Der Bischof Georg von Blumenthal sucht Schutz beim Kurfürsten, und Nickel von Minckwitz wird flüchtig

Zwischen Spreewald und Wendischer Spree


Der geflüchtete Bischof eilte geradenweges nach der Grimnitz, wo sich Kurfürst Joachim eben aufhielt. Dieser, nach empfangenem Bericht, befahl einem seiner Diener, dem Martin Böhme, mit acht Reitern den Räubern nachzusetzen, um wenigstens in Erfahrung zu bringen, wo sie den Raub zu bergen gedächten. Dies märkische Détachement aber, das für seine Aufgabe viel zu schwach war, wurde zu Dobrilug von den Minckwitzischen überrascht, und Martin Böhme selbst fiel, als er eben sein Pferd besteigen wollte, durch einen Dolchstoß von Schliebens Hand. Seine Reiter wurden gefangengenommen und erst nach Jahresfrist von Sonnenwalde wieder entlassen.


All dies machte den größten Lärm, und als Luther in Wittenberg davon hörte, war er höchst unzufrieden und schrieb an einen Freund: »Ich habe hier weiter nichts erfahren, als daß Nikolaus von Minckwitz mit einer zusammengebrachten Schar die Stadt Fürstenwalde, den Sitz des lebusischen Bischofs, überfallen hat. Ich weiß nicht, aus welchem Grunde und zu welchem Zweck. Es mißfällt mir aber außerordentlich, wenngleich es heißt, daß alles ohne Mord und Brand geschehen und daß vielmehr nur geplündert worden sei. Wenn ich von Mißfallen spreche, so heg ich ein solches nicht bloß darum, weil sich das Unternehmen gegen die staatliche Gewalt richtete, sondern namentlich deshalb, weil es das Evangelium mit einer neuen großen Gehässigkeit belastet. So zwingt man uns, die Unschuldigen, für die Freveltaten anderer zu büßen. Gäbe doch Christus, daß dem ein Ende sei, vor allem aber, daß jener Minckwitz nicht noch Schlimmeres begehe. Was übrigens den Lebuser Bischof betrifft, so soll er in der ganzen Mark überall verhaßt sein.«

In dieser Annahme »von dem allgemeinen Verhaßtsein des Bischofs« mochte Luther im großen und ganzen recht haben; andrerseits aber war es nicht minder gewiß, daß er, der Bischof, beim Kurfürsten Joachim in hohen Gnaden stand. Ungesäumt ließ dieser letztre denn auch einen Befehl ergehen, in welchem er das ganze märkische Land aufforderte, seine Kraft einzusetzen, um vor Sonnenwalde zu ziehn und das alte Minckwitzen-Schloß zu zerstören. Es fehlte nicht an Geneigtheit, diesem Befehle nachzukommen, und bloß aus der Stadt Wittstock erschienen 140 wohlbewaffnete Bürger, die der Havelberger Bischof in Person dem Kurfürsten und seinem Heere zuführte, welches letztre sich bei Berlin zusammenzog und, nach der Angabe mehrerer in dem spätern Prozeß als Zeugen auftretenden Edelleute, aus 6000 Reitern und 40 000 Mann Fußvolk bestand. Aber auch Minckwitz war nicht müßig. Er suchte nicht bloß sein Schloß, das ohnehin für fast uneinnehmbar galt, in noch besseren Verteidigungszustand zu setzen, sondern ging auch außer Landes, um Truppen anzuwerben, mit denen er, wenn Joachim vor Sonnenwalde zöge, seinerseits in die Mark einfallen wollte.

Keinenfalls war Minckwitz gefährdeter als der Kurfürst, eine Meinung, die Luther teilte. »Dem Anscheine nach«, so schrieb er, »befindet sich der Markgraf in größerer Gefahr als Minckwitz, denn dieser hat seine Burg befestigt und ist bereit, den Angriff des Markgrafen auszuhalten. Er selbst soll jedoch außer Landes gereist sein und will vielleicht, während der Markgraf belagert, allerlei anderes ins Werk setzen. Und wer weiß, ob nicht Gott damit anfängt, den Markgrafen heimzusuchen wegen seiner schamlosen Pläne, deren er so viele hegt und so ohne Ende. Ich bitte Gott um Frieden und hätte dem Markgrafen alles andre als den Krieg geraten. Alle Leute sagen, die Burg des Minckwitz sei nicht einzunehmen, wenn die Soldaten sie treu verteidigen wollen.«

Dieser Ansicht schien sich schließlich der Kurfürst selber zuzuneigen, denn anstatt das erwähnte stattliche Heer, dessen Zusammenziehung ihm 50 000 Gulden gekostet hatte, gegen Sonnenwalde marschieren zu lassen, ließ er es nach vierzehntägigem Zusammensein wieder auseinandergehn und entschloß sich, zu Minckwitzens Bestrafung, einen andern, ungefährlicheren Weg einzuschlagen. Er reichte nämlich Klage gegen ihn als Landfriedensbrecher beim Reichskammergericht zu Wetzlar ein und hatte denn auch die Genugtuung, die Reichsacht über denselben ausgesprochen zu sehn.

Der Verklagte war nun vogelfrei, dem Anschein und dem Wortlaute nach ein toter Mann. Aber über bloße Worte kam es nicht recht hinaus.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 4. Teil