Abschnitt 2

Der Oderbruch und seine Umgebung


Friedland


Der Zustand des Klosters war also der Reform bedürftig. Es scheint aber fast, daß er derselben sogar dringend bedürftig war, denn der letzte Satz der Urkunde, den wir zu diesem Zweck vorwegnehmen, schließt mit folgender Androhung:

»Wer aber unter euch, sei es im einzelnen oder in all und jedem, noch zwölf Tage nachdem diese Statuten, Ordinationen und Befehle zu eurer Kenntnis gelangt sind, als frecher Verletzer oder freche Verletzerin sich erblicken läßt, erfährt die Sentenz der Exkommunikation, von welcher der Betroffene, es sei denn, er stürbe (nisi in mortis articulo), nicht ohne unsere spezielle Erlaubnis absolviert werden wird.«

3. Den Hauptinhalt der Urkunde bildet aber die Aufzählung der verschiedenen Punkte, die der Reform bedürftig sind, und die Angabe des Guten und der Ordensregel Entsprechenden, das an die Stelle eingerissener Unordnung zu setzen ist. Die Urkunde sagt darüber:

»So denn, nach fleißiger Beratung und Verhandlung, setzen wir fest, ordinieren und befehlen wir, inwieweit ihr Nonnen unter fester Klausur zu verbleiben habt. Zu allen Türen, deren Eingang und Ausgang erforderlich ist, sollt ihr zwei verschiedene Schlüssel haben, der eine, von innen her, für Euch, Abbatissin, der andere, von außen her, für Euch, Herr Präpositus, so daß niemand ein oder aus gehen kann ohne Wissen und Zulassung von euch beiden. Wir ordnen dabei ferner an, daß keine der Nonnen, unter was immer für Vorwand, Erlaubnis haben soll, außerhalb des Klosters wohnende Freunde noch auch überhaupt draußen Lebende zu besuchen, so wie wir auch befehlen, daß niemand ohne spezielle Erlaubnis der Abbatissin oder des Präpositus an das Küchenfenster (ad fenestram collationi) herantreten soll. Auch soll keine der Nonnen eine besondere Wohnung (habitaculum) oder sonstige Bequemlichkeit haben, noch auch außerhalb des gemeinschaftlichen Refektoriums oder eines andern gemeinschaftlichen Eßraumes (cenaculum) zu Mittag oder zu Abend essen. 1)

Nur in gewissen Fällen wird die Abbatissin von dieser Anordnung Abstand nehmen können, aber doch immerhin nur so, daß alsdann an einem andern, eigens und speziell dazu bestimmten Orte die Mahlzeit eingenommen werden muß.

Im übrigen, in Gemäßheit der zweiten Ordensregel und nach alter löblicher Gewohnheit dieses Klosters, sollt ihr der Abbatissin folgsam und gehorsam sein. Und wenn eine unter euch, wegen Ausschreitung und Unterlassung, Mahnung oder Strafe verdient, so soll sie dem Ausspruch der Abbatissin, in Gemäßheit der Ordensregel, Gehorsam leisten, soll auch nicht von irgendeiner andern gegen die Abbatissin verteidigt werden, außer wenn es die Ordensregel gestattet.

Und ihr sollt ferner keine Mägde oder besondere weltliche Dienerinnen, weder innerhalb des Klosters noch auch außerhalb desselben, zu diesem oder jenem Geschäfte haben, außer solche, welche durch euren Präpositus zugelassen und zu eurer Bedienung speziell erlesen sind; noch auch soll euch gestattet sein, unter was immer für Vorgabe, irgendeine weltliche Jungfrau in euer Kloster auf längere oder kürzere Zeit als Mitbewohnerin aufzunehmen, es sei denn auf spezielle Erlaubnis. Und wenn ihr infolge unserer Erlaubnis eine solche unter euch aufgenommen habt, so soll sich diese Aufgenommene (suscepta) kleiden wie ihr, in ein ebensolches Kleid und eine graue Tunika darüber. Und einmal aufgenommen, soll sie das Kloster nicht wieder verlassen, unter was immer für Vorgabe, vor Ablauf einer festgesetzten Zeit, es sei denn, daß sie unsere Erlaubnis dazu erhielte. Und für den Fall, daß etwas für die Kosten solcher Mitbewohnerin beigesteuert wird, sollt ihr dies dem Präpositus geben oder irgendeinem andern, in den ihr Vertrauen setzt.

Im übrigen sollt ihr eine Lehrschwester oder Schulmeisterin sowie auch eine Gemeindeschule für Knaben und Mädchen (ad omnes moniales juniores) haben, und zwar dergestalt daß die Knaben von seiten der Lehrschwester und Schulmeisterin zu bestimmten und herkömmlichen Zeiten unterrichtet werden, wobei sie (die Knaben) in allem, was Zucht und Schulwissenschaft angeht, der Lehrschwester zu gehorchen haben.

Und keine unter euch soll über Bedürfnis Speis und Trank fordern oder nehmen, sondern soll zufrieden sein mit dem, was durch den Präpositus gegeben wird. Außerdem sollt ihr bestrebt sein, durch Tracht und Kleid (vestitu et habitu), in Schuhen, in Haarschleifen, in eng schließenden Gürteln, in Gürtelschnebben keinen anderen Schmuck zu haben als solchen, welchen die Kirche zuläßt; noch sollt ihr, weil es der Scham, der Sitte und eurem Geschlechte widerstreitet, Maskenspiel und Maskenscherze treiben, noch auch sollt ihr die Geburtstage oder andere jährlich wiederkehrende Feste besonders halten und festlich begehen.

Ebenso, wenn es sich trifft, daß ihr gemeinschaftlich ausgehet und in Prozession das Cimiterium umschreitet, so werde keine von irgendwem berührt oder nach Sitte weltlicher Frauen an Hand oder Arm geführt, vielmehr kehret alle nach dem Umgang in euer Kloster zurück, so daß kein anderer Zutritt zu euch offensteht wie der, der oben beschrieben wurde.

Im übrigen, auf daß ihr aufmerksamer den heiligen Gebräuchen (divino cultui) obliegen könnt, sollt ihr nicht versuchen, Brote oder Backwerk zu Hochzeiten oder anderen Festlichkeiten zu machen, zu kochen oder zu schicken.«




1) Diese Verordnungen waren gewiß um so nötiger, aber freilich auch um so schwieriger durchzuführen, als alle solche Klöster, die wie Kloster Friedland nur eine lokale Bedeutung hatten, wie von selber aus einem kirchlichen zugleich auch zu einem gesellschaftlichen Mittelpunkte des Kreises wurden. Die Pfuels und die Ilows, die Eyckendorps und die Höndorps, die Stranze, Barfuse und Wulffens, wie sie ihre Güter in nächster Nähe um Kloster Friedland herum hatten, so hatten sie auch ihre Töchter in demselben. Die einfache Folge davon war, daß das Kloster in gutem und oft auch wohl in nicht gutem Sinne des Worts zu einem Rendezvousplatze wurde, wohin die adeligen Insassen des Kreises ihre Neuigkeiten trugen, um sie gegen andere auszutauschen. Die Weit innerhalb und außerhalb der Klostermauern war dieselbe. Alles war versippt, verschwägert, und die Kordialität, die Familienzugehörigkeit mußte natürlich die Aufrechterhaltung der Disziplin erschweren.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 2. Teil