Abschnitt 5

Der Oderbruch und seine Umgebung


Kunersdorf


Graf und Gräfin Itzenplitz
1803–1848


2. Der Schlachtplan von Torgau (»der Lestwitz-Tag«), groß und in sauberster Ausführung. Dazu: »Ausführlicher Bericht, wie die merkwürdige Schlacht bei Süptitz, ohnweit Torgau, am 3. November 1760 geschehen ist. Leipzig, bei Christian Gottlieb Hilscher«.

3. Karten und Manöverpläne, die der Generalmajor von Lestwitz selbst gebraucht.

4. Karten, die auf den Siebenjährigen Krieg Bezug haben, bis 1763.

5. Militärische Pläne und Karten seit 1763.

Alle unter 3, 4 und 5 angeführten Karten und Pläne befinden sich in großen Mappen und sind zum Teil für den Lestwitzschen Privatgebrauch gezeichnet und getuscht, teils im Buchhandel erschienen. Bei den letztern lesen wir abwechselnd: »Zu finden in Johann Jakob Korns Buchhandlung in Breslau« oder »Gestochen von Glaßbach in Berlin«.

In demselben Schranke finden wir noch ein anderes historisches Wertstück, das freilich nicht mehr der Lestwitz-Zeit angehört, sondern vom Grafen Peter Alexander von Itzenplitz, von Groß Behnitz im Havellande her, mit nach Kunersdorf gebracht wurde. Es ist dies

6. der Flötenkasten Friedrichs des Großen, den – bald nach dem Tode des großen Königs – Friedrich Wilhelm II. an seinen Minister Wöllner zum Geschenk machte. Der Minister Wöllner war mit einer Groß Behnitzer Itzenplitz vermählt, wodurch dies historische Wertstück (da das Wöllnersche Paar kinderlos starb) in die Itzenplitzsche Familie kam.

Es ist ein weißer, in der geschmackvollsten Weise mit Rosen, Erdbeeren und allerlei Blumenguirlanden bemalter Porzellankasten von etwa fünf Zoll Höhe bei sieben Zoll Breite und elf Zoll Länge. In diesem Kasten, der zwei Etagen hat und mit rotem Samt ausgeschlagen ist, liegt die Ebenholzflöte des Königs. Sie besteht aus acht Stücken: einem Mundstück, einem Klappenstück und sechs Einsatzstücken, jedes Stück von einem Elfenbeinrande eingefaßt. Dazu gehört noch (zugleich als Autograph von der Hand des Königs) eine sieben Seiten lange Partitur. Die Überschrift derselben lautet: »Aria per il Paulino del opera di Demofonté, allegro di molto: Non odi con siglio.« Rechts oben in der Ecke: »di Frederico«.

Vielleicht die größte Sehenswürdigkeit von Schloß Kunersdorf ist die Begräbnisstätte für die Familie Lestwitz-Itzenplitz. Dieselbe liegt an der anderen Seite der Dorfstraße, und die verschlungenen Pfade eines Obstgartens – an Blumenbeeten und dem hohen Schilf eines kleinen Teiches vorbei – führen zu dieser Stätte hin. Eine hohe Schwarztanne, deren Zweige weit in den Friedhof hineinragen, bezeichnet den Eingang. Dieser Friedhof, den eine ziemlich niedrige Feldsteinmauer umfaßt, erinnert zumeist an die Begräbnisstätten der Familie Marwitz in Friedersdorf und der Familie Humboldt in Tegel. Mit beiden hat er eine gewisse Eigentümlichkeit der Anlage gemein, und wenn er vielleicht einerseits hinter der christlich-poetischen Schlichtheit des einen wie anderseits hinter der klassisch-ästhetischen Feinheit des andern zurückbleibt, so übertrifft er doch beide sowohl durch Mannigfaltigkeit wie durch den Reichtum des künstlerisch Gebotenen. Die Anlage, wenn ich nicht irre, von Frau von Friedland herrührend, die auch hierin die Selbständigkeit ihres Wesens zeigte, ist folgende. An der Einfassung entlang, aber diese bedeutend überragend, zieht sich, wie ein solider Wandschirm, ein Stück Mauerwerk entlang, dessen Rückseite glatt ist, während die Front (der Begräbnisstätte zugekehrt) eine Anzahl von Nischen zeigt. Einfache Säulen fassen nach links und rechts diese Nischen ein und tragen einen wenig vorspringenden Sims. Zu Füßen jeder Nische liegt ein Grabstein, während in der Nische selbst die Aschenkrüge mit den Reliefbildnissen der Verstorbenen oder sonstige Mementos stehen. Um die Grabsteine rankt sich Efeu; Geißblatt und Immergrün steigen zu den Säulen empor. Die ganze Anlage hat den Vorteil, daß sie sich ohne Mühe durch Anbau einer neuen Nische erweitern läßt. Der Bau, wie er jetzt ist, besteht aus neun Nischen, und die Mitglieder der Lestwitz-Itzenplitzschen Familie, die hier ihre Ruhestätte gefunden haben, sind, unter wörtlicher Zitierung der Inschriften, die folgenden:

