Wenig nur ist heute von diesem alten Sitze der Hellenen übrig, an dem Meere sich hinziehende Quaderbauten, ...

Wenig nur ist heute von diesem alten Sitze der Hellenen übrig, an dem Meere sich hinziehende Quaderbauten, in den Häusern verbaute Steine, Capitäler von Säulen, Schafte ohne Capitäler, Sarkophage, einige verstümmelte, schlecht erhaltene Statuen (zu Barths Zeit wurden drei ausgegraben), das ist es, was im heutigen Bengasi vom alten Euesperides oder Berenice noch zu finden ist. Aber selbst Reste einer Necropolis sind nur spärlich vorhanden, hie und da kleine Hypogeen, welche ursprünglich Steinbrüche gewesen zu sein scheinen, und dann erst später zu Todtenkammern weiter ausgearbeitet wurden, ist alles was in der nächsten Umgebung von Bengasi an Bauüberresten vorliegt. Höchst wahrscheinlich bestatteten hier die Bewohner ihre Todten in freien Sarkophagen, da das Terrain für in Felsen gearbeitete Gruben, wie man sie bei Cyrene, bei Ptolemais und Temheira findet, sich nicht als passend erwies. Auch begruben vielleicht die Juden, und diese machten seit Beginn dieses Jahrtausends die Hauptbevölkerung von Berenice aus, ihre Todten wohl nicht wie die übrigen Bewohner Cyrenaicas, und was daher weniges an Sarkophagen und anderen Grabmonumenten oberhalb des Bodens vorhanden gewesen sein dürfte, wurde längst als Baumaterial verschleppt.

Als die alten Griechen den Apolloquell von Cyrene entdeckt hatten, breiteten sie sich rasch über das ganze Land aus, und höchst wahrscheinlich wurde Euesperides, eine der fünf Städte, welche die Pentapolis bildeten, schon sehr frühzeitig gegründet. Wann dies nun geschehen, ist nicht genau zu ermitteln. Frühzeitig mit den umwohnenden Libyern im Kriege, theilt uns Thucydides mit, dass sie 413 v. Chr. von einer libyschen Belagerung durch eine Flotte von Peloponesiern, welche, nach Sicilien bestimmt, ans libysche Ufer waren verschlagen worden, befreit wurde. Dergleichen geschichtliche Anhaltspunkte liegen mehrere vor.


Ob nun die Stadt den Namen von den hochberühmten Gärten bekommen habe, indem die ganze Gegend wegen ihrer Fruchtbarkeit den Namen „die Gärten der Hesperiden“ vorher hatte, und dann erst später die gegründete Stadt Euesperidae, Euesperitae (??????????? und ???????????) genannt wurde, ist auch nicht festzustellen. Das Eu wurde später weggelassen, schon Scylax hat es nicht mehr, noch später wird die Singularform Esperis gefunden, und die Römer setzten ein H vor. Zur Zeit des Ptolemäus Euergetes, welcher die Tochter des Magas, Namens Berenice, geheirathet hatte, verwandelte man zu Ehren dieser Frau den Namen der Stadt in Berenice; es scheint aber, dass noch lange die Bewohner den alten Namen beibehielten. Pomponius Mela, in der Mitte des ersten Jahrhunderts, kennt nur den Namen Hesperis, ebenso Plinius, der ungefähr um dieselbe Zeit schrieb; aber hundert Jahre später hält der Alexandrinische Geograph es schon für nothwendig, wenn er von Berenice spricht, hinzuzufügen, dass dies derselbe Ort sei, der früher Hesperides geheissen habe.

Im Mittelalter will Edrisi den Namen Berenice noch vorgefunden haben, ebenso Leo Afrikanus. Im Anfang des 17. Jahrhunderts finden wir bei Olivier den corrumpirten Namen Berrich, und Marmol nennt, um dieselbe Zeit Berbick. Heutzutage ist der alte Name gänzlich aus dem Gedächtnisse der Bewohner entschwunden, Bengasi verdankt, wie schon angeführt, einem mohammedanischen Heiligen seinen Namen.

Dass aber das alte Hesperis auf dem Platze des heutigen Bengasi steht, leuchtet auf den ersten Blick hervor. Von der ganzen Gegend hat sich nichts verändert, nur dass die Seen im Osten der Stadt mehr versandet sind. Wir wissen, dass Berenice auf der in das Vorgebirge Pseudoponias auslaufenden Landzunge lag, östlich davon der Tritonis-See mit einer kleinen Insel, welche nach Strabo oft mit dem Lande zusammenhängt, und den der Aphrodite geheiligten Tempel barg. Diese ganze Beschreibung, wie Strabo sie uns giebt, passt heute noch so genau, wie man aus der vorhingegebenen Topographie von Bengasi ersehen kann, dass es um so mehr zu verwundern ist, wenn Bourville im See Haua-Bu-Chosch im S.O. vom heutigen Bengasi den Triton-See, und in einer Oertlichkeit Siana die Gärten der Hesperiden erkennen will. Wenn nun aber auch, mit Ausnahme von Bourville, ältere und neuere Gelehrte im heutigen Bengasi das alte Berenice, im östlichen Salzsee den Tritonis, und in dem kleinen, jetzt von einem Marabut und einigen Araberhäusern gekrönten Hügel, die ehemalige Venus-Insel wieder erkennen, so sind grössere Meinungsverschiedenheiten wegen der hesperidischen Gärten und des Lethe-Flusses vorhanden.

