Ich hatte mich sehr beeilt von Lebda wegzukommen, weil ich vermuthete, dass bei dem schönen Wetter der Dampfer rasch von Malta zurückkommen würde, ...

Ich hatte mich sehr beeilt von Lebda wegzukommen, weil ich vermuthete, dass bei dem schönen Wetter der Dampfer rasch von Malta zurückkommen würde, und ich keinenfalls Veranlassung sein wollte den Abgang der Karawane nach Bornu zu verzögern. Wider Erwarten war das Dampfschiff noch nicht angekommen, ja ein von Malta eingetroffenes Telegramm besagte, dass das Schiff erst nach Ende des Carnevals abgehen würde.

Herr Rossi hatte daher gleich einen Saptié (berittener Soldat) nach Lebda geschickt, mit einem Briefe des Inhalts: ich brauche mit meiner Rückreise nach Tripolis nicht zu eilen, leider hatte mich dieser Saptié verfehlt. Es that mir dies um so mehr leid, als ich so die Gelegenheit aus der Hand gegeben hatte, noch mehrere interessante Ansichten von Lebda photographiren zu lassen.


Endlich kam nach dem Carneval der lang ersehnte Dampfer an, und nun konnte, da seit langem alles vorbereitet war, die Karawane abgehen.

Es war dies das erstemal, dass ein officieller Act unter preussischer Aegide seitens Deutschlands in Tripolis vorgenommen wurde. Wenn auch in früheren Zeiten fast die Hälfte aller von Tripolis abgegangenen Reisenden Deutsche gewesen waren, so waren dieselben, wie Barth, Overweg und Vogel, durch Englands Gelder ausgerüstet, und von der englischen Regierung abgeschickt, als Engländer betrachtet worden. Die von Moritz v. Beurmann und mir unternommenen Reisen hatten einen vollkommen privaten Charakter gehabt; wenn auch bei meiner Reise nach Bornu der König von Preussen sich mit einer grossmüthigen Unterstützung betheiligt hatte, so war nie von einem Regierungsunternehmen die Rede gewesen.(17) Ganz anders war es jetzt: Dr. Nachtigal ging mit einem bestimmten Auftrage in's Innere, einem Auftrage, der ihm vom König von Preussen, dem Schirmherrn von Norddeutschland war übermittelt worden. Sein Abgang musste daher mit einer gewissen Feierlichkeit stattfinden. Zum erstenmale sollte die neue norddeutsche Fahne in's Herz von Afrika getragen werden, und auf dem Christenhause in Kuka, der Hauptstadt Bornu's, wehen, wo bis jetzt nur die englische und die Bremer Flagge war gesehen worden. Die schwarz-weiss-rothe Flagge sollte, so hoffen und wünschen wir, von hier noch weiter getragen werden, wo möglich bis an die Ufer des indischen oder atlantischen Oceans. Ueberdies waren wir während der Zeit unseres Aufenthaltes in Tripolis von allen Consulaten mit Aufmerksamkeiten aller Art überhäuft worden. Die einzelnen Familien wetteiferten, um uns unsern temporären Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.

Am Tage des Abganges der Karawane lud ich daher sämmtliche Consuln und die angesehensten Familien der Stadt ein, beim Abschiede gegenwärtig zu sein. Die Zelte des Dr. Nachtigal waren schon vorher am Rande der Mschia aufgeschlagen worden. Kameele und Gepäck lagen daneben. Fast alle kamen unserer Einladung nach, auch das türkische Gouvernement hatte sich durch Hammed Bei, dem Schwiegersohn des Gouverneurs, und durch einen in Wien erzogenen Officier, Masser Bei, Oberst im Generalstab, vertreten lassen. Dort am Ende des Palmwaldes, am Anfange der Sanddünen, wurde nun den Tripolitanern ein Piknik gegeben, wobei natürlich der Stoff des Essens nach arabischer Manier hergerichtet war, d.h. in gerösteten Hammeln und enorm grossen Kuskussu-Schüsseln bestand; aber auch Wein, freilich nicht von bester Sorte, wurde geschenkt, so dass die Gesundheit auf den König Wilhelm vom holländischen Generalconsul, sodann die auf die glückliche Ueberkunft der deutschen Expedition vom englischen Generalconsul unter allgemeinem Jubel ausgebracht werden konnten. Schliesslich kamen dann auch noch die Tripolitaner Stadtmusikanten, eine Flöte, eine Harfe, eine Geige und eine Trommel heraus, so dass es den tanzlustigen Tripolitanerinnen, ein Platz war bald gefunden, an Walzern und Polka's nicht fehlte.

