Abschnitt 2

Der Oderbruch und seine Umgebung


Quilitz oder Neu-Hardenberg


Quilitz von 1763 bis 1814


Ebenfalls im Park, dem Gartensalon gegenüber und eine Wand dunkler Bäume als Hintergrund, erhebt sich malerisch das Marmordenkmal, das Prittwitz im Jahre 1792 dem Andenken des großen Königs errichten ließ. Die Zeichnung zu diesem Monumente wurde von Johann Meil, dem damaligen Vizedirektor der Berliner Akademie der Künste, entworfen, die Ausführung in karrarischem Marmor aber einem Bildhauer in Lucca, namens Joseph Martini, anvertraut. Die Worte, die dieser an der linken Seite des Denkmals eingraviert hat, lauten: »Joseph Martini Lucensis inventor faciebat 1792«; also etwa: »Joseph Martini von Lucca hat es erfunden und ausgeführt, oder erdacht und gemacht.« Das Wort inventor muß hier überraschen, wenn man es mit der vorzitierten, der Schadowschen Autobiographie entlehnten Notiz zusammenhält, »daß Meil den Entwurf gemacht habe«, also der Inventor gewesen sei. Die Komposition ist etwas steif, etwas herkömmlich und in vielen Stücken angreifbar, aber dennoch eine gute Durchschnittsarbeit. Ein Säulenstumpf trägt das Reliefbild des großen Königs; ein trauernder Mars, kniend, umklammert von der einen Seite her die abgebrochene Säule, während sich eine aufrecht stehende Minerva von der andern Seite her an den Säulenstumpf lehnt. Das Hauptinteresse, das diese Gruppe einflößt, ist das, daß es das erste Denkmal ist, das dem Andenken des großen Königs errichtet wurde. Schadows Friedrichs-Statue auf dem Stettiner Exerzierplatz ist erst das zweite. Allerhand kleine Anekdoten knüpfen noch an dieses Denkmal an. So heißt es, daß eine Eule längere Zeit im Schutz der Minerva genistet habe. Fraglich. Aber bis diesen Tag ist die Statue, namentlich der offen am Boden liegende Helm des Mars, der bevorzugte Platz nesterbauender Schwalben. Am anziehendsten ist die einfache Auslegung, die die Quilitzer den Gestalten des Mars und der Minerva gegeben haben. Sie sagen, »es sei Prittwitz und seine Frau, die um den Alten Fritz trauern«.

Wir begegnen der Prittwitz-Zeit, oder doch einer Mahnung an dieselbe, auch noch in der alten, übrigens durch Schinkel völlig umgebauten Kirche. Einige Schritte vor dem Altar ist eine Erztafel in die roten Ziegel des Fußbodens eingelassen, auf der wir in Vergoldung ein kurzes römisches Schwert erblicken, um das sich ein Lorbeer windet. Darunter lesen wir: »Joachim Bernhard von Prittwitz, königlich preußischer General der Kavallerie, Ritter des Schwarzen Adler- und Sankt-Johanniter-Malteser-Ordens, geboren 3. Februar 1727, gestorben 4. Juni 1793; und seine Gattin Maria Eleonora von Prittwitz, geborne Freiin von Seher-Thoß, geboren 1739, gestorben 1799.« Unter dieser Tafel befindet sich höchstwahrscheinlich die Gruft, in der das Prittwitzsche Paar beigesetzt wurde; die Tafel selbst aber stammt ersichtlich erst aus den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts, wo die Kirche restauriert wurde. 1793 hatte man noch die altherkömmlichen Grabsteine. Die Benutzung von Gußeisen deutet auf die Schinkelsche Zeit.

Zum Schluß nennen wir noch zwei Portraits, denen wir in einem Zimmer des Schlosses begegnen und die höchstwahrscheinlich der Prittwitzschen Hinterlassenschaft angehören. Es sind dies: der Alte Fritz und General von Prittwitz selbst. Das erste Bild wurde 1786, kurz vor dem Tode des Königs, von Bardou gemalt. Die Auffassung weicht ab von dem Herkömmlichen. Neben dem Ausdruck physischen Leidens ist es ein Zug milder Schwermut, der den Kopf charakterisiert und anziehend macht. Das Portrait des alten Prittwitz, ebenfalls Brustbild, zeigt uns den General wahrscheinlich in der Uniform des Regiments Gensdarmes, dessen Commandeur en chef er seit 1775 war. Auf dem roten (pfirsichblütfarbenen) Frack ruht das breite Orangeband des Schwarzen Adlerordens. Die Farbe des Ordensbandes wirft einen gelben Reflex auf das ohnehin leberfarbene, wenig anziehende Gesicht, dessen Griesgrämigkeit unter dem gelben Lichte noch zu wachsen scheint.

