Abschnitt 3

Der Oderbruch und seine Umgebung


Friedland


Dann wird der Präpositus ermahnt, auch seinerseits das Rechte und Billige zu tun, niemand darben zu lassen, niemandem Grund zur Klage zu geben. Jedes Klostermitglied aber, das alsdann noch zu Übertretungen schreitet und Gehorsam weigert, wird, wie oben schon wörtlich mitgeteilt, mit der Sentenz der Exkommunikation bedroht.

Ob und inwieweit dieser Erlaß des brandenburgischen Bischofs der eingerissenen »milden Praxis« ein Ziel setzte, das erfahren wir nicht. Zwar sind es noch verschiedene Urkunden, denen wir auf dem langen Wege von 1381 bis zur Aufhebung des Klosters begegnen, aber außer den Namen einzelner Äbtissinnen, Priorinnen und Propste entnehmen wir denselben nichts weiter, als daß gelegentlich ein Pfuel oder Wulffen eine Schenkung machte oder ein Ilow oder Platen dies oder das – meist Zölle und Hebungen – an das Kloster Friedland verpfändete. Dieses scheint also immer bei Kasse gewesen zu sein.

So gingen die Dinge bis zum Jahre 1540, wo die Säkularisation erfolgte. Man zog die Klostergüter ein, respektierte jedoch die Personen, das heißt beließ die Nonnen spittelfrauenhaft in ihren Zellen und wartete ihr Aussterben ab. Dies Aussterben ließ aber lange auf sich warten. Die Luft um Friedland herum war sehr gesund.

Kloster Friedland ging inzwischen, gleich innerhalb der ersten zwei Dezennien, aus einer Hand in die andere, wobei die Nonnen, wie ein altes Inventarium, immer mit überliefert wurden.

Erst 1568 regelten sich die Dinge in einer zufriedenstellenden Weise. Schon vier Jahre früher hatte Joachim von Roebel die gesamten Kirchengüter durch Kauf an sich gebracht, jetzt (1568) gelang es ihm auch, die Nonnen zu einem Aufgeben ihrer Wohnungsansprüche zu vermögen. Eine Urkunde darüber ward aufgenommen, die noch existiert. Es heißt darin, mit einem leisen Vorwurf gegen den säkularisierenden Kurfürsten:

»Und dieweil hin und wieder in der Welt, sonderlich auch im Heiligen Römischen Reich, allerhand Permutationen hinsichtlich der Klöster und geistlichen Güter vorgefallen sind ( Veränderungen, die wir diejenigen verantworten lassen, denen es gebührt und zugesteht), so haben wir gedachtem Joachim Roebel, unserm Schwager, Freund und Landsmann, dieses Kloster gegönnt und ihm Brief, Siegel und Wohnung abgetreten.«

Aus ebendieser Urkunde lernen wir auch die Namen derjenigen Damen kennen, die damals noch, wie eine Hinterlassenschaft aus der katholischen Zeit her, als Nonnen von Kloster Friedland lebten. Es waren: Ursula von Barfus, Priorin. – Anna von Krummensee, Schaffnerin. – Ursula von Pfuel. – Margarete von Stranz, Küsterin. – Ursula von Barfus II., Nonne. – Magdalene von Löwenberg. – Ursula von Hoppenrade.

Ursula von Hoppenrade war die jüngste. Sie war zweiundvierzig Jahre früher als letzte Nonne aufgenommen worden, jetzt also, bei Unterzeichnung der Urkunde, mutmaßlich eine Dame von einigen sechzig Jahren. Es drängt sich unwillkürlich die Frage auf, wie alt die älteste gewesen sein möge.

Kloster Friedland blieb lange Zeit im Besitz der Roebels, bis es um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, zusammen mit Quilitz, an den Markgrafen Karl kam, der sich wenigstens vorübergehend hier aufzuhalten pflegte. Seine bevorzugte Geliebte, eine Mamsell Siebert, der er in der Köpnicker Straße zu Berlin ein schönes Haus bauen ließ, war eine Taglöhnertochter aus Friedland.

Wie Friedland endlich an den General von Lestwitz und dadurch an die Familie Itzenplitz kam, erzähle ich im folgenden Kapitel, unter »Kunersdorf«.

Die Lage Kloster Friedlands – auf einem schmalen Landstreifen zwischen zwei Seen, dem Kloster- und dem Kietzer-See – muß von nicht gewöhnlicher Schönheit gewesen sein, als die umgebende Bruchlandschaft noch ihren alten Charakter hatte und die hohen Giebel des Klosters abwechselnd in den einen oder andern See ihren Schatten warfen. Aber ein solches Bild bietet sich dem Auge nicht länger dar, und die Ruinen anderer märkischer Klöster machen einen tieferen und poetischeren Eindruck, teils weil die Trümmer selber pittoresker, teils weil ihre Umgebungen, bei sonst mannigfach Verwandtem, ansprechender sind. Die Lage zum Beispiel des zur Schwedenzeit durch Feuer zerstörten Jungfrauenklosters zu Lindow, in der Grafschaft Ruppin, ist der Lage Kloster Friedlands nahe verwandt, aber die efeuumrankten Mauern, die storchnestgeschmückten Giebel, vielleicht auch die Hügellage zwischen den Seen, leihen jenem einen romantischen Reiz, den dieses entbehrt.

Kloster Lindow ist schöner gelegen, vielleicht auch malerischer in sich selbst, aber Kloster Friedland ist besser erhalten, und die Umfassungsmauer, das Haus des Propstes, ein Stück Kreuzgang, vor allem das Refektorium zeigen sich teilweise noch in gutem Zustand.

Das Refektorium, jetzt als Malzplatz benutzt, läßt sich in seinen Einzelheiten am besten verfolgen. Es scheint der Stil früherer Gotik. Das alte Kloster, das 1300 großenteils durch Feuer zerstört wurde, war ein romanischer Bau 2) , den nun ein gotischer Bau, mutmaßlich im Stile des uns erhalten gebliebenen Refektoriums, ersetzte. Die gewölbte Decke desselben wird von drei Säulenpfeilern getragen. Zwei dieser Pfeiler sind rund, der dritte (mittelste) vier- oder sechseckig. Die auf den Pfeilern stehenden Gewölbe sind vielgerippt, so daß immer sechzehn Rippen auf einem Pfeiler ruhen oder aus demselben palmenhaft aufwachsen. Der Abstand zwischen den Pfeilern ist verschieden, und von oben nach unten zu abgeschnitten, bemerkt man, daß der Zwischenraum von Pfeiler zu Pfeiler immer um ein bis zwei Fuß kleiner wird. Es stehe dahin, ob dies Absicht oder Zufall ist.




2) Die größte unter den Filialkirchen des Klosters war die zu Ringenwalde, eine alte, im romanischen Stile aufgeführte Feldsteinkirche, die sich bis diesen Tag trefflich erhalten hat und uns veranschaulicht, wie vor 600 Jahren von den Christentum und Kultur bringenden Zisterziensern märkische Dorfkirchen gebaut wurden. Alles zeigt noch durchaus den Charakter der »geistlichen Burg«: hoch hinaufgehende Feldsteinmauern, dann, ziemlich dicht unterm Dach, kleine rundgewölbte Fenster mit Öffnungen wie Schießscharten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 2. Teil