Alles war geordnet und marschfertig am 4. März, nur Mohammed Aduli, der als Führer und Sicherheitsmann uns begleiten sollte, ...

Alles war geordnet und marschfertig am 4. März, nur Mohammed Aduli, der als Führer und Sicherheitsmann uns begleiten sollte, machte Einwendungen so rasch aufzubrechen, zuerst schlechtes Wetter vorschützend, dann, indem er noch allerlei an der Ausrüstung auszusetzen hatte, namentlich aber darauf bestand, es müssten Maulkörbe für die Kameele gekauft werden, wegen der Drias-Pflanze. Als aber auch diese rasch herbeigeschafft waren, überdies alle meinten, dass wir in dieser Jahreszeit von der Drias für unsere Kameele nichts würden zu fürchten haben, konnte er keine Gründe zum Verzögern mehr vorbringen, und es stellte sich nun heraus, dass er hauptsächlich deshalb noch gerne einige Tage in Bengasi geblieben wäre, weil er selbst seine Einkäufe noch nicht beendigt hatte.

Um 1 Uhr Nachmittags war alles gepackt, und meine Leute trieben die Kameele vor sich her, zu denen noch mehrere schwerbeladene des Aduli gestossen waren, welche auf diese Weise auch frei von Abgaben die Stadt verlassen konnten. Ich selbst ritt mit dem englischen und französischen Consul, welche mich bis Tokra begleiten wollten, hinterdrein, und uns die ersten 3 Stunden nordöstl. haltend, zwischen den Seen und Palmgärten, waren wir bald in der grossen Ebene, welche zwischen Hochland und dem Meere liegt, und die hier äusserst fruchtbar und breit ist. Sobald wir die Seen vorbei hatten, hielten wir 80° Richtung, und stiessen nun häufig auf jene Felseinsenkungen, welche von einigen auch als hesperidische Gärten beschrieben und gehalten worden sind. Es war in der That ein eigenthümlicher Anblick, in einer vollkommenen freilich gut bewachsenen Ebene mit einem Male vor einem solchen mit steilen Rändern eingefassten Kessel zu stehen, dessen Grund die üppigsten Bäume und Küchengewächse enthielt, und die meist so tief waren, dass die Kronen der Bäume nicht über dem Rande hervorstanden. Dann ging unsere Richtung wieder N.-O., die Gegend wurde, je weiter wir zogen, desto üppiger, und gegen Abend waren wir schon so in Buschwerk, meist Lentisken, Myrthen und eine weissdornähnliche Staude, dass man jede Fernsicht verlor. Um 7 Uhr Abends hielten wir vor einem Fereg der Braghta, welches Schützlinge und Freunde vom französischen Konsulate zu sein schienen, denn wir wurden ganz ausgezeichnet aufgenommen.


Der Regen war immer in Strömen vom Himmel gekommen, und es kam uns daher recht gut zu Statten, dass man uns in ein grosses durchwärmtes Zelt führte, wo man weiche Teppiche ausgebreitet hatte, und auch unsere Diener alle, wir mochten in allem dreissig Personen sein, ein gutes Unterkommen fanden. Dass Schaffleisch, Basina, Kuskussu und grosse Milchschüsseln nicht fehlten, braucht wohl kaum gesagt zu werden; aber ebenso waren die Teppiche und das Zelt voll jener hüpfenden und kriechenden Thierchen, so dass an Schlaf nicht viel zu denken war. Der Fereg, wo wir lagerten, hiess Thuil, nach einem Castell, Kasr Thuil, in der Nähe so genannt. Beechey und Barth erkennen in diesem Kasr Thuil das von Edrisi beschriebene Fort Kafes wieder.

Am anderen Morgen hatten wir gleich schlechtes Wetter, und die Gegend behielt so ziemlich denselben Charakter, nur dass die Vegetation üppiger, der Boden, je weiter wir nach Nordosten vordrangen, fetter wurde. Die Berge näherten sich uns so, dass die Ebene zwischen ihnen und der See immer schmäler wurde. Wir behielten die See fast immer in Sicht. Der Boden selbst besteht überall aus rothem Thon, weshalb die Araber auch Barca el hamra sagen. Viel Felsblöcke und Steingeröll liegt manchmal auf diesem fruchtbaren Boden, obgleich die Pflanzen üppig dazwischen emporschiessen. Das Gebirge, dessen steile Abhänge gut bewachsen sind, hat überall eine gleichförmige Höhe, und besteht nicht aus Bergen, sondern bildet ein Ufer. Die Araber nennen den ganzen Zug Erköb, d.h. der Aufgang. Die Ruinen von Thürmen, Castellen und einzelnen Wohnungen wurden immer häufiger. So passirten wir gleich nach der ersten Stunde eine Ruine Gasr Haddib, die etwas östlich vom Wege liegen blieb, und nach zwei anderen Stunden passirten wir ein weitläufiges Ruinenfeld, von den Eingeborenen Um es Schip genannt. Die Ausdehnung der Bauten, die vielen Häuserruinen lassen schon gleich den Gedanken aufkommen, dass hier eine Stadt gewesen sein müsse, und mit den Distanzen übereinstimmend (die Peutingersche Tafel hat bis Adrianopel von Berenice 28, und von Adrianopel bis Tauchira 25 M.), müssen wir hier die vom Kaiser Hadrian erbaute und nach ihm benannte Stadt Adrianopolis legen. In Folge der Judenkriege gegründet, um die heruntergekommene Cyrenaica wieder zu bevölkern, scheint der Ort zu Edrisi's Zeit Soluk geheissen zu haben, welchen Namen Barth in Tanseruch oder Tansluluk wiedererkennen will. Ich konnte diese Namen nicht erfragen, und Beechey, welcher auch hieher Adrianopolis legt, führt nur an, dass die in der Nähe befindlichen Seen Zeiana oder Aziana heissen, und will damit den Namen der Stadt in Verbindung bringen. Hammilton nennt ebenfalls den See Ez zajana, und schliesst auf Adrianopolis. Auch Pacho verlegt die Stadt Adrianopolis hieher. Ausgezeichnete Gebäude sind keine mehr vorhanden, wenn man nicht eines Castells, aus schönen Quadern erbaut, erwähnen will, und das jedenfalls zum Schutze der Stadt mitangelegt worden war.

Nach zwei anderen Stunden erreichten wir die Landschaft Bir Shus, wo unter alten Ruinen bedeutende Araberansiedelungen und Gärten, die ersten Nicht-Nomaden seit Bengasi sich befinden. Etwas südwestlich von hier sind Ruinen, die Beechey Mabli oder Nabli nennen hörte und glaubt dieselben auf Neapolis zurückführen zu müssen, Barth hörte sie Mebrig nennen.

