Westermanns Jahrbuch der Illustrierten Deutschen Monatshefte

Ein Familienbuch für das gesamte geistige Leben der Gegenwart
Autor: Westermann, George (1810-1879) deutscher Verleger und Kulturvermittler, Erscheinungsjahr: seit 1856
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Monatszeitung, Volkswirtschaft, Kapitalmarkt, Wirtschaftskriesen, Reisebeschreibungen, Rezensionen, Volksbildung, Kultur, Gesellschaft, Erfindungen
Ein Familienbuch für das gesamte geistige Leben der Gegenwart.

Im Jahr 1856 startete Westermann mit der Herausgabe der reich bebilderten, monatlich erscheinenden, Kulturzeitschrift „Westermann's illustrierte deutsche Monats-Hefte. Ein Familienbuch für das gesamte geistige Leben der Gegenwart“.

In einem Brief vom 5. Juli 1856 schrieb er dazu:

„Ich will nämlich ein Journal gründen, welches vorzugsweise den kulturhistorischen Interessen gewidmet ist. [...] Bemerken Sie, dass wir uns nicht mit den strengen Fachwissenschaften beschäftigen, nicht mit Apparaturen und Handwerkszeugen der Gelehrten, sondern mit den Resultaten der Wissenschaft, soweit solche in des Volkes Leben übergehen können.“ (zitiert nach 150 Jahre Westermann 1838-1988, Braunschweig 1988).

Der Braunschweiger Journalisten Heinrich Boegekamp entwickelte das Konzept der Monatshefte. Die Redaktionsleitung übernahm Adolf Glaser bis 1907. Glaser gelang es eine Reihe wichtiger Autoren für die Zeitschrift darunter Marie von Ebner-Eschenbach, Friedrich Hebbel, Theodor Storm, Wilhelm Raabe, Theodor Fontane, Alfred Brehm, Paul Heyse, Justus von Liebig und viele weitere, zu gewinnen. Literarische Kurzgeschichten und Novellen, Reiseerzählungen sowie Artikel zu technischen Themen wie dem Eisenbahnbau, die Dampfschifffahrt etc. bildeten den Kern der Zeitschrift. Viele der Artikel waren hochwertig und reich illustriert. Die Zeitschrift entwickelte sich zu einem wirtschaftlichen Erfolg.
Über die Zunahme des Geldes und der Zirkulationsmittel in Europa.

Aus: Westermanns Jahrbuch der Illustrierten Deutschen Monatshefte. Band 3. Oktober 1857 – März 1858

Der jedesmalige Wert des Geldes ist wie bei allen andern, oder doch den meisten Dingen abhängig von dem Verhältnis zwischen Nachfrage und Angebot. Die edlen Metalle sind allen Veränderungen im Wert eben so unterworfen, wie alle anderen Gegenstände. Das Geld und die Güter suchen einander, um gegen einander ausgetauscht zu werden, sie sind wechselseitig unter einander Nachfrage und Angebot. Jede Zunahme des Geldes oder der Geldquantität vermindert seinen Wert, und jede Verminderung des Geldes erhöht seinen Wert und zwar geschieht dies in einem genau entsprechenden Verhältnis.

Vor dreihundert Jahren hatte ein Gulden mehr Wert als jetzt zwanzig Gulden, man konnte daher mit zehn Gulden mehr ausrichten, als jetzt mit zweihundert. In den Jahren 1550 bis 1559 kostete 1 Malter Korn 1 Thlr., oder Wispel (etwa 8 2/3, Malter) kostete 8 1/2 Thlr., welche Quantität jetzt in Berlin 72 bis 76 Thlr. lostet. 1558 kostete l Fuder Wein in der Pfalz 10 Gulden, 1540 im badischen Oberlande der Saum, oder 88 Maß Wein 12 Batzen à 3 1/2 Kreuzer, 1 Malter Korn 40 Kreuzer, 1 Pfund Ochsenfleisch 4 Pfennige, 1512 genügte eine Summe von 10 Gulden vollkommen zur Erhaltung eines Studenten in Heidelberg. Mit einer Stiftung von 500 Gulden, wovon die Zinsen 20 Gulden betrugen, wurden damals zwei arme Studenten, Bürgersöhne aus Eppingen, auf der Universität Heidelberg erhalten.