Man kann sich denken, mit welchen Augen Araber der Stadt und Umgegend diesem, für sie nie gesehenen Treiben, zusahen. Wahrscheinlich hielten sie uns alle für christliche Derwische, und der alte Gatroner, der nie früher Europäer gesehen hatte als nur vereinzelt, und nie weiter nach Norden in Afrika gekommen war als Mursuk, schwur beim Haupte des Propheten, er wolle nach Rückkehr von Bornu nach Prussia selbst, „in scha Allah.“

Am andern Morgen früh trat die Karawane ihren ersten Marsch an, nachdem sie Nachts am Rande der Mschia campirt hatte, die hohen Sanddünen entzogen sie bald unsern Blicken, und wir unsererseits kehrten nach der Stadt zurück, und hatten somit die Aufgabe, die Geschenke des Königs für den Sultan von Bornu von Tripolis aus abzusenden, gelöst.

Es handelte sich jetzt darum, ein Schiff zu finden, um nach Bengasi zu kommen, denn der Weg um die grosse Syrte war durch die lang anhaltenden Regen ganz unpassirbar geworden, namentlich wäre es unmöglich gewesen ihn mit Kameelen zu durchschreiten. Die Ufer der Syrte befanden sich in dem Zustande, wie sie von Strabo und Mela so treffend beschrieben worden sind. Uebrigens glaube ich, dass wenn della Cella meint, die Landschaft südlich von der grossen Syrte habe den Namen Sert oder Sürt als Erinnerung und Ableitung von Desertum, er darin einfach übersieht, dass der Ausdruck „surtis“ von „surein“ ziehen, eben so gut auf's Land passt, wie auf den Meerbusen selbst. Land und Meer verschwimmen um die Zeit der hohen, durch den Nord- und Nordwestwind hervorgebrachten Fluthen, und wer um diese Zeit eine Reise um die grosse Syrte machen wollte, würde rettungslos in die Tiefe gezogen werden, falls er 118nicht einige nur den Eingebornen bekannte Pfade, die hindurchführen sollen, inne hielte. Ueberdies ist das, was wir auf den Karten unter dem Namen die Syrtenwüste bezeichnen, keineswegs Desertum, sondern das fruchtbarste Weideland, von vielen Nomaden und ihren Heerden durchzogen. Der Weg aber bot im Verhältniss zu seiner Länge wenig interessantes, wenn man nicht von einzelnen Punkten Excursionen in's Innere machen wollte. Von della Cella, Beechey und Barth, was die Küste anbelangt, beschrieben, konnte man nur dann hoffen auf diesem Wege neues zu bringen, falls man über Mittel und Zeit zu Nachgrabungen zu verfügen hatte.

Da Dampfer nur zufällig nach Bengasi eine Fahrt machen, so konnte ich blos an Segler denken, aber selbst bei widrigem Winde, wo die Schiffe circa 14 Tage unterwegs sind, war es einer Landreise gegenüber, welche nicht unter 35 Tagen gemacht werden kann, eine bedeutende Zeitersparniss; bei günstigem Winde segelt man blos drei, manchmal nur zwei Tage. Es traf sich sehr gut, dass Ali Gergeni, der Scheich el bled von Tripolis, eine Brigg im Hafen für Bengasi fertig clarirt hatte, aber er wollte sie nur gleich absegeln lassen, wenn ich die ganze Cajüte miethen würde. Gross und comfortabel war dieselbe nun zwar nicht, aber dafür theuer. Indess ohne Wahl, blieb mir nichts anderes übrig. Ausserdem hatte ich für fünf meiner Leute zu zahlen und für meinen Reitesel, und musste wenigstens für zwanzig Tage Proviant einnehmen.