Wir können wohl die Ansicht Thriges und Malte-Bruns u.a. übergehen, nach denen der Name der Gärten der Hesperiden eine blosse symbolische Idee gewesen wäre, eben so verwerflich ist die Gosselinsche Meinung, die Oasen der Wüste als die hesperidischen Gärten anzusehen. So viel steht fest, dass die Alten mit dem Namen der Gärten der Hesperiden bestimmt beschriebene Oertlichkeiten verbanden; so finden wir, abgesehen von den uns zunächst angehenden, eine hesperische Insel an der Mündung des heutigen Ued Elkus von Marokko, und noch später sehen wir, wie die Hesperiden-Gärten auf Inseln im atlantischen Ocean verlegt werden. Was unsere Hesperiden-Gärten in Cyrenaica anbetrifft, so erfahren wir zunächst aus einer Beschreibung des Scylax, dass dieselbe auf die Umgegend von Bengasi, mithin Berenice, gar nicht passt. Ausserdem giebt er mit präcisen Worten dieselben als beim Vorgebirge Phycus, mehr beim heutigen Marsa-Sussa gelegen, an. Die Küste wird als unnahbar, wie sie es dort in der That ist, beschrieben, die Ausdehnung des Garten genau angegeben, und die Obstsorten und Bäume, welche dort wachsen sollen, aufgezählt. Nach Pacho entspricht die Gegend beim Cap Razat (so ist auf den Karten der Neuzeit Phycus genannt, obschon die Eingebornen jenen Namen nicht kennen, sondern die Spitze Ras-el-Fig, was offenbar von Phycus hergeleitet ist, nennen), vollkommen dieser Beschreibung, er kehrt daher auch ohne weiteres der Gegend bei Bengasi den Rücken, und verlegt, sich auf Scylax stützend, die Gärten dorthin.

In der That ist es heute schwer, irgend eine Stelle in unmittelbarer Nähe von Bengasi zu finden, die wir mit dem Namen der Hesperiden-Gärten bezeichnen könnten. Es sind allerdings eigenthümliche Einsenkungen in dem felsigen Boden in der Nahe der Stadt, einige sind mit Wasser gefüllt, andere enthalten Gärten, und die, wenn sie auch nicht alle die Bäume hervorbringen, welche wir bei Scylax aufgezählt finden: Erdbeer, Maulbeer, Myrten, Lorbeer, Epheu, Oliven-, Mandel- und Nuss-Baum, doch eine auffallende üppige Vegetation zeigen. Beechey will nun, trotz der genauen Orteangabe bei Scylax, diese Einsenkungen der Beschreibung desselben von den Gärten passend finden, und stützt sich dabei besonders auf die von Scylax angegebene Entfernung von den Hesperiden-Gärten nach Ptolemais. Diese Entfernung von sechshundert und zwanzig Stadien zwischen den beiden Oertlichkeiten, passt aber auch auf die zwischen Ptolemais und Phycus.

Wir dürfen daher weder mit Pacho auf Scylax gestützt, die Gärten nach Phycus legen, noch ist es nöthig mit Beechey, ebenfalls sich auf Scylax stützend, dieselben in den Felsvertiefungen der Gegend von Bengasi erblicken zu wollen. Wir können eben nur annehmen, da jetzt ein bestimmter Ort bei Bengasi, der wegen besonderer Schönheit und Ueppigkeit der Pflanzen den Namen der hesperidischen Gärten verdiene, nicht vorhanden ist, dass die ganze Gegend im Laufe der Jahrhunderte in pflanzlicher Beziehung eine Umwandlung erlitten hat. Dies sehen wir nicht nur hier, sondern überall in Nordafrika lässt sich durch das massenhafte Entholzen, durch Waldbrände, eine Verwüstung ganzer Gegenden nachweisen. Dass aber die Hesperiden-Gärten in nächster Umgebung von Berenice gewesen sein müssen, dafür ist namentlich der Ausspruch Plinius entscheidend18: „Nicht weit von der Stadt (Berenice) ist der Fluss Lethon und der heilige Hain, wo die Garten der Hesperiden liegen sollen.“ Ferner sagt Ptolemäus: die Barciten hätten östlich von den Gärten der Hesperiden gewohnt. Kurz alle andern alten Schriftsteller, welche die Sache behandeln, verlegen die Gärten in die Nähe der Stadt. Barth, kurz darüber hinweggehend, sagt nur, dass bei Bengasi nach dem gemeinsamen Zeugnisse der Alten sich die Hesperiden-Gärten befunden, aber er glaubt auch, dass die Ansicht Beecheys, der aus der Beschreibung von Scylax, jene Felseinsenkungen bei Bengasi, als die Hesperiden-Gärten ansehen will, eine irrige sei.

