ein kleines viereckiges Gemach, dessen Wände mit schwarzem Stoff ausgeschlagen waren. Von der Decke hing ein aus purem Golde geschmiedeter Kronleuchter herab und an den Wänden waren herrliche, aus Gold und Silber getriebene Gefäße ausgestellt. Auf einer Art Altar stand ein goldenes Kästchen. Mit vor Habgier funkelnden Augen schlich sich der Fürst hier her, hob behutsam den Deckel auf, da lagen auf schwarzen Polstern die herrlichsten geschliffenen Edelsteine — Diamanten, Rubinen und Smaragden, so groß und schön, wie sie selten in einer königlichen Schatzkammer zu erblicken waren.

Voller Zärtlichkeit strich der Fürst über die kalten Steine und murmelte: „Mein, mein — alle diese Steine gehören mir — niemand soll sie mir entreißen — sie sind und bleiben mein Eigentum!“

Während der reiche, geizige Fürst so in seinen Kleinodien wühlte, saß sein einziges Töchterlein oben am Söllerfenster und schaute tränenvollen Auges in die Nacht hinaus. Sie weinte, weinte sich die blauen Äuglein trübe.

Prinzessin Edda war schön und lieblich wie eine Maienblüte. Lange, goldig glänzende Locken umrahmten ihre Stirn, ihre Haut war weiß und so fein, dass man an den Schläfen das rote Blut durch die Adern schimmern sah. Klein und rot, wie eine schwellende Herzkirsche war ihr Mund. Aber das Allerschönste waren ihre veilchenblauen Augen. Schaute man in diese hinein, so glaubte man in einen stillen Bergsee zu blicken.

Seit einiger Zeit aber trübte sich der Glanz der blauen Augen, und Edda, deren silberhelle Stimme jubelnd durch die weiten Säle des Schlosses erklungen, schwieg still. Nur abends, wenn die volle Mondscheibe über dem Haff emporstieg, dann lehnte die holde Maid am Fenster ihres Stübchens und ihr schwermutsvoller Gesang vermischte sich mit dem geheimnisvollen Rauschen des Windes, der über die leicht gekräuselten Wellen des Haffs strich.

Warum trübte sich Eddas Blick? Weshalb blickte sie oft sehnsuchtsvoll in die Nacht hinaus?

Niemand wusste es — der Fürst kümmerte sich wenig um sein so hold erblühtes Töchterlein, und Muttersorge wachte längst nicht mehr über ihrem Leben. Eddas Mütterlein schlief längst unten in der Ahnengruft. Da begab es sich, dass eines Tages ein Rittersmann an die Schlosspforte klopfte und Einlass begehrte. Man geleitete den Fremdling in den Rittersaal — hier empfing ihn der Fürst, umgeben von seinen Rittern und Vasallen.

„Was ist Euer Begehr?“ forschte der Fürst, als er seinem Gast den üblichen Willkommengruß kredenzt hatte. „Ich komme um die Hand Eures Töchterleins zu werben. Gleich ihr bin ich von fürstlichem Geblüt, drüben im Lande der Dänen liegt die Burg meiner Väter!“

„Aha — also deshalb suchtet Ihr mich auf? Gebt Euch keine Mühe. Ihr sagt meine Tochter wolltet Ihr freien, schau — schau! So jung Ihr seid, so klug seid Ihr. Die Tochter nanntet Ihr — aber meine Schätze meintet Ihr!“

„Ich liebe Eure Tochter, sie soll schön wie der junge Morgen sein!“ verteidigte sich der Freier.

„Was geht dies Euch an — ziehet heim, mein Kind geb‘ ich Euch nun und nimmer zur Hausfrau. Geht — entfernt Euch oder beim großen Swantewit, meine Trossbuben sollen Euch hinausweisen!“

Der junge Ritter erblasste — Zorn und Wut stiegen in seiner Seele empor, unwillkürlich fasste er nach seinem Schwert — doch ein Blick in das hohnlachende Gesicht des Fürsten, sowie auf die, hinter seinem Sessel wie eine eherne Mauer aufgepflanzten Reisigen, belehrte ihn eines Besseren.