Indess konnte ich am Sonnabend Abend, am 20. März, einige Tage nach dem Abgange der Karawane des Königs, mit allen meinen Leuten an Bord gehen, und am andern Morgen früh segelten wir mit halbem Winde aus dem Hafen. Die Brigg hatte ein entsetzliches Aeussere, auf dem Decke lungerten 40 bis 50 zerlumpte Araber, Juden, Levantiner Christen, Greise, Männer, alte Weiber, Frauen, Kinder, alles Kuddelmuddel durcheinander, mit ihren werthlosen Habseligkeiten: Töpfen, Matratzen, alten Teppichen und Kisten und Kasten. Von der Cajüte aus sich bis zum Vordertheile des Schiffes einen Weg zu bahnen, war kaum möglich, so voll war das Verdeck.

Diese Cajüte, circa 4 Fuss Cubik haltend, denn sie war auch so niedrig, dass man nur ganz gebückt sich darin halten konnte, hatte ausserdem drei Cojen, Tische und Stühle fehlten, als in einem Araberschiffe selbstverständlich, sie hätten auch schwerlich Platz gefunden, dennoch gelang es, einen Theil meiner Bagage unterzubringen. Und besser, als ich gedacht hatte, ging die Fahrt von statten, etwas Seekrankheit, etwas Sturm, etwas Windstille waren unsere Abwechslung, denn unser Reis (Capitain) war ein erfahrener Mann, und statt sich an der Küste zu halten, fuhren wir geraden Wegs nach Bengasi über, hatten mithin bald das Ufer ausser Sicht verloren. Schon am sechsten Tage erblickten wir Land, und bald darauf tauchte das Minaret auf, dann die Stadt, welche sich von weitem recht stattlich ausnahm. Viel trugen freilich das Fort an der einen Seite, die Palmengärten, die schmucken europäischen Häuser, und im Hintergrunde die bläuliche Bergkette dazu bei.

Aber ohne einen kleinen Schreck sollten wir nicht davon kommen. Schon hatten wir einen Lootsen an Bord, und derselbe hatte das Commando übernommen, als nach einigen Windungen zwischen den Klippen das Schiff aufstiess. Das Wasser war so klar und so wenig tief, dass wir überall Grund sehen konnten, wir waren auf einen Felsen gerathen, wo nach Aussage des Lootsen noch 7 Fuss Wasser sei, und unser Reis behauptete, das Schiff ginge nur 6 Fuss tief. Das konnte nun unter gewöhnlichen Umständen der Fall sein, aber überladen, wie es war, ging es mindestens 7 Fuss tief. Grosses Geschrei und Umherstürzen waren die nächste Folge, jeder schrie und commandirte, aber niemand gehorchte. Und schon glaubte ich, es würde beim „Gott ist der Grösste, nur bei Gott ist Hülfe“, sein Bewenden haben, als zahlreiche Boote vom Ufer stiessen. Unser Reis, der noch der Vernünftigste von allen war, liess nun gleich fast alle Passagiere debarquiren, und dann rasch einen Theil der Ladung nachfolgen, so wurden wir nach kurzer Zeit flott, und ohne dass die Brigg Schaden genommen hatte, wurden wir dann in den Hafen bugsirt.

Mittlerweile hatte ich einen meiner Leute mit den debarquirenden Passagieren an's Land geschickt, um Quartier zu suchen, und die alsbald auf den Consulaten als Gruss aufsteigenden Flaggen sagten mir, dass man meine Ankunft erfahren hatte. Nicht lange dauerte es denn auch, so kamen der englische und französische Consul an Bord, um mich abzuholen, und gleich darauf waren wir im geräumigen, englischen Consulatsgebäude untergebracht. Herr Chapman, der den abwesenden Alterthumsforscher, Herrn Denys, als Consul vertrat, nahm uns mit der liebenswürdigen Gastfreundschaft auf, welche im Auslande Engländer und Franzosen so sehr vor den andern Nationen auszeichnen.