Beechey (den Mitgliedern seiner Expedition) gebührt aber unstreitig das Verdienst, zuerst die Spuren des Lethe wieder gefunden zu haben. Wie die Gärten der Hesperiden für verschiedene Oertlichkeiten reclamirt wurden, so beanspruchten auch noch andere Gegenden den Ruhm, diesen Strom der Vergessenheit bei sich zu haben, man fand ihn in Thessalien, und auch die Lydier nahmen ihn für ihre Heimath in Anspruch. Die gewichtigsten Autoren der Alten verlegten ihn nach Cyrenaica. Und noch heute können wir im Laufe eines Uadi (zuerst von Beechey wieder entdeckt) im Osten der Stadt den Fluss so erkennen, wie ihn die Alten beschrieben haben. Dies Uadi, aus einer weiten Höhlung hervortretend, in der am Anfange das Wasser nur flach ist, im Innern jedoch breit und tief sein soll, zieht sich von Osten nach Westen hin, wird aber auf 1 K.-M. Entfernung vom Salzsee, dem alten Tritonis, durch eine Felsbarrière abgeschlossen. In derselben Richtung weiter gehend nach dem See zu, stösst man dann gleich auf eine Quelle von Süsswasser, welche einen kleinen immer fliessenden Faden von Wasser in den See giebt. Nach der Regenzeit soll, wie die Eingebornen sagen, das Wasser weiter aufwärts der Quelle aus dem Boden kommen, was allerdings darauf schliessen lässt, dass die Quelle mit dem aus der Höhlung kommenden Wasser, trotz der Barrière, unterirdisch communicirt, und darauf hin bei den Alten die Vermuthung oder den Glauben nahe legten, von dem Verschwinden und Wiedererscheinen des Lethon.

Wir finden also auch hier den Lethe noch so, wie ihn die alten Geographen beschrieben haben, nur vielleicht, weil die ganze Gegend trockener geworden zu sein scheint, nicht so bedeutend. Strabo lässt den Lethon in den Hafen der Hesperiden fliessen, Plinius verlegt ihn in die Nachbarschaft von Berenice, Scylax erwähnt eines Flusses unter dem Namen Eoceus19 bei Berenice, Lucan verlegt ihn in die Nähe der Hesperiden-Gärten und des See's Tritonis, obgleich er diesen einen Platz an der kleinen Syrte anweist, Ptolemäus endlich giebt den Lethefluss als zwischen Berenice und Arsinoe fliessend an.

In der Topographie von Bengasi haben wir also weit mehr Anhaltspunkte für die alte Stätte von Berenice und den damit verbundenen Oertlichkeiten, als in noch etwa vorhandenen baulichen Ueberresten. Es ist dies in der That auf den ersten Blick überraschend genug, dass von einer so blühenden Stadt wie Berenice, so wenig Steine und Denkmäler übrig geblieben sind. Es erklärt sich dies aber wiederum aus der grossen Anzahl von Juden, welche unter Ptolemäus Soter nach Berenice geführt, wohl keine so festen und dauerhaften Bauten aufführten wie die Griechen. Und obgleich den Juden unter römischer Herrschaft manchmal ihre Privilegien entrissen wurden, entwickelten sie sich derart, dass sie in dieser Stadt den eigentlichen Kern der Bevölkerung bildeten, Cäsar, später Antonius, protegirten sie sehr, erlaubten ihnen vollkommene Freiheit für ihren Cultus, und ihre Genossenschaft wurde von einem eigenen Archonten regiert. Bald wurden sie so stark, dass sie unter Trajan und Hadrian in ihrem Fanatismus die Griechen niedermetzelten, so dass man gezwungen war, neue Colonien nach Cyrenaica abzusenden, um das Land wieder zu bevölkern. Bei der grossen Zerstörung, die dann später über ganz Cyrenaica einbrach, gingen auch die Juden von Berenice mit zu Grunde. Ob die Bewohner der heutigen blühenden Judencolonie directe Abkömmlinge der hier im Alterthume so zahlreich vertretenen Juden sind, ist schwer zu entscheiden, aber nicht wahrscheinlich.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Tripolis nach Alexandrien - 1. Band