Eine halbe Stunde später waren wir am ersten jetzt freilich trockenen Flussbett, uadi Bu Djarar, welches von der östlichen Bergwand herunterkömmt, und hatten nunmehr die zahlreichen Fereg der uled Auergehr erreicht. Erst als es schon ganz dunkel war, um 7½ Uhr Abends, waren wir zwischen den Ruinen von Teucheira. Aber welche Noth, um ein Unterkommen zu finden, rechts und links Gräber, Steinbrüche, überall Ruinen, dazu stockfinstere Nacht, mussten wir froh sein, an einer steilen Wand etwas Schutz zu finden, wo wir unsere Zelte aufschlagen konnten. Und bei immer vom Himmel giessenden Regen ging das natürlich nur sehr mangelhaft, und mehrere Male mussten wir alle Nachts wieder auf, um die umgesunkenen Zelte frisch aufzuschlagen. Da mein Zelt nur für eine Person eingerichtet war, so liess ich darin den Photograph und meinen deutschen Diener campiren und Mr. Chapman, Mr. Robert und ich legten uns in das etwas grössere der Diener. Aber welch angenehme Nacht verbrachten sie, welche auf eine Vergnügungstour bis Tokra gehofft hatten. Zum Glück hatten wir kalte Küche, Wein und Schnaps, mit denen die freundlichen Mönche in Bengasi mich beim Abschiede beschenkt hatten; Feuer anmachen war aber ganz unmöglich. Aber mit der Nacht hatte das Wetter ausgetobt; als am anderen Morgen uns die Sonne Licht brachte, fanden wir, dass wir in einem grossen Steinbruche seien, dessen steile Wände überall Gräber und Höhlen enthielten; zu demselben führte nur Ein Eingang, die Stadt selbst aber hatten wir im Dunkeln schon passirt.

Tokra, wie die heutigen Bewohner es nennen, was offenbar von Tauchira herkommt, ist heute fast ganz unbewohnt. Der Name Taucheira wurde von den Schriftstellern, die später als Ptolemaeus und Scylax darüber berichteten in Teucheira umgewandelt. Unter Ptolemaeus Philadelphus erhielt die Stadt den Namen Arsinoë, und unter Marcus Antonius endlich wurde sie Cleopatris genannt. Gegründet zur Zeit des Königs Arkesilaos von Cyrene, und im Anfange abhängig von dieser Stadt, wurde Teucheira bald darauf Barke unterthan. Wir wissen jedoch wenig von der Geschichte dieser Stadt; Herodot sagt, sie habe gleiche Gesetze mit der Stadt Cyrene gehabt; man rechnete sie zu den fünf Hauptstädten des Landes Pentapolitanien, und von den Römern wurde sie zur Colonie erhoben. Procop theilt uns mit, dass sie von Justinian ebenfalls aufs Neue mit Mauern umgeben wurde, und Edrisi beschreibt sie uns als eine mit Berbern bevölkerte Stadt. Jetzt ist die Stadt gänzlich verödet, Araber, vom Stamme der Braghta haben jedoch ihre Ackergründe in der Stadt und Umgegend, und halten sich bis zur Ernte hier auf, später ziehen sie dann mit ihren Heerden auf die Hochebene. Auch eine Sauya der Snussi befindet sich hier, in allerneuester Zeit angelegt.

Was an Bauwerken von der Stadt noch über ist, ist unbedeutend. Am besten erhalten ist die Mauer, aus grossen Quadern an der Basis errichtet; oben aber aus den verschiedensten Steinen erbaut. Und diese spätere Wiederaufrichtung rührt offenbar von Justinian her, da man alles Mögliche dazu benutzte, was an Baumaterial zur Hand war, und so auch viele, mit jedoch unbedeutenden Inschriften versehene Steine eingemauert hat. Fast wie ein Viereck auf das Meeresufer erbaut, sind die Mauern der drei Seiten fast gleich lang, aber keineswegs gerade, sondern winklich und mit 26 viereckigen Thürmen versehen. Oft 15–18' hoch und 6' breit, ist die Mauer oft nur 3' hoch, ja an manchen Stellen bezeichnet nur hoher Schutt und umherliegende Steine die frühere Richtung. Beechey, der die Mauerlänge (20) genau gemessen, giebt dieselbe zu 8600' an. Zwei Hauptthore, an der westlichen und östlichen Seite, von Thürmen flankirt, und durch eine schnurgerade Strasse verbunden, führen in die Stadt. Nach der Seeseite hin scheint keine Mauer gewesen zu sein, auch ist nichts von einem Hafen zu bemerken, wenn nicht vielleicht ein grosser Steinbruch in der nordwestlichen Ecke der Stadt, der bis aufs Niveau des Meeres ausgegraben war, Schiffen einen Schutz gegen Stürme bot. Dass dieser Steinbruch heute versandet, also höher als das Meer ist, muss uns nicht wundern, trotzdem auch hier das Gesetz der Senkung der Küste sich beobachtet. Der Hafen von Leptis magna ist heute auch ganz versandet, communicirte aber sonst gewiss mit dem Meere, und bei Leptis sinkt das Ufer auch.

Im Innern der Stadt lassen sich die meisten geraden, jedoch nicht breiten Strassen deutlich erkennen, an Gebäuden treten nur zwei noch in die Augen, von denen das eine, ziemlich in der Mitte gelegen, zahlreiche Quadern hat, welche mit einem Lorbeerkranze umgebene Inschriften haben. Alles ist indess so durcheinander geworfen und verschüttet, dass ich kaum zu sagen wage, wozu dies Gebäude bestimmt gewesen sei. Ein anderes, ebenfalls viereckiges Gebäude, weiter nach Westen zu gelegen, scheint eine Kirche gewesen zu sein; viele Friese, mit Weinreben und Trauben geschmückt, liessen Pacho es für einen dem Bachus geheiligten Tempel halten. Spuren von Theater, Bädern, Stadien lassen sich nicht erkennen, es ist aber mehr als wahrscheinlich, dass eine Stadt wie Teucheira nichts der Art entbehrte, sondern, dass Alles nur unter dem oft sehr hohen Schutte verborgen ist.