Am folgenden Tage wurde dann gleich mit der Ausrüstung begonnen; es waren Kameele, Sättel, Stricke, Maulkörbe für die Kameele (gegen die von den Arabern sehr gefürchtete Drias-Pflanze, bis jetzt von allen Reisenden für das berühmte Silphium gehalten) und vor allen der nothwendige Proviant zu schaffen. Frühere Reisende in Cyrenaica haben sich damit beholfen, Kameele zu miethen; ich fand die Preise aber so in die Höhe getrieben, dass ich mich entschloss, welche zu kaufen, und dies habe ich später auch keineswegs zu bereuen gehabt. Freilich musste ich auch noch die Zahl der Diener um einige erhöhen, aber andererseits war ich dafür Herr meiner Karawane und meiner Bewegungen, konnte zudem annehmen, dass bei dem reichen Krautwuchse zu der Jahreszeit, wo in Cyrenaica alles grünte und blühte, die Kameele sich so halten würden, um sie nach beendeter Reise mit nicht allzugrossem Verluste wieder an den Mann bringen zu können. Fünf gute Kameele wurden mir also durchs französische Consulat eingekauft, alle anderen Einkäufe besorgte der Canzler des englischen Consulats. Selbst wenn man der Sprache, aller Sitten und Gebräuche eines Landes mächtig ist, ist es für einen Fremden immer am gerathensten, sich dergleichen durch Ansässige besorgen zu lassen, will man nicht den grössten Prellereien ausgesetzt sein.

Es kam nun noch die grosse Frage eines Beschützers aufs Tapet: in Bengasi war man der Ansicht, ein Europäer könne sich unmöglich allein in die Cyrenaica hineinwagen, das Ansehen der türkischen Regierung sei überall gleich Null, die Gegend voller Räuber und Strolche, und ohne Begleitung eines einflussreichen Chefs sei eine Reise aufs Hochland unausführbar. Den vereinigten Vorstellungen der Europäer glaubte ich nachgeben zu müssen, und zwei Männer, einer von den Franzosen, der andere von den Engländern protegirt, kamen nun in Vorschlag. Ich entschied mich für letzteren, Mohammed Aduli, weil er die meiste Garantie zu bieten schien. Obschon Fremdling in der Gegend, war er vor Jahren von Mesurata eingewandert, und hatte dann die geschiedene Frau eines der angesehensten Chefs von Barca geheirathet. Er war reich, hatte mehrere Häuser in Bengasi und war unter andern Besitzer des englischen Consulates. Gegen die geringe Miethe von 90 Mahbab jährlich lautete der vor Jahren abgeschlossene Contract, mit dem Beisatz, dass so lange das englische Gouvernement in Bengasi ein Consulat habe, dies Haus ihnen für 90 Mb. zur Verfügung stände; an ein Kündigen von Seiten des Aduli war gar nicht zu denken. Dergleichen Miethscontracte wurden von den Europäern vor noch 20 Jahren oft mit den eingebornen Städtern geschlossen, in Tripolis haben fast alle Europäer so gemiethet, jetzt sind die Mohammedaner gescheidter.—Sein eigentliches Zeltdorf, oder, wie man in Barca sagt, „Freg“, war dicht bei Gaigab, also auch nicht weit von der alten Cyrene selbst gelegen.

