Über das Wiedererwachen der schönen Künste in Griechenland. 1858

Über das Wiedererwachen der schönen Künste in Griechenland ist bereits einige Male öffentlich hin und wieder die Rede gewesen. Es ist im Allgemeinen erklärlich, wenn in dem seit Jahrhunderten verkommenen griechischen Volke, in welchem fast jeder lebendige Kunstsinn verschwunden gewesen, vor allen Dingen erst dieser Kunstsinn geweckt und die Kunstfertigkeit in ihren eisten Anfängen entwickelt werden muss. Dazu dient zunächst die in Athen seit längerer Zeit bestehende polytechnische Schule, und sie ist auch in der Tat nicht ohne entsprechende Erfolge geblieben.

Die Staatsregierung selbst lässt es an Bemühungen und an den erforderlichen Maßregeln ihrerseits nicht fehlen, um auf den Eifer und auf die Kunstfertigkeit der Schüler und Aller derer, welche sich in Griechenland mit den Künsten, namentlich mit der Architektur, der Malerei und Skulptur beschäftigen, günstig einzuwirken. Preisaufgaben, Prämienverteilungen, öffentliche Ausstellungen der Arbeiten und Kunsterzeugnisse find zu diesem Zwecke eingeführt worden und finden alljährlich Statt.


Bereits haben auch einzelne reiche Griechen zur Unterstützung der Künste und zur Erweckung des Kunstsinns und des Wetteifers in dieser Hinsicht nicht unbedeutende Summen hergegeben und geschenkt; so z. B. der im Jahre 1856 verstorbene Grieche Michael Zosimas die Summe von 60.090 Drachmen zur Erbauung eines angemessenen Gebäudes für die polytechnische schule. Auch an andern Geschenken von auswärts, um auf die Fortschritte der Kunst in Griechenland zu wirken, hat man es nicht fehlen lassen, und unter andern sind im vorigen Jahre von Frankreich aus mehrere Gipsabdrücke der in Paris befindlichen Skulpturen des Parthenons und anderer altgriechischer Kunstwerke, z. B. der Venusstatue von Melos, der polytechnischen Schule in Athen zum Geschenk gemacht worden. Ähnliches ist auch von Seiten Englands geschehen.

Die von der Regierung eingeführten Preisaufgaben und die damit verbundenen Belohnungen und Geldunterstützungen haben einen rühmlichen und ersprießlichen Wetteifer hervorgerufen, und ein vielfach weiter anregendes Beispiel in dieser Beziehung hat der reiche Grieche Kontoftavlos in Athen dadurch gegeben, dass er vor kurzer Zeit einen Wettkampf unter den Griechen eingefühlt und einen Kampfpreis von 2.000 Drachmen für das beste Gemälde und für die beste Skulpturarbeit ausgesetzt hat.

In dieser letzteren Hinsicht haben die Statuen zweier Brüder Phytalis nach dem Ausspruche der Kampfrichter, unter welchen selbst fremde Künstler in Athen sich befanden, den Preis davongetragen, und der Eine dieser letzteren hat dabei die ausdrückliche Erklärung abgegeben, dass diese Kunstarbeiten, wenn sie in den Kunsthallen von Paris aufgestellt würden, ein besseres und rühmlicheres Zeugnis von den sichtbaren Fortschritten Griechenlands auf dem Gebiete der schönen Künste abzulegen im Stande seien, als alle Kritiken der Zeitungsschreiber.