Die Necropolis ist bedeutend, und lässt sich daraus schon schliessen, wie bevölkert einst Teucheira gewesen sein muss. Indess finden wir hier nichts Besonderes; man hat vielmehr die Steinbrüche zu Todtenkammern benutzt, derart, dass wenn ein solcher Steinbruch ausgebeutet erachtet wurde, man in die steilen Wände Todtenkammern anlegte. Das aus den Todtenkammern herausgeholte Material wurde natürlich auch noch zum Bauen benutzt. Alle Wände sind mit Inschriften wie bedeckt, welche aber gar kein geschichtliches Interesse haben, sondern nur Grablegenden sind, und alle in griechischer, aus ptolemäischer Zeit stammender Sprache abgefasst sind. Im Osten der Stadt sind zwischen den Steinbrüchen auch andere Gräber, und in diesem Gebiete hat der Engländer Denys lohnende Nachgrabungen gemacht. Die anderen Gräber, welche theils eingerichtet sind, um Leichname aufzunehmen, theils Aschenurnen enthielten, sind natürlich alle leer.

Der Regen hörte nicht auf wolkenbruchartig zu fallen; trotzdem gingen am folgenden Mittag der französische und englische Consul mit ihren Leuten zurück und wir blieben allein. Die Braghta waren übrigens recht gefällig und gutmüthig, sie brachten uns, natürlich zum Verkauf, Schafe, Ziegen, Butter und Milch in so grosser Menge, dass letztere selbst von unseren einheimischen Dienern nicht bewältigt werden konnte. Die Braghta bewohnen, wenn sie unten sind, die Gräber, sind aber so voll Ungeziefer, dass es unmöglich ist, in ein Grab einzudringen. Der unglückliche Berliner Photograph, der diesen Umstand nicht kannte, und in eins der Gräber gegangen war, kam schwarz bedeckt und schreiend herausgestürzt, und lief wie wüthend zwischen hohe Gras- und Buschfelder, um die kleinen schwarzen Peiniger abzustreifen, obschon er damit nur den kleinsten Theil los wurde.—Immer hoffend, dass das Wetter besser werden würde, um einige Photographien zu machen, blieben wir, es gelang auch, in einigen trocknen Momenten einige Ansichten aufzunehmen, später erwiesen sie sich aber als nicht gelungen.

Aduli's Stute hatte Nachts geworfen, und ich hatte mich schon darauf gefasst gemacht, eine neue Scene mit ihm zu haben, da ich dachte, dies würde ein guter Vorwand für ihn sein, um noch einen Tag länger zu bleiben, als ich sah, dass er ganz gelassen das junge Füllen aufs Kameel band; und als 9½ Uhr das Wetter etwas lichter wurde, verliessen wir unseren Steinbruch. Die Berge, schön bewaldet und immer mannichfaltiger in ihren Formen, blieben ungefähr in gleicher Entfernung, d.h. circa 1 Stunde vom Meere, allmählich sich so demselben nähernd, dass sie dicht hinter Tolmetta direct ans Wasser stossen. Die Gegend ist entzückend, reich an Vegetation, und voll von niedrigen Wildthieren, auch der Mensch fehlt nicht, wie die oft aus dem dicken Buschwerk auftauchenden Fereg der Araber beweisen.

Immer Nordost haltend, liessen wir nach der ersten Stunde den kleinen Ndjila-See mit Süsswasser rechts liegen, hier hausen die uled Duerdja, und bald darauf passirten wir einen ihrer grossen Fereg, Um el Hadjel oder Rebhuhnheim genannt. Um 12 Uhr erreichten wir den antiken Brunnen Erdana, und waren bald darauf im Landstrich, Schübka genannt, von dem Vorhergehenden in Nichts unterschieden, nur zahlreicher mit Ruinen von Thürmen und einzelnen Gebäuden bedeckt. Um 1½ Uhr passirten wir den kleinen Ued Asra, und eine halbe Stunde später ein anderes Uadi, das mir meine Begleiter jedoch nicht zu nennen wussten, uns aber auf die neuen Arabergräber Sidi Chaluf führte, wo wir um 2½ Uhr in einem Steinbruche, wo auch einige Grabnischen waren, unsere Zelte aufschlugen. Auch hier waren die Araber vom Stamme der Auergehr sehr freundlich, und wir konnten für Geld alles von ihnen bekommen. Leider hatten die Engländer die Preise überall so verdorben, dass man Schafe oder Ziegen nicht billiger als bei uns haben konnte. Nachts hatten wir blinden Lärm, einer meiner Leute, welcher Wache hielt, hatte eine Hyäne zu sehen geglaubt, und gefeuert; es stellte sich aber heraus, dass es das Füllen von Adulis Stute gewesen war; glücklicherweise hatte er vorbeigeschossen. Dies hatte aber zur Folge, dass die uns zunächst campirenden Auergehr herbeikamen, indem sie glaubten, wir seien von Räubern angegriffen worden. Die Auergehr sind sehr zahlreich, stehen aber in einem abhängigen Verhältniss zu den uled Agail, welche bei Tolmetta herum hausen. Diese Art Abhängigkeit, die man bei allen Arabern, ob sie in Marokko oder in Arabien selbst sind, findet, ist mehr ein freiwilliges Verhältniss, basirt auf geistige Oberherrschaft und Ueberlegenheit. So auch hier, die uled Agail sind Marabutin, die Auergehr einfache Araber. Auch bei den Berbern finden wir derartige Verhältnisse.

Die Gegend wurde von nun an noch üppiger, fetter rother Thon erlaubte die herrlichsten Culturen, aber je mehr wir uns Tolmetta näherten, desto enger wurde die Ebene, desto höher aber auch die Berge. Zahlreiche Rinnsale, welche aus den Schluchten des Gebirges kommen, erhöhen den Reiz der Landschaft, so dass man kaum merkt, wie die Zeit vergeht. Ruinen aller Art sind am Wege, Castelle, Spuren von einzelnen Häusern und kleineren Oertern. Dabei sieht man längs den Bergen die Fereg der Auergehr, die Derssa und der Orrfa, und in der Nähe von Tolmetta, die der Agail. Die Vegetation besteht wie immer meist aus Lentisken, doch kommen hie und da auch Johannisbrod- und Lorbeerbäume vor.

Nachdem wir den Brunnen Bu Shiaf, ein Uadi gleichen Namens, dann die Ebene Bu Traba, durch ein Rinnsal von der Ebene Chat getrennt passirt hatten, waren wir vor Tolmetta, nachdem wir vorher noch den ued Bu Mscheif übergangen hatten, welcher sogar etwas Wasser hielt. Ptolemais lag endlich vor uns, eingeschlossen, wie es ist, im S.-W. vom uadi Chambs, im N.-O. vom uadi Shoana, im N.-W. vom Meere, und im S.-O. vom Maigel-Gebirge. Schon lange vorher hatte die bedeutende Stadt sich angekündigt, durch die grossen Steinbrüche, aus denen noch die tiefen Räderspuren der mit Quadern schwerbeladenen Wagen nach der Stadt führen, und deren Wände wie in den Steinbrüchen von Tokra zu Grabnischen verarbeitet, und mit Inschriften bedeckt sind.