Leider erfuhr ich später, dass Mohammed Aduli derselbe war, der Hammilton nach Cyrene begleitet hatte, und alle die Beschwerden, welche dieser gegen ihn vorbringt, kann ich nur unterschreiben. Hatte er später auch mehreremale Denys begleitet und war bei Porcher und Smith thätig gewesen, so kann ich doch nur die Erfahrung Hammiltons: „Mohammed serving his own, utterly neglected my interests“ bestätigen. Der Aduli schien eine solche Reise nur zu seinem eigenen Vortheile zu machen; der zu escortirende Reisende war für ihn ein bequemes Mittel, auf die billigste Art eine Geschäftsreise zu erledigen, und andererseits vergrösserte er dadurch noch seinen Einfluss bei Türken und Arabern. Hernach stellte sich auch heraus, dass die Gegend gar nicht so gefährlich sei, die Bewohner sind zwar diebisch, würden aber, so lange man sich innerhalb der türkischen Castelllinie hält, es kaum wagen, etwas gegen das Leben eines Europäers zu unternehmen.

Ich blieb nur einige Tage in Bengasi, und hatte mich von Seiten der Europäer der zuvorkommendsten Aufnahme zu erfreuen. Die verschiedenen Consulate, die Geistlichen des Franciscanerklosters, die Schwestern und Privatpersonen, alle boten ihre Dienste an und wetteiferten, mir den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Aber auch die türkische Behörde, obschon der Pascha selbst, wie schon bemerkt, noch nicht eingetroffen war, zeigte sich anerkennungswerth zuvorkommend. Sie bot mir Saptién und Empfehlungsbriefe an, da man indess auf dem englischen Consulate der Meinung war, dass eine türkische Begleitung der Eingebornen wegen eher schädlich als nützlich sein würde, so lehnte ich dankend das Anerbieten ab. Auch dies war, wie ich später erfuhr, eine irrige Ansicht, das türkische Gouvernement ist in seinem Rayon überall respectirt; übrigens wäre die Mitnahme von Saptién, wenn auch nicht schädlich, doch ganz überflüssig gewesen.

Seit den ersten Besuchen von europäischen Reisenden hat sich Bengasi bedeutend gehoben und gebessert. Beechey giebt die Einwohnerzahl nur auf 2000 an, während della Cella früher schon 5000 vorgefunden haben will. Barth rechnet 10,000 Einw. und Hammilton deren 10–12,000, vertheilt auf 1200 Häuser. Gegenwärtig wird die Stadt etwa 15,000 Einw. haben, von denen 2000 Europäer sind, meist Malteser, Italiener und Griechen. Die übrigen Eingebornen theilen sich in Mohammedaner arabischen Ursprungs und etwa 2 bis 3000 Juden.

Die Stadt selbst, welche ihren Namen von einem Heiligen Namens Ben Ghasi oder Ben Rhasi hat, dessen Grabmal sich unfern der Stadt im Norden befindet, liegt hart am Meere, derart, dass sie auf eine von Norden nach Süden zu laufende Landzunge gebaut ist, die im W. vom Mittelmeere selbst, im O. von Lagunen bespült wird. Eine andere gegen die nördliche strebende von Süden her kommende Landzunge bildet mit der erst erwähnten das Thor zum Hafen, welcher 6' tief, bei hohem Wasser mit den Lagunen der flachen Salzsee communicirt. Bei Landwinden aber ist zwischen dem Hafen und den Seen eine Passage, und im Sommer trocknen diese oft ganz aus. Der Hafen ist so versandet, und überdies bei starken Stürmen so unsicher, dass im Winter die Schiffe Bengasi nur selten, und dann auf kurze Zeit, berühren. Im Sommer ist übrigens auch die Rhede ein guter Ankerplatz. In diesem Jahre sind Ingenieure von Constantinopel gekommen, um neue Hafenbauten aufzuführen, und es lässt sich leicht voraussehen, dass die Eröffnung des Canals von Suez auch hier einen belebenden Einfluss ausüben wird. Mit einigen kräftigen Baggermaschinen und mit zweckmässig angelegten Landungsdämmen wird sich leicht und ohne grosse Kosten ein guter Hafen herstellen lassen.

