Heinrich Queiß verbindet sich mit Nickel Minckwitz und Otto von Schlieben und rächt sich an dem Bischofe, der ihm sein Recht verweigert

Zwischen Spreewald und Wendischer Spree


Aus solchen Erfolgen und solchem Besitzstande konnte schon ein »stolzer Bischof« geboren werden, und Georg von Blumenthal in seinem nur zu begreiflichen Unmut über die Kränkung, die der Appell an den niederlausitzischen Landvogt ihm bereitet hatte, beschloß jetzt, den kleinen Vasallen, der ihm diesen Tort angetan, seine starke Hand fühlen zu lassen. Bis dahin war alles mehr oder weniger unverschuldete Säumnis gewesen, wenigstens soweit der Bischof in Person mitspielte, nunmehr aber schob auch dieser die Rechtsgebung absichtlich hinaus, behauptete, daß den Angaben des Queiß nicht ohne weitres Glauben zu schenken sei, und verlangte von ihm (dem Queiß), daß er sich dem Gerichtszuge nach Friedersdorf, allwo der Schäfer einen Unterschlupf gefunden, anschließen solle, damit gleich an Ort und Stelle Kläger und Beklagter einander gegenübergestellt und ihre Sache gehört werden könne. Dieser Aufforderung aber, weil er dem Bischof nicht traute, widerstrebte der von Queiß und verlangte nur immer eindringlicher und hartnäckiger eine Verhaftung des Schäfers.


Eine Folge davon war, daß der Zug selbst unterblieb.

Erbittert über dies Verfahren, entschloß sich Queiß, »wegen ihm verweigerten Rechtes« Rache zu nehmen, und wandte sich an Otto von Schlieben auf Baruth und den Ritter Nickel von Minckwitz auf Sonnenwalde, mit welchen beiden er übereinkam, den wegen seines Stolzes überall im Lande wenig geliebten Bischof in seiner Stadt Fürstenwalde heimzusuchen und nach Sonnenwalde hin gefangenzusetzen.

Alle drei: Minckwitz, Schlieben und Queiß (welcher letztre von jetzt ab zurücktritt), hatten in Kürze 60 Reiter beisammen, mit denen sie den 7. Juli 1528 aufbrachen. Unterwegs aber vergrößerte sich ihr Zug bis auf 400 Berittene, darunter auch ein Kracht von Lindenberg und die beiden Löschebrands von Saarow und Pieskow.

In der Nacht vom 8. auf den 9. Juli hielten sie vor Fürstenwalde. Die Tore waren selbstverständlich geschlossen, und Minckwitz ersann eine List, um ohne Lärm und Gefahr in die Stadt hineinzukommen. Er hatte nämlich erkundschaftet, daß einige polnische Frachtfuhrleute, die zu früher Morgenstunde weiter östlich auf Frankfurt und die Oder zu wollten, in einer Vorstadts-Ausspannung Quartier genommen hätten, und schickte deshalb den Hermann Schnipperling, einen von Schliebenschen Diener, in ebendiese Vorstadts-Ausspannung ab, um sich daselbst den Fuhrleuten als einer der Ihrigen anzuschließen. Es gelang auch über Erwarten, und der Schliebensche, der durch Geld und gute Worte die Polacken leicht zu gewinnen gewußt hatte, war mit unter den ersten, die bei Tagesanbruch in das eben geöffnete Tor einritten. Unmittelbar hinter dem Tore floß ein breiter und sumpfiger Spreegraben, und als der Schliebensche des hier seines Dienstes wartenden Torwächters ansichtig wurde, ritt er an diesen heran und bat ihn, ihm den Sattelgurt etwas fester zu schnallen. Der Torwächter war auch bereit, eh er aber den Riemen fassen und scharf anziehen konnte, stieß ihn der böse Schnipperling ins Wasser und schoß im selben Augenblick ein Pistol ab. Das war das verabredete Zeichen für die bis dahin in einem Kusselbusch verstecktgehaltenen Reiter, die nun in raschem Trabe das Tor passierten und über die lange Holzbrücke in die Stadt eindrangen. Anfangs versuchten hier die grade bei der Frühsuppe sitzenden Bürger einen Widerstand und schlugen sich tapfer mit dem Reitervolk herum, als ihnen Minckwitz aber zurief: »es gelte dem Bischof und nicht ihnen«, ließen sie vom Kampf ab und gaben den Weg nach der bischöflichen Burg hin frei. Freilich ohne daß man auf Minckwitzischer Seite noch irgendeinen Vorteil davon gezogen hätte, denn als die Rotte bald danach in die Burg einstürmte, fand sie nur noch das leere Nest. Der Bischof hatte Zeit gefunden, seine Flucht zu bewerkstelligen, und nur wenige Dienstleute wurden zu Gefangenen gemacht, darunter Matthias von Blumenthal, des Bischofs Bruder.

Das däuchte nun den Minckwitzischen zuwenig, und wenn es ihnen anfänglich unzweifelhaft nur um die Person des Bischofs zu tun gewesen war, so ließ sie jetzt der Ärger alle guten Vorsätze vergessen, und Minckwitz selber erteilte Befehl oder gestattete doch wenigstens, daß das bischöfliche Schloß, die Domkirche, das Rathaus und das Domherrnviertel geplündert werde. Was sich denn auch unverzüglich ins Werk setzte. Selbst die kirchlichen Gefäße, die Patenen und Abendmahlskelche, wurden nicht verschont, und das Zerstörungswerk geschah um so gründlicher und rücksichtsloser, als sich unter den Plünderern bereits sehr viele befanden, die Gegner und Verächter der katholischen Kirche waren. Im Kreise der Anführer aber richtete sich das Hauptaugenmerk auf ihre beim Domkapitel aufbewahrten Verschreibungen und Schuldscheine, die nun, soweit sie zur Stelle waren, entweder vernichtet oder mitgenommen wurden. Weniger glücklich war Minckwitz in Person, der den im Dom aufbewahrten Domschatz in seine Gewalt zu bringen hoffte. Die Sakristei, darin er ihn mutmaßte, wurde bis unter den Fußboden untersucht, aber ein Fleckchen übersah er: den durch die geöffnete Sakristeitür gebildeten Winkel. Und gerade hier stand der Kasten, der den Domschatz bewahrte.

Zuletzt richtete sich die Stimmung, wie man kaum anders erwarten konnte, gegen die Stadt selbst, und als einer aus der Rotte bemerkte, »daß die Bürgerschaft an dem Scheitern ihres Anschlages eigentlich schuld sei, weil ihr Widerstand dem Bischofe Zeit zur Flucht gegeben habe«, fiel man ohne weitres über die Bürger her. Einer, der sich widersetzen wollte, verlor sein Leben, und nur zwei Häuser entgingen der allgemeinen Plünderung: eines dadurch, daß der Brauer, der es bewohnte, die heiße Malzbrühe den Anstürmenden auf die Köpfe goß, ein andres dadurch, daß man von innen her ein langes weißes Laken aushängte, wie wenn ein Toter im Hause sei. Nach ein paar Stunden endlich hatte sich das Unwesen ausgetobt, und der ganze Zug zog wieder heimwärts und nahm des Bischofs Bruder gefangen nach Sonnenwalde mit.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 4. Teil