Bald darauf zogen wir durch das hohe Westthor von Ptolemais ein, und wollten bei den Ruinen einer christlichen Kirche unsere Zelte aufschlagen, als mehrere Beduinen auf uns losstürzten und sagten, dies sei ihr Terrain, und sie würden nicht leiden, dass wir dort campirten. Da ihr Grund ein triftiger war, nämlich zwischen den Ruinen und in der Nähe überall halbreife Saatfelder standen: so zogen wir weiter nach der See zu, und nahmen für den ersten Tag Quartier in einem Steinbruche, in dem sich früher das Amphitheater befunden hatte. Die Spuren davon liessen sich noch sehr deutlich erkennen, obschon es keineswegs gross gewesen sein kann. Fast ganz in den Fels selbst hineingehauen, waren nur an wenigen Stellen Mauerwerke angebracht, und diese meistens abgefallen. Aber auch von hier wurden wir vertrieben, und zwar aus demselben Grunde, weil überall Kornfelder in der Nähe waren, von denen die Eigenthümer fürchteten, sie möchten von unserem Vieh beschädigt werden. Gern hätte nun der Aduli ganz die Stadt verlassen, um an den Bergen zu lagern, wo allerdings ausgezeichnetes Gras für die Thiere gewesen wäre; ich wollte aber auf alle Fälle in der Stadt selbst bleiben, und zog deshalb nach dem Hafen hinab, wo dicht am Strande und bei den Ruinen eines alten Forts unser Lager eingerichtet wurde.

Ptolemais, das namenlose, erhielt seinen Namen wahrscheinlich vom Philadelphus, nach Anderen von Euergetes. Bis zu der Zeit aber hatte es nur den Titel: Hafen von Barce, wie denn auch Scylax des Ortes nur erwähnt als „Hafen bei Barce“. Als diese Stadt in Verfall, und in die Hände der Libyer kam, zogen sich die Bewohner nach Ptolemais, und bald erwuchs dann dieser Ort zu einem der blühendsten in Cyrenaica empor. Mit einem für die damaligen Bedürfnisse ausgezeichneten Hafen versehen, welcher durch die Insel Ilos, dieselbe, welche Ptolemaeus Myrmen nennt, noch besonderen Schutz erhielt, sank Ptolemais erst mit dem allgemeinen Verfall des römischen Reiches, und Hauptursache ihres Unterganges war Wassermangel, da die Gelder zur Unterhaltung der Cisternen und Wasserleitungen fehlten. Wie überall, suchte auch Justinian hier noch ein Mal aufzuhelfen, indem er die Wasserleitungen wieder herstellen liess; Ptolemais erlag dem Andrange der Barbaren so gut, wie die anderen Städte. Indess scheint selbst nach der Invasion der Mohammedaner die Stadt nicht ganz ihre Bedeutung verloren zu haben; nach Edrisi war Tolmetta noch ein sehr fester, mit Steinmauern umgebener Platz, wohl geschützt, und stark von Schiffen besucht. Edrisi berichtet über die Export- und Import-Artikel, und sagt, der Hauptverkehr fände mit Alexandria statt. Auch zu Abu el Fedas Zeit war Tolmetta noch stark bevölkert und besonders von Juden.

Zu unserer Zeit ist Ptolemais oder Tolmetta, wie die heutigen Herren des Bodens, die uled Agail sagen, ganz unbewohnt; nur zur Zeit des Korns haben diese Marabutin ihre Zelte theils zwischen den Ruinen, theils in den Steinbrüchen, und an den Abhängen der Berge. Obgleich ganz frei, und gewiss sehr kriegerisch, scheinen sie doch sehr gutmüthig zu sein, sie halfen uns beim Photographiren, brachten uns Lebensmittel, und obschon sie zahlreich den ganzen Tag um unsere Zelte herumhockten, betrugen sie sich doch anständig. Unwissend schienen sie übrigens im höchsten Grade zu sein; ausser Arabern kannten sie nur Türken, Franzosen und Engländer, und letztere beiden seien dem Sultan tributpflichtig. Die christlichen Consuln in den Städten seien auch Beamte des Sultans, und blos dazu da, um zu überwachen, dass die Pascha und Bei nicht zu viel Geld unterschlügen. Im Uebrigen schienen sie ohne Fanatismus zu sein, selbst eine Sauya der Snussi hatte sich in Tolmetta noch nicht ein Mal etabliren können, hauptsächlich wohl, weil die Agail, als Marabutin, sich für besser hielten, als Snussi, der blosser Schriftgelehrter gewesen war. Keiner erschien indess, der nicht immer mit Flinte und Säbel bewaffnet gewesen wäre, ihre Frauen waren, wie immer auf dem Lande, unverschleiert und hatten vollkommene Freiheit mit uns zu handeln.

Unser zweites Lager war ausgezeichnet hübsch placirt; gerade der Insel Ilos gegenüber, auf der noch jetzt Spuren von Mauerwerk zu erkennen sind, hatten wir hinter uns die ganze Stadt, wie sie sich vom Meere aus allmählich an die Bergabhänge hinaufzog.