Es ist von dem Engländer Danson nachgewiesen worden, dass von 1492 bis 1803 ein Wert von beinahe 7.751 Millionen Thaler an Gold und Silber aus Amerika nach Europa gekommen ist, wovon auf Gold 25,5 Prozent, auf Silber 74,5 Prozent kommen.

Von 1804 bis 1848 weist derselbe eine Gold- und Silbereinfuhr von beiläufig 2.481 Millionen Thlr. für Europa nach, oder von 1492 bis 1848 zusammen circa 10.231,5 Million Thlr.

Bemerkenswert ist, dass die Silberproduktion in dem letztverflossenen halben Jahrhundert sich ziemlich unverändert erhalten, dagegen die Goldgewinnung auf das Dreifache gestiegen ist. Vor vierzig bis fünfzig Jahren überstieg die Silbereinfuhr den Import des Goldes über das Doppelte, aber schon vor 1848 war der Wertbetrag des jährlich gewonnenen Goldes vermittelst der russischen Goldwäschereien bedeutender geworden, als der des Silbers. 1848 trat aber dasjenige Ereignis ein, welches außer der Entdeckung der reichen amerikanischen Silberminen im sechzehnten Jahrhundert für die Geschichte der edlen Metalle außerordentlich wichtig war, nämlich die Auffindung und sofortige ausgedehnte Ausbeutung des kalifornischen Goldreichtums, welchem dann 1851 die Entdeckung der australischen Goldminen gefolgt ist. Zu Anfang dieses Jahrhunderts verhielt sich das jährlich gewonnene Quantum Gold zum Silber, in Rücksicht des Gewichts nach Prozenten wie 2 zu 98, und hinsichtlich des Wertes wie 29 u 71. Im Jahre 1851 dagegen war das Verhältnis nach dem Gewichte wie 13 zu 87, und nach dem Wert wie 70 zu 30, also grade umgekehrt. Das bar zirkulierende Medium hat sich in den letzten zehn Jahren gewiss um tausend Millionen Thaler vermehrt. Im Jahre 1856 sind wieder über 25,5 Millionen Pfund Sterling an Gold nach England gekommen, und zwar über 10,25 Million aus Australien, über 8,5 Million aus Kalifornien und beinahe 7 Millionen aus Westindien.

In diesem Jahre (1857) betrug die Einfuhr aus Australien bereits über 40,000 Unzen. Rechnet man hierzu die enormen Quantitäten des in Europa und Amerika umlaufenden Papiergeldes und der Kreditpapiere, so wird man nicht verkennen, wie diese Erscheinungen auf die Preise aller Warenartikel, also auch der Lebensbedürfnisse von Einfluss sein müssen, wenngleich die Folgen nicht plötzlich, sondern nach und nach hervortreten.
Die Summe des in Deutschland umlaufenden Papiergeldes, mit Ausschluss von Österreich und ohne Hinzurechnung von Banknoten, betrug nach einer 1850 veröffentlichten Zusammenstellung beinahe 42 Millionen Thaler, davon die Hälfte in preußischen Kassenanweisungen, seitdem hat sich diese Summe noch sehr vermehrt.

Der Bargeldumlauf in Frankreich beträgt etwas mehr als 3.000 Millionen Franken, wozu noch Banknoten kommen. Dazu belaufen sich die an der Pariser Börse notierten verschiedenen Werte auf nahe an 21.000 Millionen.

In Europa gibt es nur vier Milliarden bares Geld, und auf diese Summe gründet sich der Kredit und die Zirkulation von mehr als 60 Milliarden in Papier. Hiervon kommen 40 Milliarden auf die Staatsschulden und etwa 20 Milliarden auf Bankbillets, Eisenbahnaktien und andre Kreditpapiere.

