Lucie Ashton

Sie saß auf einem der zerstreuten Steine des alten Brunnens und schien mit Aufmerksamkeit den hellen und glänzenden Bach zu betrachten, der unter dem gerippten, dunkeln Gewölbe, womit Ehrfurcht oder Reue seine Quelle bedeckt hatte, zum Tageslicht hervorschoss. Einem abergläubischen Auge hätte Lucie Ashton, in ihren Plaidmantel gehüllt, mit ihrem langen Haar, das zum Teil dem Bande entwischend über den Silbernacken fiel, das Bild der gemordeten Nymphe der Quelle gewährt.

Aber Ravenswood sah nur ein ausgezeichnet schönes Weib, das - wie konnte es anders sein? - für ihn noch schöner wurde, da er wusste, dass es ihn liebe. Als er sie anblickte, fühlte er seinen Vorsatz wie Wachs an der Sonne schmelzen, und darum eilte er aus dem Dickicht hervor, das ihn verbarg. Sie grüßte ihn, ohne sich von dem Steine, worauf sie saß, zu erheben.


Die Braut von Lammermoor
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Walter Scotts Mädchen und Frauen