Die bedeutendsten Ruinen vom alten Ptolemais, soweit sie offen zu Tage liegen, sind, ausser dem schon erwähnten Amphitheater, eine Kirche aus dem zweiten oder dritten Jahrhundert, vom Westthore aus kommend nach links zu gelegen. Verfolgt man dann die Strasse, die noch heute quer durch die Stadt führt, so stösst man, ungefähr in der Mitte der Stadt, auf eine grosse Cisterne, noch vollkommen gut erhalten. Dieselbe hat 9 Gewölbe, welche von oben Licht und Luft bekommen. Umgeben war diese Cisterne von einer Reihe ionischer Säulen, die auf einem 4' hohen Unterbau ruhten, nur drei von diesen Säulen sind noch erhalten. Dicht dabei südlich, sieht man die Umrisse eines kleinen Theaters. Etwas weiter nach Osten zu, sieht man viele Säulen mit korinthischen Capitälern auf dem Boden liegen, und Barth vermuthet, dass hier die Königshalle, ???? ?????????, gewesen sei, welche Synesius als Gerichtshalle erwähnt. Ein aus der Cisterne nach Norden führender Aquaeduct leitet zu einem grossen Bade, von dem zwei Gewölbe noch vollkommen gut erhalten sind. Ein anderes kleineres Theater liegt auf dem Wege zwischen Cisterne und Bad; ist aber ebenso verfallen wie die übrigen, so dass blos aus den halbmondförmigen Umrissen die einstige Bestimmung zu erkennen ist. Am bemerkenswerthesten ist weiter nach Osten zu ein grosses massives Gebäude, was jedenfalls wohl zur Zeit der Römerherrschaft als Caserne diente. Die Inschriften, welche sich früher an der Nordwand dieses Gebäudes befanden, und die nach Frankreich gebracht, von Latonne ergänzt worden sind, enthielten Vorschriften von Anastasius I., die Verwaltung und militairische Einrichtung betreffend. Wie gut einst die Stadt mit Wasser versehen war, beweisen die anderen Cisternen, welche noch in Ptolemais zu finden sind. Eine davon, sehr bedeutend und zu unserer Zeit noch mit Wasser gefüllt, befindet sich im nordwestlichen Stadttheil. Ueberhaupt bestätigen die zahlreichen Säulen, die man überall herumliegen sieht, sowie die vielen Grundmauern aus Quadersteinen, dass das Urtheil der Alten, welche die Stadt als gross und ausgezeichnet schildern, keineswegs übertrieben ist. Der Hafen wird durch eine Felsspitze gebildet, die vom westlichen Ende der Stadt ins Meer geht, die Insel Ilos giebt Schutz nach Norden. Vielleicht war auch an der Westseite der Spitze ein Ankerplatz, denn circa 3000' westlich von dieser läuft noch eine andere Felsspitze ins Meer, und zwischen beiden scheint ein Quai gewesen zu sein, freilich ausserhalb der Stadt.

Nach Osten zu, durch den Suana-Fluss begrenzt, von dem die Stadt ausserdem durch eine Mauer getrennt war, finden wir hier noch die Reste einer Quaderbrücke. Zwar ist dieselbe für Fussgänger noch zu passiren; aber doch so zerfallen, dass Fuhrwerke sie nicht mehr benutzen können. Aber das Suana-Thal ist eines der lieblichsten, weshalb ich denn auch eine Photographie davon aufnahm. Neugierige Araber standen staunend um die Maschine, von der sie alle Augenblicke erwarteten, dass irgend eine Explosion daraus hervorgehen müsse, aber auch diese, obschon sie sehr misstrauisch schienen, störten keineswegs unsere Arbeiten. Es scheint, dass sowohl die Regenwasser des ued Suana, als die des uadi Chambs hauptsächlich dazu dienten, die Cisternen zu speisen, ausserdem finden sich Reservoirs am Abhange des Maigel-Berges, welche zu gleichem Zwecke die Wasser auffangen mussten, um sie den grossen Cisternen in der Stadt zuzuführen.

Das Gebirge tritt hier nun dicht an die Stadt, und hat, obschon von Schluchten durchbrochen, fast überall gleiche Höhe; um dieselbe zu messen, bestieg ich den südwestlich vom Maigel-Berg belegenen Chambs-Berg, welcher mir der höchste von allen schien. Dicht mit Juniperen und Lentisken bewachsen, fast undurchdringlich wegen des vielen dornigen Untergestrüpps, war der Aufgang sehr beschwerlich. Das Gestein des Berges besteht durchweg, wie in ganz Cyrenaica aus Kalk, während am Meeresstrande die Hügel, welche zum Theil auch als Grabkammern oder Steinbrüche benutzt sind, grobkörniger Sandstein ist. Aus diesem Grunde findet man in Teucheira und Ptolemais auch so viele Bauten aus Sandstein. Die Höhe des Berges fand ich zu 320 Meter, alle anderen nächsten waren etwas niedriger.

Die Gräber von Ptolemais erstrecken sich westlich und östlich von der Stadt, und hat man auch hier hauptsächlich die steilen Wände der Steinbrüche benutzt, um in diesen Grabkammern und Grabnischen anzubringen. Wie in Teucheira, sind sie ohne Kunst gearbeitet; man findet aber auch hier zahlreiche jedoch nichtssagende Inschriften. In einem Steinbruche, gleich westlich von der Stadt, findet man indess drei durch Kunst ausgezeichnet gearbeitete Gräber; man hat nämlich in der Mitte drei Felsblöcke stehen gelassen und diese zu Einem grossen Grabe mit verschiedenen Kammern verarbeitet. In Teucheira findet man auch solch einen Grab-Felsblock, und lebhaft erinnerten mich diese isolirten verarbeiteten Steinblöcke an die eigenthümlichen Kirchen von Lalibala in Abessinien, welche einer ähnlichen Arbeit ihren Ursprung verdanken. Der mittelste dieser Felsblöcke nun ist ausserdem von einem monumentalen Bau in römisch dorischem Stile erbaut, und viereckig von Gestalt, hat derselbe im Innern drei Abtheilungen, von denen die seitlichen bis obenhin zu Grabkammern dienten, während die mittlere zugleich als Eingang benutzt wurde; im Sous-Terrain aber auch Leichen aufnehmen konnte. Eine kleine Inschrift, die Barth an der Nordseite gesehen haben will, konnte ich nicht mehr entdecken. Das ganze Grab ist überhaupt in sehr zerfallenem Zustande, und rundherum mit mächtigen herabgestürzten und herabgefallenen Quadern umgeben. Einige Reisende, unter anderen della Cella, haben dies Grabmal einem Ptolemäer zuschreiben wollen, ohne indess Gründe für diese Behauptung bringen zu können.

Das immer schlechter werdende Wetter hatte uns wieder vom Hafen vertrieben, da kein Zelt dem Sturmregen Widerstand zu leisten vermochte, und wir hatten uns in den eben beschriebenen Steinbruch mit den drei Gräbern geflüchtet. Einen dieser Grabblöcke fanden wir, da er wahrscheinlich lange nicht als Wohnung war benutzt worden, ohne Ungeziefer, und flüchteten uns hinein. Die Eingebornen hatten ebenfalls mit ihren flachen Zelten sich in die Steinbrüche geflüchtet, so dass hier 165nun auf einmal trotz des noch immer anhaltenden Regens ein reges Leben und Treiben herrschte. Nachts indess tobte der Sturm mit solcher Wuth, dass selbst unser Felsgrab erschüttert schien; endlich aber brach ein besserer Morgen an. Wir machten nun sogleich Anstalt zum Aufbruch, aber ehe Aduli, der überall mit den Eingebornen handelte, fertig wurde, verging geraume Zeit. In der That schien Aduli nur eine Handelsreise zu machen, hier verkaufte er Schuhe, dort Cattunstoffe, hier Gewürze, dort Zucker, welches er alles zollfrei aus der Stadt herausgebracht hatte, und dafür tauschte er Honig, Butter, Felle und Korn ein, und hoffte dies auf gleiche Weise ohne Abgaben in die Stadt zurückzubringen. Dazu hatte er immer eine ganze Schaar von Leuten, welche, wie er, auf meine Kosten lebte, und da, mit Ausnahme meines deutschen Dieners und eines von Tripolis mitgebrachten Negers, Namens Bu-Bekr, alle meine anderen Diener unnütze Subjecte waren, konnte ich nichts machen.

