Abschnitt 4

Der Oderbruch und seine Umgebung


Quilitz oder Neu-Hardenberg


Neu-Hardenberg (Quilitz) seit 1814


13. Ein Bürger- oder Ratsherrnkopf; von Rembrandt. Das Prachtstück der Sammlung.

14. Die Adamiten; von Rubens. Etwa zwölf Weiber und drei oder vier Männer sind gemeinschaftlich, wie es die Sekte vorschreibt, im Bade. – Als im Jahre 1840, bei Übernahme des Schlosses, auch die Bildergalerie gerichtlich taxiert wurde, hatte der Wriezener Aktuarius dieses Bild wie folgt bezeichnet: »Nackte Weibsbilder von einem gewissen Rubens. 15 Silbergroschen.«

Unser letzter Besuch gilt der Kirche.

Sie wurde, wie schon bemerkt, in den Jahren 1816 und 1817 durch Schinkel restauriert und im Oktober 1817 eingeweiht. Schinkel ließ von dem alten Bau wohl nur die Umfassungsmauern stehen – der Turmaufsatz, das Mausoleum und das Innere der Kirche selbst sind sein Werk. Der Turm ist ein Kuriosum. Auf dem Unterbau desselben, der etwa bis an den Dachfirst reicht, hat er eine kleinere Etage aufgesetzt, dieser Etage aber nicht die Form eines Würfels, sondern eines niedrigen, von zwei Seiten her zusammengepreßten Zylinders gegeben. Das Ganze sieht nicht nur aus, sondern entspricht auch den Proportionen, wie wenn man ein ovales Serviettenband auf eine oblong geformte Teebüchse stellt. Wie Schinkel zu dieser Sonderbarkeit gekommen ist, ist schwer zu sagen. Er hielt viel vom Ausprobieren. Erwiesen ist, daß er Dinge, die gezeichnet seinen Beifall hatten, hinterher änderte, weil er fand, daß sie sich in Wirklichkeit anders ausnahmen als im Bilde. Diese häufige Wahrnehmung ließ ihn vielleicht sagen: »So vieles, was die Theorie gutheißt, macht sich hinterher schlecht; sei’s drum einmal versucht, ob nicht das, was die Theorie verwirft, sich hinterher gut mache.« So setzte er, wenn wir überhaupt richtig erklärt haben, eine elliptische Etage auf einen oblongen Unterturm. Aber freilich war es ein mißglückter Versuch. Wir zweifeln nicht, daß er ihn später selber als solchen angesehen hat.

An der entgegengesetzten Giebelwand der Kirche befindet sich ein auf dorischen Säulen ruhendes Giebelfeld: das Mausoleum. Es verhält sich zu einem frei und selbständig dastehenden Bau etwa, wie sich ein Hautrelief zu einer vollen, plastischen Figur verhält, steckt zu größerem Teil in der Kirchenwand drin und bildet eigentlich bloß eine Mausoleums front.

Das Innere der Kirche – an den Berliner Dom erinnernd und in der Tat um dieselbe Zeit aufgeführt (1817), in der Schinkel die Restaurierung des Domes leitete – ist hell, geräumig, lichtvoll, ein wenig nüchtern. Das Ganze mehr ein Betsaal als ein Kirchenschiff. Eigentümlich ist der Altar. Hinter demselben, die Kirche chorartig schließend, erhebt sich eine hohe Nischenwand, deren halbkreisförmige Fläche durch gemalte Säulen in fünf Felder geteilt wird. Aus dem Mittelfelde springt die Kanzel hervor, nach rechts und links hin von je zwei Feldern frankiert. In diesen befinden sich die Kolossalfiguren der vier Evangelisten, und zwar Johannes und Lukas zur Linken, Matthäus und Markus zur Rechten der Kanzel. Die Bilder sind von ungleichem Wert: Matthäus, Johannes, Lukas lassen viel zu wünschen übrig; der Markus aber ist im ganzen genommen vorzüglich. Sie rühren von einem gewissen Bertini her, den der Staatskanzler – bekanntlich ein Mäzen der schönen Künste – nach Italien schickte, um diese Bilder nach den Vorbildern großer Meister zu fertigen. Trotz ihrer Mängel bilden alle vier einen Bilderschmuck, wie er derart in märkischen Dorfkirchen schwerlich zum zweiten Male gefunden wird.

Der Altar der Kirche weist noch eine andere Sehenswürdigkeit auf: das Herz des Fürsten-Staatskanzlers. Auf einem Kissen ruht es, von einer Glasglocke umschlossen. Der Schrein aber, der das Ganze birgt, trägt an seiner Außenseite folgende Strophe:

Des Fürsten Herz, das liebend treu geschlagen
Für seinen König und fürs Vaterland,
Das – in den schweren, blut’gen Kampfestagen,
Wo vielen auch die letzte Hoffnung schwand –,
Durch Mut und Weisheit stark, in kühnem Wagen
Des Vaterlandes Ruhm und Rettung fand
Und, nach vollbrachtem Werk, gebaut dem heil’gen Worte
Des Herrn den Tempel hier – das ruht an diesem Orte.

Diese Strophe, die dem Andenken des Fürsten eine maßvolle und wohlverdiente Huldigung darbringt, böte eine schickliche Gelegenheit, wenigstens den Versuch einer Charakteristik zu wagen. Ich nehme aber Abstand davon. Was ich sagen könnte, ist oft gesagt; Neues, Schärferes, Zutreffenderes kann nur von denen erbracht werden, die im Vollbesitz des Materiales sind. Eine solche Charakteristik des Fürsten gehört der Zukunft an. Eines aber möge schon heute hier seinen Ausdruck finden, die Überzeugung, daß Hardenberg ein auserwählter Mann war, dem, nach dem Willen Gottes, die Aufgabe zufiel, die Rettung unseres Vaterlandes glücklich durchzuführen. Selbst seine Schwächen leisteten dieser Aufgabe Vorschub. Ein bloßer sans peur et sans reproche – etwa wie Stein oder Marwitz, zu denen wir freilich freudiger und gehobener aufblicken – hätte es mutmaßlich nicht vermocht. Der Fürst war kein sans reproche, seine Fehler liegen klar zutage, und man braucht, wie einer seiner Biographen sich ausdrückt, »kein moralischer Herschel zu sein, um diese Fehler mühlos zu entdecken«. Aber diese Mischung von Edlem und minder Edlem, von Schlauheit und Offenheit, von Nachgiebigkeit und Festigkeit, war genau das, was die Situation erheischte. Eigensinn und Prinzipienreiterei hätten uns verdorben. Sein Leben, Vorbild oder nicht, hat uns gerettet. Wie er selber in Bescheidenheit hinzusetzen würde: »durch die Gnade Gottes«.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 2. Teil