Der vorletzte Gouverneur von Bengasi hat sehr viel zur Verschönerung der Stadt gethan; während früher die Stadt ganz des Schmuckes irgend eines Thurmes entbehrte, hat er für die Haupt-Moschee ein hohes, schlankes Minaret bauen lassen, das schon von weitem den Schiffern vom Meer aus die Stadt Bengasi verkündet. Der Hauptbazar in der Mitte der Stadt, elegant und zweckmässig angelegt, ist auch seine Schöpfung. Und die Hauptsache ist, dass alle Waaren vorhanden sind; in der That giebt es heute keinen Artikel, der nicht in Bengasi zu haben wäre. Die Strassen in der Stadt sind zwar nicht gepflastert, aber passirbar, zudem gerade und für den Verkehr hinlänglich breit. Die Häuser sind solide aus Steinen gebaut, und auch äusserlich die meisten mit Kalk beworfen; alle sind numerirt, sehr viele haben eine zweite Etage, namentlich fast alle die, welche in dem letzten Decennium von den Europäern oder türkischen Beamten gebaut worden sind, die innere Einrichtung ist wie überall im Süden: in der Mitte ein viereckiger freier Platz und lange schmale Zimmer mit Thüren und Fenstern, welche sich auf den Hof öffnen. Jedes Haus hat einen Brunnen, das Wasser aber, welches man schon bei 6 Fuss Tiefe findet, ist brakisch. Die Häuser der Europäer, auch alle mit einem freien Hofraum im Innern versehen, haben geräumige hohe Zimmer, und die meisten besitzen allen Comfort, wie man ihn nur in Europa wünschen kann. Drei grössere Moscheen, zwei Synagogen und eine katholische Kirche sind für den Gottesdienst vorhanden. Die Moscheen bieten äusserlich nichts bemerkenswerthes, doch dürften im Innern viele römische und griechische Alterthümer vermauert sein, leider wurde es mir nicht erlaubt, eine zu besuchen.

Die neue katholische Kirche (für den derzeitigen Gottesdienst dient ein grosser Saal des Klosters) wird, wie das grosse Kloster, ganz von Mönchen gebaut werden, nur die gröbsten Arbeiten werden von arabischen Hilfsarbeitern geleistet. Sie wird ganz aus behauenen Quadern von Kalkstein und im romanischen Styl errichtet. Diese fleissigen Franciscaner, erst vor wenigen Jahren von dem uralten Kloster von Tripolis als Filiale nach Bengasi geschickt, sorgen ausserdem für die Erziehung der Kinder der christlichen Bevölkerung. Dicht beim Kloster ist auch das von ihnen erbaute Hospital der französischen Schwestern, welche zugleich eine Töchterschule haben, und durch Arzneivertheilung an Arme ohne Unterschied der Religion von den Arabern die christlichen Marabutia (Heiligen) genannt werden. Auch diese sind nur eine Zweiganstalt von der grossen in Tripolis.

Ohne Mauern, hat man zum Schutze der Stadt im Anfange dieses Jahrhunderts ein Castell erbaut, das zugleich die Mündung des Hafens schützen soll. Aber obgleich äusserlich sauber gehalten, ist dieses Fort baufällig und würde europäischer Artillerie, einerlei, ob neuester oder älterer Construction, keinen Widerstand entgegensetzen können. In diesem Castell hat die Regierung ihren Sitz, ausserdem befinden sich Harem, Casernen, Gefängnisse etc. darin. Eine neue grosse Caserne, es sind in der Regel nur 500 Mann Infanterie in Bengasi, liegt dicht beim Castell und daneben das türkische Militärhospital. Als vorzüglich muss noch die Sanitätseinrichtung hervorgehoben werden, wenn auch die Direction nicht mehr von einem deutschen Arzte, wie zur Zeit Hammiltons, geleitet wird, so ist dieselbe jetzt unter der intelligenten Aufsicht eines türkischen Arztes nicht minder gut, und lässt nichts für den gesundheitlichen Zustand von Stadt und Hafen zu wünschen übrig.