Endlich hatte der Aduli seinen Markt geschlossen, und um 9 Uhr Morgens verliessen wir unsere Grabwohnung, und schlugen denselben Weg ein, den früher Barth genommen hatte, um aufs Hochland zu kommen. Im Anfange südöstlich haltend, um ans Schaba-Thal zu kommen, mittelst welches wir den Aufsteig machen wollten, waren wir bald darin engagirt. Das Schaba-Thal ist sehr eng, vielfach gewunden und nur circa eine Kameelstunde lang; jedoch kann es ohne grosse Schwierigkeit zu jeder Jahreszeit benutzt werden, was nach Regengüssen, wo der rothe Thon schlüpfrig und glatt wird, für Karawanen von besonderer Wichtigkeit ist. Die Bergwände, obschon steil, sind ausgezeichnet bewachsen, verwilderte Olivenbäume, Karuben und Lentisken bilden hier den hauptsächlichsten Baumwuchs. Das Thal ist jedoch so eng, dass es keine Siedelung erlaubt; selbst Hirten scheinen sich nicht darin aufzuhalten. Oben angekommen, hat man die erste Stufe erreicht, circa 300 Meter hoch. Diese Ebene ist nur circa 1½ Stunden breit, hat auch herrlichen rothen Thonboden, ist aber ebenso vernachlässigt, wie das ganze andere Land. Wir hielten durch die erste Stufe Ost-Richtung, ebenso durch die zweite, welche eine Höhe von 340 Meter hat und durchschnittlich vier Stunden breit ist. Diese Terrassen streichen hier von N.-O. nach S.-W. Die zweite wird im Osten von einem Gebirgszuge abgegrenzt, der gleichfalls von N.-O. nach S.-W. streicht, und dessen höchste Punkte im Norden im Dj. Dendach, und südwestlich von ihm dem Dj. Saffuat el Merdj sich uns präsentiren. Am Fusse des letzteren liegt ein grosser See, circa 2½ Stunde lang und 1 Stunde breit mit Süsswasser, Moaudj genannt. Kleinere Tümpel und Seen findet man auf dieser ganzen Stufe, welche keinen Abfluss zu haben scheinen. Das Erdreich ist auch hier fetter rother Thonboden, und die grössere Vegetation hauptsächlich Wachholder und Arbuten. Blumen in prächtigen Farben und unvergleichlicher Fülle bedecken in dieser Jahreszeit den Boden, und geben den unzähligen wilden Bienenschwärmen, die mit ihrem Summen die Luft erfüllen, die süsse Nahrung. Aber schlecht bevölkert, wie das ganze Land, findet man nur hie und da einen Fereg der Auama, Genossen der uled Brassa oder der Abid, Genossen der Auergehr.

Als wir um 12½ Uhr diese Stufe betraten, und in östl. Richt. durchzogen, hatten wir um 2½ Uhr eine kleine Kubba, die des Sidi Said von den Agail zur Seite, aber trotz dieses Wahrzeichens erklärte nun der Aduli, den Weg nicht zu wissen, und ritt abseits, um aus irgend einem Fareg einen Wegweiser zu holen. Er kam denn auch bald zurück, aber statt eines Mannes brachte er drei Leute, so dass unsere ohne das schon mit unnützen Leuten reiche Karawane noch drei andere dazu bekam; er versteht sich von selbst, dass ich auch diese zahlen und beköstigen musste, aber gerade dadurch machte sich der Aduli beliebt bei den Triben, indem er ihnen auf Kosten seiner Reisenden dergleichen Verdienste zukommen liess. Wie mag er den armen Denys, welcher der Sprache gar nicht mächtig war, geplündert haben! Durch einen dichten, aber nicht hohen Wachholderwald dahinziehend, einreichten wir um 4 Uhr Nachmittags Mrsihd, eine alte Ruine eines früheren römischen Wartthurms, und wie alle Bauten dieser Art ein aus Quadern aufgeführtes Viereck. Dass aber auch noch andere Ansiedelungen hier waren, geht aus den zahlreichen Grabkammern in 168der Nähe hervor, welche überall in die Felsen gearbeitet waren. Auch vorher hatten wir schon ein Ruinenfeld passirt, doch konnten meine Leute mir den Namen desselben nicht nennen. Auf den Wartthurm öffuet sich ein von N.-O. kommendes Thal, und etwas nach thalaufwärts gehend, campirten wir dann in demselben. Trotzdem wir nun schon recht hoch waren, hatten wir doch eine recht warme Nacht, da der Himmel ganz bedeckt war, und noch lange sass ich Abends an einem grossen Feuer jenes duftenden Wachholderholzes, welches die Alten schon so hoch schätzten, und das auch auf dem grossen Atlas und in Abessinien und im Gora-Gebirge vorkommt.

Früh 7 Uhr zogen wir am anderen Morgen das Mrsihd-Thal vollends hinauf, und erreichten nach 40 Minuten den Höhepunkt desselben, wo das Aneroid uns die Höhe von 1260 Fuss zeigte; somit waren wir zwar nun auf dem Plateau angekommen, aber noch keineswegs auf dem höchsten Punkte. Uebrigens muss man sich das Hochland auch keineswegs durchweg eben vorstellen; sondern als ein Gewirr von Thälern und Bergen, welche aber alle über 1200' hoch ihren niedrigsten Punkt haben. Die Vegetation, obschon dieselbe hier später ist, bleibt im Ganzen noch dieselbe, Juniperen, Oelbäume, Caruben und Lentisken, dann erstaunlich viel Rosmarin, welche den Bienen den so sehr gerühmten aromatischen Beigeschmack zum Honig liefern; aber alle diese Pflanzen finden sich auch an den Abhängen der Berge.

Wenn aber am Tage vorher das Land überreich an Sümpfen und Tümpeln war, so fehlten diese hier nun gänzlich, und merklich litt die Ueppigkeit der Vegetation darunter. Einige Thäler hatten trotzdem die kräftigsten Oelbäume, nicht etwa wilde, selbst nicht einmal verwilderte waren sie zu nennen, denn sie hingen gerade jetzt voll der besten Oliven, die Niemand zu sammeln kam. Es ist wohl kaum zu zweifeln bei dem hohen Alter, welches der Oelbaum erreichen kann, dass diese Pflanzungen noch von den Alten herrührten. Manchmal sollen indess doch von den Küstenbewohnern einige herauf kommen, um die Oliven zu sammeln; dies Jahr schien noch Niemand gekommen zu sein.