1793 starb General von Prittwitz, 1799 seine Witwe. Quilitz blieb aber noch eine Reihe von Jahren hindurch in Händen der Familie, und zwar im Besitz des Geheimen Finanzrats Friedrich Wilhelm Bernhard von Prittwitz, geboren 1764, gestorben 1843, ältesten Sohnes des Generals. Herr von Prittwitz stand zu Hardenberg und Stein in naher Beziehung, nahm aber 1808 seinen Abschied und lebte seitdem ganz in Quilitz, bis er die Herrschaft 1810 an den Staat verkaufte (mittelst Tausch) und dafür die frühere Propstei Kasimir im Leobschützer Kreise Oberschlesiens erwarb.

Aus diesen Jahren, wo von Prittwitz der Jüngere die Herrschaft innehatte, wissen wir wenig über Quilitz zu berichten, es sei denn, daß von 1801 bis 1803 der damals zwanzigjährige Schinkel hier seine ersten architektonischen Versuche machte. Er begann mit dem Kleinsten, und zwar mit zwei Wirtschaftsgebäuden, von denen das eine auf dem Vorwerk Stuthof, das andere auf dem Vorwerk Bärwinkel errichtet wurde – zwei Ortsnamen, die fast noch weniger wie die Aufgabe selbst imstande waren, seinen Genius zu beflügeln. Aber dieser war eben da und bewies sich im Kleinen, wie er sich später im Großen bewies. Wenn an diesen frühesten Bauten Schinkels – nur ein Gartensaal im Flemmingschen Schloß zu Buckow ist noch älter – etwas zu tadeln ist, so ist es das, daß der Genius des jungen Baumeisters, der Zug nach idealeren Formen sich hier an der unrechten Stelle zeigt. Diese Wirtschaftsgebäude machen etwa den Eindruck, wie wenn ein junger Poet einen wohlstilisierten und bilderreichen Brief an seine Wirtsfrau oder deren Tochter schreibt. Der Stil, die Sprache sind an und für sich tadellos, nur die Gelegenheit für den poetischen Ausdruck ist schlecht gewählt; Gemeinplätze wären besser. Schinkel selbst, der in späteren Jahren mit so besonderem Nachdruck der Anlehnung an das Bedürfnis das Wort redete, würde diese, einer höheren Form huldigenden Wirtschaftsgebäude, speziell das auf dem Vorwerk Bärwinkel, zwar mit Interesse, aber sicherlich auch mit Lächeln wieder betrachtet haben. Indessen, wie jugendlich immer: ex ungue leonem. Je unverkennbarer dies hervortritt, um so auffallender ist es, daß eine Zuschrift an Herrn von Wolzogen, den Herausgeber der Schinkelschen Briefe, gerade dieses interessante, aus Raseneisenstein und Eisenschlacken errichtete Wirtschaftsgebäude dem Zimmermeister Tietz in Friedland und dem Maurermeister Neubarth in Wriezen hat zusprechen wollen. Herr von Wolzogen hält dieser Zuschrift gegenüber seine ursprüngliche, auf einen Ausspruch Waagens gestützte Ansicht zwar aufrecht, aber doch mit einer gewissen Unsicherheit, die, wir zweifeln nicht daran, beim Anblick des Gebäudes selbst sofort der festen Überzeugung Platz machen würde: dies ist von Schinkel und von niemand andrem. Es ist sehr die Frage, ob die architektonischen Kräfte zweier kleiner Städte selbst in unsern Tagen, nachdem Schinkel eine Schule herangebildet hat, fähig sein würden, einen so originellen, alle Schablone vielleicht nur allzusehr verleugnenden Bau aufzuführen, damals aber (1803) vermochten es die vereinten Baukräfte von Friedland und Wriezen sicherlich nicht. Ich neige mich sogar der Ansicht zu, daß die Verwendung von Schlacke und Raseneisenstein, eines Materials, das hierlandes nie als Baumaterial verwendet worden ist, dort aber zufällig zur Hand war, allein schon als Beweis dafür dienen darf, daß der Bau von Schinkel herrühren muß. Gerade in dieser genialen Benutzung des zufällig Gebotenen war er ja so hervorragend. Das Ganze (ein Molkenhaus) hat die Form einer Basilika: ein Hochschiff und zwei niedrige Seitenschiffe. Wenn aber eine Basilika die prachtvolle breite Giebelwand nach vorne stellt und dieselbe als Portal benutzt, so hat Schinkel bei diesem Bau das umgekehrte Arrangement getroffen. Er hat den breiten Frontgiebel als Hintergrund und die Apsis nach vorne genommen, die nun als Eingang dient. Und wie vieles auch sich gegen ein Basilika-Molkenhaus sagen lassen mag, darüber kann für mich kein Zweifel sein, daß Friedland-Wriezen damals solchen Einfalles nicht fähig war.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 2. Teil