Die raschere Zirkulation des Geldes durch die Organisation des Kredits vermittelst der Banken kommt einer Vermehrung der Zirkulationsmittel gleich. Wichtig ist also auch der Einfluss des Kredits. Es ist gegenwärtig nicht allein das bare Geld, welches den Stand der Preise bestimmt, wo sich der Kredit gehörig entwickelt hat, sind die Preise mehr abhängig von der Anwendung des Kredits, als von der im Umlauf befindlichen Quantität baren Geldes. Denn obschon der Kredit an sich keine produktive Macht ist, so gewährt er doch die Möglichkeit zu kaufen, und Jemand, der im Besitze von Kredit sich mit dem Einkaufen von Waren beschäftigt, schafft genau eben so viel Nachfrage nach den Waren und trägt eben so viel zur Steigerung der Preise bei, als wenn er Ankäufe zu gleichem Betrage mit barem Gelde machen würde. Wenn Wechsel, Banknoten, Geldanweisungen, Tresorscheine u. s. w. zur Bezahlung von Forderungen benutzt werden, so verrichten sie etwas, wozu sonst Geld erforderlich sein würde, dienen also wie Zirkulationsmittel. Im vorigen Jahre (1856) machte sich eine über ganz Europa verbreitete Krisis im Handel und Verkehr bemerkbar, welche man von einigen Seiten eine Geldkrisis, von andern eine Kapitalkrisis nannte. Der Geldumlauf hat sich seit sechs bis sieben Jahren um den sechsten Teil vermehrt, während sich die Geschäfte mehr als verdoppelt haben. Der Kapitalverbrauch ist rascher von Statten gegangen als die Ersparnis, und überall hat man den Kredit zu Hilfe genommen. Nach Einigen haben sich die Operationen um mehr als zehn Milliarden vermehrt, während das Geld nur um eine Milliarde zugenommen hat. Diesem Übelstande, behauptete man, ist nur durch zwei Mittel abzuhelfen: erstens, durch große Zurückhaltung in Bezug auf Kredit und neue Unternehmungen, zweitens, durch ein beträchtliches Zurückströmen der edlen Metalle.

Diejenigen, welche eine Kapitalkrisis behaupteten, sagten: nicht das Metallgeld, sondern die gesamten im Lande vorhandenen, und zur Produktion verwendeten Gütermassen bilden das Kapital, nämlich Bodenverbesserungen, Gebäude, Fabriken, Maschinen, Werkzeuge, Rohstoffe, Waren aller Art, zu welchen zuletzt auch das vorhandene Metallgeld gezählt werden muss. Die Ursache dieser Kapitalkrisis gründete man auf folgende Tatsachen: erstens, der Krieg der Westmächte gegen Russland, der über zwei Jahre gedauert hat. Zweitens, die Anleihen der meisten Staaten im Betrage von zirka tausend Millionen Thaler, welche größtenteils für den Krieg verwendet und vernichtet wurden. Drittens, die industriellen Unternehmungen, wobei sich die Spekulation in der übertriebensten Weise überstürzte, unbekümmert, von welcher Seite das erforderliche Kapital kommen sollte. So sind seit vier bis fünf Jahren in Frankreich und Deutschland so viele Eisenbahnbauten ausgeführt worden und noch im Bau begriffen, dass allein diese einen Kapitalwert von dreitausend Millionen Thaler repräsentieren, welche ganze Kapitalmasse erst später rentabel wird. Hierzu kommen seit vier Jahren, nämlich von 1852 bis einschließlich 1856, die geringen oder unzulänglichen Getreideernten in den meisten europäischen Ländern, welche einen großen Teil des jährlichen Überschusses der Produktion über die Konsumtion zum Ankauf fremden Getreides erforderten. Hieraus schloss man, dass die Anforderungen Mitteleuropas die Grenzen überschritten, wo sie nur den jährlichen Überschuss treffen sollten, und dass ein Teil des Betriebskapitals aus seiner bisherigen Verwendung gerissen und in festen Anlagen, deren Ertrag erst der Zukunft zu gut kommen kann, verwendet worden ist.

Westermann, George (1810-1879) deutscher Verleger und Kulturvermittler

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Westermanns Jahrbuch der Illustrierten Deutschen Monatshefte 1858

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New York - Hudson-River-Kanal

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Smidt, Heinrich (1798-1867) deutscher Schriftsteller

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Wagner, Adolph Prof. Dr. (1835-1917) deutscher Ökonom und Finanzwirtschaftler

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