Den ganzen Tag, obgleich wir mit geringer Unterbrechung bis 5¼ Uhr Abends marschirt waren, sahen wir kein einziges Zeichen von Bevölkerung, das heisst Zelte oder Häuser, nur zwei kleine Ziegenheerden will ich ausnehmen, die unweit von uns am Wege weideten, und bei unserer Annäherung eilig ins Dickicht getrieben wurden. Auch der Anbau von Korn war so spärlich und vereinzelt, dass man die kleinen Felder hätte zählen können. Trotzdem überall der fetteste und beste Boden war, der nur auf die Hand des Menschen zu warten schien, um hundertfach das zurückzugeben, was man ihm anvertraut hätte, war alles eine Wildniss. Als neu wurde mir nun zum ersten Male die Drias-Pflanze (von allen Reisenden für Sylphium gehalten) gezeigt, von der wir unten noch weiter zu reden haben werden. Dann fiel mir die Menge der Maulwurfshaufen auf, die sonst in Tripolitanien nicht vorkommen. Die Araber nennen den Maulwurf hier mit den bezeichnenden Namen Buamian, Vater der Blinden. Wild war nur spärlich vorhanden, es scheint als ob selbst die Thiere dies nur von Todten bewohnte Land meiden.

Während wir im Mrsihd-Thal Ostrichtung verfolgt hatten, zogen wir, oben angekommen, nördlich in einer Mulde weiter, die den Namen Rharheb führt, und wo wir um 9 Uhr einen Marabut gleichen Namens (Kubba) passirten. Etwas weiter läuft dann die von S.-O. von Merdj kommende Heerstrasse ein, dieselbe, welche vor 1000 Jahren Griechen und Römer benutzten. Nachdem um 9 Uhr 20 Minuten ein anderer Pass überschritten war, kamen wir in das Biada-Thal, indem wir die tiefeingeschnittenen Wagenspuren der Alten verfolgten. Um 11¾ hatten wir, N.-N.-O. haltend, den Dj Hoaisch zur Linken, und gleich darauf die Ruinen des Gasr el Rih. Um 12 Uhr 20 Minuten kreuzten wir den von Teknis kommenden, nach der Küste führenden Karawanenweg, und den Pass von Rih überschreitend, gingen wir nordwärts durchs Schami-Thal weiter. Von 1 Uhr an wieder N.-N.-O. haltend, überstiegen wir um 2 Uhr einen Pass, der uns ins Scharaya-Thal führte, welches eine Stunde lang mittelst eines anderen Passes ins Mrair-Thal übergeht. Um 3¼ kreuzten wir einen zweiten, von Djerdjerum an der Küste nach Merauan ins Innere führenden Weg, und kamen dann ins Thal Ibrahim, von dem aus wir links den Berg Schan-o-Gasserein liegen liessen. Das uadi Ibrahim öffnet sich aufs Magade-Thal, wo wir um 5 Uhr Abends, in der Nähe von Wassertümpeln lagerten, nachdem wir den ganzen Tag fast ohne Wasser gewesen waren.

Nachts hatten wir, trotzdem es am Tage sehr kalt gewesen war, ein starkes Gewitter mit Regen, und zogen am anderen Morgen um 7 Uhr durchnässt in N.-N.-O. Richtung weiter, welches überhaupt, die vielen Biegungen abgerechnet, unsere Hauptrichtung blieb. Wir waren nun über 550 Meter hoch auf dem Beida-Berge, alle anderen Berge scheinen ziemlich gleiche Höhe zu haben, und die Thäler senken sich bis auf relativ c. 150 Meter. Als neue Pflanzen treten hier der Lauristinus auf, jetzt gerade in voller Blüthe, und in prächtigen Exemplaren bis 20' Höhe vorhanden, dann einzelne Exemplare von der Steineiche. Nachdem wir noch das Thal Sgenniet und dann den Berg Mcheilil passirt hatten, sahen wir Gasr Bengedem vor uns. Auf dem Mcheilil-Berg fanden wir die Ueberreste eines alten Sarazenenschlosses. Dieser ganze Weg nach Bengedem dauerte nur 3½ Stunde, aber auch hier begegnete uns kein Mensch, und das einzige Zeichen von Bevölkerung war die Sauya der Snussi, Bu Toda genannt, die wir vom Lj. Beida in geringer Nordrichtung c. 2 Stunden entfernt liegen sahen.

Obschon wir nur einen kleinen Marsch gemacht hatten, blieben wir doch bei Gasr Bengedem liegen, um zu photographiren, und diese ganze Gegend näher in Augenschein zu nehmen.

Das Gasr Bengedem oder Benegedem stammt offenbar aus der Römerzeit, und hörte mit zu jener Vertheidigungslinie, welche dieselben gezogen hatten, um die Colonie vor den Einfällen der Nomaden zu sichern. Bengedem war gewiss eines der bedeutendsten Forts, wenn nicht das grösste von denen, welche die Vertheidigungslinie bildeten. 80 Schritte lang und 40 Schritte breit, haben die beiden Längsseiten viereckige flankirende Thürme. An manchen Stellen erreichen die gut erhaltenen Wände noch die Höhe von 40'. Aus grossen behauenen Quadern aufgeführt, ohne Mörtel, haben die Aussenwände, soweit dieselben nicht absichtlich zerstört worden sind, nicht im Mindesten von der Witterung gelitten. Im Innern führt eine Treppe auf die Mauer, welche oben dünner, ringsum vertheidigt werden konnte. Spuren eines Aussenwalls ziehen sich rings um das Castell, und erhöhten so die ursprüngliche Festigkeit desselben. Die bedeutenden Ruinen in der Umgegend von einzelnen Häusern deuten an, dass hier eine Hauptniederlassung war, und Pacho könnte Barth gegenüber doch wohl Recht haben, indem er hier Balakrai vermuthet. Die Entfernung von Cyrene, die Pentinger auf 12 M., und die nach Ptolemais, die Ptolemaeus auf 15 M. angiebt, würde ungefähr stimmen. Eine grosse Menge von Höhlen, theils natürliche, theils künstliche, ausser vielen aus späterer Zeit herrührenden Grabkammern, beweisen, dass selbst in vorgriechischer Zeit hier libysche Völker eine Niederlassung gehabt haben müssen, denn viele der Höhlen haben ganz und gar die Einrichtung von Wohnungen.