„Heute gehe ich — ich weiche der Gewalt; doch gedenke des Tages, an dem Du mir die Hand Deiner Tochter unter solchem mich entehrenden Vorwande verweigertest, denn ich kehre wieder und dann Gnade Dir und allen, die dies Schloss beherbergt!“

Dröhnenden Schrittes verließ der Ritter den Saal und das Schloss. Entsetzen lähmte die Gemüter der Anwesenden, nur der Fürst lachte gellend auf und rief dem Fortreitenden noch nach: „Geh, Du Taschenleer, der sich an meiner reichbesetzten Tafel sättigen und meine sorgsam gesammelten Schätze in alle vier Winde verstreuen möchte — geh, mein Kind gebe ich weder Dir noch sonst jemand zum Weibe. Sie und meine Schätze bleiben mein!“

Der Ritter erwiderte kein Wort; nur der Thorhüter hatte gesehen, wie eine Zornesröte sein Gesicht überflog und wie er seine Rechte, zur Faust geballt, wütend gegen das Schloss schüttelte.

Das Schloss lag nun wieder still und einsam. Der Fürst pflegte keinen Umgang, seine einzige Freude war seine Schatzkammer, sonst liebte er nichts und niemand auf der Welt.

Edda erfuhr kein Wort von der Werbung des Ritters. Einsam saß sie, freudlos und allein in ihrem Stübchen oben im Turm, am Stickrahmen, und unter ihren fleißigen Händen entstanden die herrlichsten Stickereien. Lesen und Schreiben hatte Edda, wie alle vornehmen Damen der damaligen Zeit, nicht gelernt, so verbrachte sie ihre Mußestunden und deren hatte sie mehr als genug, am Stickrahmen.

Eins noch verstand Edda, ein feuriges Ross zu tummeln, sie war eine kühne Reiterin und trabte oft, nur von ihrem Lieblingshund begleitet, hinaus in den taufrischen Wald. Dort fühlte sie sich frei von jenem Druck, der sich ihr schwer und schwerer, wie ein unheimliches Verhängnis auf die Brust legte.

An einem herrlichen Junimorgen ließ sie sich ihren milchweißen Zelter satteln. Zwar lagerten noch Frühnebelschleier auf der See, doch schon sandte die Sonne heiße Strahlen herab um diese Nebel zu verscheuchen.

Edda hielt, hoch zu Ross, auf einem felsigen Vorsprung, der schroff und steil nach der Ostsee hinabfiel, sie schaute in das auf- und abwogende Nebelmeer. Dabei hatte sie wenig Acht auf „Delphin“, so nannte sie ihr Lieblingsross. Plötzlich schreckte die Reiterin auf — ein heiseres Gebell, untermischt mit wildem Heulen, klang durch den morgendlich stillen Wald — es raschelte in den Büschen — bis endlich, seitwärts in dem niederen Gesträuch der Kopf eines ausgewachsenen Wolfes auftauchte.

Delphin stutzte — sprang zur Seite — seine Nüstern blähten sich auf — weiter nach der Klippe zu drängte das von Furcht gepeinigte Tier und ehe Edda recht wusste was mit ihr geschah — rollten Reiterin und Ross den steilen Abhang hinab. Edda stieß einen lauten Hilferuf aus — dann schwanden ihr die Sinne.

Als sie wieder zu sich kam, lag sie auf weichem Dünensand gebettet am Ufer. Ihr Köpfchen ruhte, sorgfältig gestützt von den Armen eines Jünglings, an dessen Brust.

Verwundert schaute sich Edda um, dann erhob sie sich hastig aus den sie umschlingenden Armen des Fremden.

************************* Fortsetzung ********************

Begrüßung eines Turnierteilnehmers

Begrüßung eines Turnierteilnehmers

Mittelalterliche Burganlage

Mittelalterliche Burganlage

Anreise der Turnierteilnehmer per Schiff

Anreise der Turnierteilnehmer per Schiff

Huldigung

Huldigung

Rittermahl

Rittermahl