Abschnitt 1

Der Oderbruch und seine Umgebung


Friedland


            Der Nixen muntre Scharen,
            Sie schwimmen stracks herbei,
            Nun einmal zu erfahren,
            Was in den Mauern sei.
            Uhland

Altfriedland, vormals Kloster Friedland, bildet die zweite Hälfte des Besitzes, den Markgraf Karl von Schwedt in diesen Gegenden, das heißt am Rande des Oderbruchs, innehatte.

Friedland war in alten Zeiten ein Nonnenkloster des Zisterzienserordens. Was die Geschichte diesem Orden im allgemeinen nachahmt, das traf innerhalb der Marken, drin alles »wüst und leer« war, in verdoppeltem Maße zu. »Die Zisterzienser waren frei von jener geistigen Zerstreutheit welche damals die gewöhnliche Folge scholastischer Streitigkeiten war. Sie waren ausgezeichnete Landwirte, immer voran mit ihrer Hände Arbeit. Aber ihrer Hände Arbeit bestand nicht bloß außerhalb der Klostermauern im Ausroden des Waldes, im Fällen der Bäume, im Umgraben der Erde, sondern auch innerhalb des Klosters im Abschreiben der Bücher. Sie brachten nicht nur das Christentum, sie brachten auch die Kultur; sie bauten, sie lehrten. Dabei waren sie vor andern ausgezeichnet in der Kunst der Bekehrung.« So beschreibt sie die Geschichte des Ordens.

Wann Kloster Friedland gegründet wurde, ist nicht mehr mit Bestimmtheit festzustellen, da im Jahre 1300 das alte Kloster samt seinen Urkunden verbrannte. Doch läßt sich nachweisen, daß es bereits ziemlich lange vor 1271 bestand, also durchaus in die erste Zeit der Germanisierung dieser Landesteile zurückreicht. Der Evangelist Johannes war der Schutzheilige des Klosters; die Kloster kirche war der Heiligen Jungfrau geweiht.

Wahrscheinlich in demselben Jahre (1300), in dem das alte Kloster niederbrannte, schritt man auch bereits zu dem Aufbau eines neuen. In ebendiesem Jahre ward eine Urkunde ausgestellt, worin Markgraf Albrecht dem Kloster seinen alten Besitz bestätigte. Dieser war: das Städtchen (jetzt Dorf) Friedland; die Dörfer Ringenwalde, Biesdorf und Lüdersdorf; ferner Anteile an den Dörfern Metzdorf, Löwenberg, Beiersdorf, Börnecke, Ladeburg, Kleinbarnim und Marzahne; ferner, ganz oder teilweis, die Alebrand-Mühle bei Friedland, die Lapenowsche Mühle bei Ringenwalde und die Dornbusch-Mühle bei Bliesdorf. Besonders reich aber war Kloster Friedland an schönen Seen, deren Fischertrag für die frommen Jungfrauen ausgereicht haben würde, wenn auch das ganze Jahr aus Festtagen bestanden hätte. Das Kloster besaß nämlich: den Kloster- und Kietzer-See bei Friedland, den großen und kleinen Tornow-See bei Probsthagen (jetzt Pritzhagen), den Griepen-See, den Buckowschen See, den Weißen-See und zum Teil den großen Schermützel-See, alle vier bei Buckow gelegen. Dazu gesellte sich ein Weinberg bei Wriezen und von seiten der obengenannten Dornbusch-Mühle die Verpflichtung: den Nonnen zu Friedland täglich vor Sonnenaufgang eine warme Semmel zu liefern. Diese »warme Semmel« gönnt uns Einblick in die gemütliche Seite des Klosterlebens.

Es scheint indessen bei bloßen Gemütlichkeiten nicht lange geblieben zu sein, denn die nächste Urkunde, freilich fünfundachtzig Jahre später, ist bereits darauf aus, durch Erlasse und Befehle dem um sich greifenden Sittenverfall zu steuern. Es war die Zeit, wo die strenge Klosterregel überall einer »milden Praxis« zu weichen begann, ganz besonders in der Mark, wo die kaum bezähmte Wildheit der Bewohner unter der bayrischen und luxemburgischen Herrschaft neu hervorbrach. Auch die Klöster wurden davon berührt. Einst war das Leben innerhalb derselben stark genug gewesen, nach außen hin bildend und sittigend zu wirken, jetzt, schwach geworden, drang der allgemeine Sittenverfall von außen her in die Klostermauern ein. Das ersehen wir mit aller Bestimmtheit aus der zweiten Urkunde vom 3. Juli 1381, der Riedel die Überschrift gegeben hat: »Dietrich, Bischof von Brandenburg, ordnet die Einrichtungen des Klosters Friedland«. Sie ist die wichtigste unter allen Urkunden, die auf das Kloster Bezug nehmen, weshalb wir uns ausführlicher mit derselben beschäftigen. Es ist dreierlei, was wir aus ihr ersehn: 1. das Regiment des Klosters; 2. die Tatsache des Verfalls; 3. die Mittel und Wege, diesem Verfall zu steuern.

1. Die Urkunde beginnt, Einblicke in das »Regiment des Klosters« gönnend, wie folgt:

»Dietrich, durch die Gnade Gottes und des Heiligen Stuhles Bischof von Brandenburg, entbietet der in Christo geheiligten Abbatissin, der Priorin und dem ganzen Kloster der Heiligen Frauen in Fredelant sowie auch dem sehr ehrenwerten Präpositus derselben Gruß im Herrn und ermahnet sie, unseren Statuten, Ordinatorien und Mandaten fest und treu zu gehorsamen.«

Gleich dieser erste Satz der Urkunde belehrt uns über manches Abweichende. Wir sehen zunächst das Kloster unter dem Bischof stehen. Dies war nicht das Herkömmliche. Wir finden in der Geschichte des Zisterzienserordens folgendes: »Der heilige Stephan (Stephan Harding, ein Engländer) hatte mit den Bischöfen, in deren Diözesen die Klöster standen, einen wichtigen Vertrag geschlossen. Er versprach ihnen nämlich, daß in ihren bischöflichen Sprengeln nie ohne ihre Gutheißung ein Kloster errichtet werden sollte, und sie gaben ihm ihrerseits wiederum die Versicherung, daß sie freiwillig auf ihr Recht hinsichtlich der Beaufsichtigung verzichten wollten.« Soweit die Geschichte des Ordens. Doch ist es möglich, daß in der Mark Brandenburg von Anfang an diese Dinge sich anders gestalteten und die Klöster in eine Abhängigkeit von den Bischöfen eintraten.

Das andere, was in den zitierten Eingangsparagraphen auffällt, ist das Vorhandensein einer Priorin neben der Äbtissin, während doch die Klöster im allgemeinen nur eine Äbtissin oder Priorin hatten.

2. Die Urkunde fährt nun, die Tatsache des Verfalls konstatierend, folgendermaßen fort:

»Wir wissen und haben aus der Evidenz der Tatsachen erfahren, daß überall, wo die Herrschaft der Zucht verachtet wird, die Religion selber Schiffbruch leidet. Wir haben daher Vorsorge getroffen, damit nicht, durch Verachtung dieser Zucht, an denen, die sich Christo verlobt haben, Unpassendes wahrgenommen werde, Unpassendes, das allemalen angetan ist, dem Ruhm der Tugend und Ehrbarkeit einen Makel anzuheften oder die göttliche Majestät zu beleidigen. So denn haben wir, mit Übergehung geringerer Dinge, in nachstehendem in Betracht gezogen, wie euer Zustand würdig und angemessen zu reformieren sei.«

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 2. Teil