Die Eingeborenen vom Stamme der Brassa, mit denen der Aduli gleich wieder Handelsverbindungen angeknüpft hatte, waren sehr zudringlich. Ihr Fereg hatten sie in einiger Entfernung vom Gasr, und den ganzen Tag thaten sie nichts, als um uns herumhocken und um Essen betteln. Wir hatten deshalb auch Nachts eine verstärkte Wache nöthig, um uns vor Diebereien zu hüten, wie denn überhaupt immer Nachts gewacht wurde.

Den folgenden Morgen stiegen wir in nördlicher Richtung vom Berge des Gasr Bengedem hinab, und kamen nach einer Stunde ins Thal Saharis. Von O.-N.-O. erhält dies Thal nun das bedeutende Kuf-Thal, und in dies münden von O. das uadi Djras und das uadi Bu Heisa, welches letztere von Safsaf und Ain Schehad (Cyrene) kommen soll. Das Kuf-Thal ist eines der wildesten und romantischsten, die man sich denken kann: steile, oft senkrechte, fünfhundert Fuss hohe Kalksteinwände, überall mit ungeheuren Höhlen, die oft am Fusse der Wände, oft in der Mitte, oft fast oben am Rande sich zeigen, machen einem glauben, man sei in der Teufelsschlucht. Jedenfalls waren diese Höhlungen meist alle bewohnt, und einige sind es noch jetzt zur Zeit der Honigernte; denn an diesen steilen Wänden haben die Bienen ihre Bauten. Viele Höhlen, oft hundert Fuss hoch über der Thalsohle, sind durch Aussengänge mit einander verbunden, und scheinen so ganzen Stämmen als Wohnplatz gedient zu haben. Ausserdem findet man die herrlichsten Tropfsteinhöhlen, von denen die von den Eingebornen Rhorhardieh genannte, die grösste und schönste ist. Die üppigste, immer grüne Vegetation von Lentisken, Myrthen, Caruben und Wachholder, ferner die jetzt massenweise auftretende Steineiche machen dies Thal mit seinem wilden Charakter zu einem der schönsten, wie man es nur vielleicht in den Pyrenäen, in Calabrien, im grossen Atlas ähnlich findet. Aber wie immer fehlt alles menschliche Leben; in der That haben wir, die grosse Sahara ausgenommen, kein Land gesehen, das so dünnbevölkert ist, und doch ist der Boden so reich und ergiebig wie eine jungfräuliche Erde eben sein kann. Am Boden des Thales finden wir dann noch einen fast undurchdringlichen Wald von mastbaumhohen Thuya-Bäumen, aber Niemand ist jetzt da, um sie zu fällen und zu verwerthen.

Dass dieser Weg unserer Gofla grosse Schwierigkeit machte, braucht wohl kaum gesagt zu werden. Das Kameel, obschon es wegen seiner breiten Fusssohlen auch in den Bergen sicher geht, liebt freie Gegenden, und hier waren wir in einem wirklichen Urwalde; da waren Baumstämme, die das Alter oder der Wind umgeworfen hatte, zu umgehen, vom Wasser glatt gewaschene Felsplatten zu übersteigen, und oft war das Gebüsch so niedrig und dick, dass die beladenen Kameele mit Gewalt durchgeschoben werden mussten.

Froh waren wir, als wir um 10 Uhr die Passhöhe erreichten, und von nun an auf einem Bergrücken blieben. Bald darauf hatten wir die Kubba des Marabuts Abd el Uahed vor uns, auch von alten Ruinen, jedoch ohne Bedeutung, umgeben. Von hier an waren nun Ruinen unsere steten Begleiter, und eine tief in Fels eingeschnittene alte Fahrstrasse, rechts und links von Hunderten von Sarkophagen bordirt, führte uns auf die Hauptstadt vom alten Pentapolitanien zu. Aber eigenthümlich, ohne Menschen zu sehen, ohne Wohnungen anzutreffen; sollte man nicht glauben, im Lande der Todten zu sein? Auf Schritt und Tritt Todtengrüfte, Grabnischen, hier die Tausende von Sarkophagen, die ungeheuren Necropolen, gegen die die eigentlichen Städteruinen verschwindend klein sind, lassen wirklich den Gedanken, im Reiche der Todten zu sein, aufkommen.

Gegen Mittag erreichten wir die Ruinen, welche die Eingebornen unter dem Namen uadi Amer bezeichnen, und die mehrere Stunden weit sich nach N.-O. hin ausdehnen, und bei einem Orte Beludj enden. Barth verlegt hieher Balakrai, und meint auch, dass eine der zwanzig von Ptolemaeus erwähnten Städte, vielleicht Eraga, hier zu suchen sei. Beludj erreichten wir um 2 Uhr 40 Minuten, und immer auf einem Bergrücken weiter ziehend, liessen wir dann die Sauya beida (Jaura Sidi Schenut nach Barth, was wohl Sauya Sidi Snussi heissen soll) links liegen, und kamen um 4 Uhr bei dem weissen Dome des Marabut Sidi Raffa, an, welcher ebenfalls von vielen Ruinen umgeben ist. Eine halbe Stunde später hatten wir den höchsten Punkt des Bergrückens mit 620 Meter erreicht. Etwas später hatten wir von hier eine weite Aussicht aufs Meer durch eine breite nach Norden zu sich öffnende Thalschlucht, Shissu genannt, und dann campirten wir um 5 Uhr auf gleicher Höhe mit der Schlucht bei Djenin, wo wir eine fliessende Quelle fanden. Auch hier fanden wir Spuren früherer Ansiedelungen; grosse künstliche Höhlen umgeben die Quelle nach Osten, und in und bei derselben waren Mauerarbeiten, welche wohl einst den Abfluss des Wassers zur Befruchtung der Felder regulirt hatten.

Nachts war auf dieser Höhe die Kälte so gross, dass wir am anderen Morgen die Zelte weiss bereift fanden, und die Mündungen der Wasserschläuche hart gefroren waren. Das Thermometer zeigte vor Sonnenaufgang -1°.

Von hier bis Cyrene sind nur noch 2 Stunden. Wir lassen rechts den Hügel Ras el Trabe liegen, welcher bekannt ist als Grenze zwischen den Brassa und Hassa, welche letztere von hier nach N.-O. hin nomadisiren. Die Ebene Ambsa, mit dem Grabe des Marabut Bel Kassem, brachte uns dann vor die Ruinen der Stadt, welche wir um 10 Uhr beim Hügel Mgatter betraten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Tripolis nach Alexandrien - 1. Band