Abschnitt 4

Der Oderbruch und seine Umgebung


Friedland


Neben dem Kloster, und vielleicht früher in unmittelbarem Zusammenhange mit ihm, steht die ehemalige Klosterkirche, jetzt die Dorfkirche. Sie ist nicht mehr, was sie war. Der Turm ist kein eigentlicher Turm mehr, und die Kirche selbst hat unter den verschiedenen Umbauten, denen sie unterworfen wurde, ihren gotischen Charakter beinah völlig verloren. Sie besitzt aber aus alter katholischer Zeit her noch mehrere Wertstücke, von denen Kuglers Kunstgeschichte vor allem eines Taufbeckens Erwähnung tut. Wohl in einiger Überschätzung. Es finden sich, ähnlich wie die Reste vergoldeter Schnitzaltäre, solche Taufbecken zu vielen Hunderten in unserer Mark.

Was aber nicht nach Hunderten anzutreffen ist und was in der Tat eine Sehenswürdigkeit der Friedländer Kirche bildet, das sind drei reichvergoldete Abendmahlskelche, die noch, als Wert- und Erinnerungsstücke aus der vorlutherischen Zeit her, im Pfarrhause aufbewahrt werden. Alle drei sind von verwandter Form und nur der Größe nach verschieden. Auf einem breiten Fuße ruht ein tulpenförmiger Kelch, in der Mitte des kurzen Stiels aber, der diese Kelchtulpe trägt, legt sich ein sechseckiges Ornament ringförmig um den Stiel herum. Eins dieser sechseckigen Ornamente ist hohl und von durchbrochener Arbeit; innerhalb desselben klappert eine Reliquie, ein Knochensplitter oder der Zahn eines Heiligen. Derselbe Kelch, einer der kleineren, trägt auch zugleich die Namen: »Martha. Johannes. Welsickendorp«. Ein anderer, der größte und schönste, zeigt statt der Namen drei sauber einradierte Marienbilder nach Stellen aus der Offenbarung und abwechselnd mit diesen drei Radierungen drei kleine Goldskulpturen, hautreliefartig auf den Fuß des Kelches aufgelötet. Diese kleinen Goldfigürchen stellen »Maria und Johannes zu beiden Seiten des Gekreuzigten«, ferner »Sankt Georg, den Drachen tötend«, und schließlich noch ein drittes dar, dessen Entzifferung mir nicht gelungen ist.

Die Kelche beweisen zur Genüge, daß Kloster Friedland zu den reicheren Stiftungen des Landes gehörte. Es darf auch nicht wundern. zählten doch die Barfus, die Pfuels, die Krummensee und Ilows, deren Töchtern wir vorzugsweise in Kloster Friedland begegnen, zu den begütertsten und angesehensten Familien des Landes. Über den Ort, wo die Kelche herstammen, ist nichts bekannt.

Die Geschichte »Kloster Friedlands« hatte mit dem Eingehen desselben ihre Endschaft nicht erreicht. Die Roebels und der Markgraf Karl von Schwedt folgten, wie schon hervorgehoben, im Besitz; aber keiner von ihnen hat nachträglich dem alten stillen Klosterdorf einen anderweiten Charakter aufzudrücken vermocht. Es konnte auch kaum anders sein. Die Roebels lebten in Buch (bei Berlin), das ihnen schon, um der Nähe der Hauptstadt willen, lieber sein mußte, und scheinen in Friedland niemals dauernd Wohnung genommen zu haben. Der Markgraf erschien allerdings von Zeit zu Zeit; aber seine Besuche waren doch zu flüchtig und zu selten, als daß der Wunsch in ihm hätte lebendig werden können, ein Schloß an dieser Stelle aufführen zu lassen. Ein einfaches Wohnhaus genügte dem Bedürfnis. Dies Wohnhaus existiert noch und in ihm, als einziges direktes Erinnerungsstück an die Zeit des Markgrafen, ein trefflich gemaltes Bildnis desselben in halber Figur. Ich weiß nicht, ob andere Portraits von ihm vorhanden sind; wäre es das einzige, so würde es schon um deshalb einen gewissen historischen Wert beanspruchen können.

Das Bild erinnert noch an Markgraf Karl und, nicht zu vergessen, eine andre Hinterlassenschaft noch: eine Glocke, die er der Kirche seinerzeit zum Geschenk machte. Sie führt nicht den Namen eines Heiligen, sondern heißt: »Markgraf Karl«. Ob er selber durch Beispiel und Mahnung die Dörfler jemals zur Kirche gerufen, ist mindestens zweifelhaft (es waren nicht die Zeiten danach), aber die Glocke tut es jetzt statt seiner, und sooft sie am Sonntagmorgen erklingt, heißt es im Dorfe: Markgraf Karl ruft.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 2. Teil