1. »Gruft des irdischen Überrestes von Hans Sigismund von Lestwitz, königlich preußischen Generalmajors der Infanterie. Geboren zu Kontopp in Schlesien am 19. Junius 1718; gestorben zu Berlin am 16. Februar 1788.« Denkmal: eine über zwei Fuß hohe Urne von grauem schlesischem Marmor; in Front der Urne der Reliefkopf des Generals; oben auf der Urne Helm, Schwert, Handschuh. Von Schadow zwischen 1790 und 1803 ausgeführt.

2. »Dies Denkmal bedeckt den sterblichen Teil von Katharina Charlotte von Lestwitz, gebornen von Treskow. Geboren zu Schlagenthin im Magdeburgischen am 3. Januar 1734, gestorben zu Berlin am 14. Januar 1789.« Denkmal: Urne von grauschwarzem Marmor mit Reliefbild. Ebenfalls von Schadow.

3. »Dem tätigen Geiste, der diese Fluren belebte, ordnete und nun schützt, Helenen Charlotten von Friedland, gebornen von Lestwitz. Geboren zu Breslau am 18. November 1754, gestorben zu Kunersdorf den 23. Februar 1803.« Denkmal: Ein Säulenabschnitt, an dem sich das Reliefbild der Heimgegangenen befindet, trägt eine Marmorurne. Diese Urne zeigt am oberen Rande, auch reliefartig, die Attribute der Landwirtschaft: Pflug, Egge, Sense, Sichel, Harke. Darunter ein Genius, mit dem Schmetterling in der Hand; im Hintergrunde zwei weibliche Figuren, von denen die eine einen Blütenzweig, vielleicht eine Lotosblume oder doch eine Blume von ähnlicher allegorischer Bedeutung, in der Hand hält, während die andere sich, durch eine Schere in ihrer Rechten, als eine der Parzen kennzeichnet. Dies Denkmal, von Enrigo Keller in Rom herrührend, gilt für ein ausgezeichnetes Kunstwerk. Die Basreliefs an der Urne sind nach antiken Vorbildern ausgeführt. 3) Ich bekenne indes, daß ich die hohe Schönheit speziell dieses antiken Reliefbildes (der Genius mit dem Schmetterlinge gleicht einem Amor, den eine Biene gestochen hat) nicht habe empfinden können. Der unten in der Anmerkung abgedruckte Brief Wilhelm von Humboldts widerlegt mich – ohne mich zu überzeugen.




3) Wilhelm von Humboldt wurde durch die befreundete Itzenplitzsche Familie aufgefordert, die Anfertigung eines Grabdenkmals, am besten durch einen italienischen Künstler, zu vermitteln. Humboldt unterzog sich gern dieser Aufgabe und schrieb an Enrigo Keller: »Auf der Urne wünscht man ein allegorisches Basrelief, wozu das bekannte Basrelief von dem Genius und dem Schmetterlinge und zwei andern allegorischen Figuren, das sich auf der Vase im Palast Chigi befindet, das beste und schicklichste wäre.«

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 2. Teil