Der Regierung steht ein von Tripolis abhängiger, jedoch von Constantinopel ernannter Kaimmakam vor, welcher zumeist als Gouverneur des ganzen Ejalet Barca, dessen Hauptstadt Bengasi ist, regiert. Ihm zur Seite stehen für die geistlichen Angelegenheiten ein Mufti, für die richterlichen ein Khadi, welche ihre Ernennung von Tripolis erhalten. Ein Midjelis oder Rath aus den vornehmeren Kaufleuten der Stadt gebildet, und worin in neuester Zeit auch Juden und Rajas sitzen, hat berathende Stimme. Die Stellung der Europäer der türkischen Regierung gegenüber, ist wie in den übrigen Provinzen des osmanischen Reichs. Die Einkünfte und Ausgaben von Bengasi und Barca auch nur annähernd anzugeben, ist ganz unmöglich, sie schwanken überdies sehr, je nachdem ein anderer Gouverneur an der Spitze steht, oder je nachdem man Razzien, um den Tribut von den Nomaden einzuziehen, unternimmt. Die verschiedenen zu erhebenden Abgaben werden, wie in Tripolis, an Meistbietende verpachtet, und Christen und Juden sind davon nicht ausgeschlossen.

Die Consuln und angesehenen Franken wohnen in der Nähe des Hafens, die Mohammedaner und Juden wohnen durcheinander, ohne dass, wie man das in den meisten anderen Städten des Orients antrifft, die Juden ein eigenes Viertel, Melha genannt, bewohnen. Dass es an zahlreichen Kaffeehäusern, sowohl europäischen wie türkischen, nicht fehlt, dass eine Legion von Schenken schlechte griechische und sicilianische Weine, starke Araki und Branntweine verkaufen, braucht wohl kaum angeführt zu werden. Bei den öffentlichen Gebäuden haben wir übrigens ein Bad anzuführen vergessen, das aber keineswegs empfehlungswerth ist, und wo namentlich die verschiedenen erwärmten Stuben fehlen, welche zu den heissen Bädern so nothwendig sind. Da das Wasser aus den beiden einzigen öffentlichen Brunnen zu den Bädern geholt wird, diese aber stark brakisch sind, und nur zum Viehtränken benutzt werden können, so wird das Unangenehme des Badens noch vermehrt. Das Trinkwasser für die Bewohner wird in Fässern und Girben (Schläuchen) von aussen weit hergeholt, und macht so den Einwohnern eine grosse jährliche Ausgabe.

Die Einwohner, Araber ihrer Abkunft nach, haben sich sehr stark mit Negerblut vermischt, sind daher sehr hässlich im Ganzen genommen. Möglicherweise sind auch Berberüberreste mit untermengt, sie verstehen und sprechen aber nur arabisch, und zwar haben sie den maghrebinischen Dialekt; auch im Schreiben hat bei ihnen das [Arabic] q nur einen Punkt, und das [Arabic] f den Punkt unten. Sie befolgen den malekitischen Ritus, obschon in der Hauptmoschee, wo hauptsächlich das türkische Beamtenpersonal vertreten ist, hanefitisch gebetet wird. Sie sind fanatischer als die Tripoliner (man unterscheidet Tripoliner, den Städter, vom Tripolitaner, dem Bewohner der ganzen Provinz), was hauptsächlich seinen Grund darin hat, dass sie so häufig mit den freien, unabhängigen Bewohnern der Hochsteppen verkehren, überdies sind sie unwissender, und noch nicht in so innigen Beziehungen mit den Europäern, als die Tripoliner. Ihre Tracht ist die der übrigen Tripolitaner, aber auch hier verdrängt nach und nach das mehr 131zum Arbeiten geeignete europäische Costüm das malerische, aber die freien Bewegungen hindernde, orientalische. Ein reicher arabischer Kaufmann hält es heute für unumgänglich nothwendig, französische Glanzstiefelchen zu tragen, und ein Paletot ist nichts seltenes mehr, auch haben die meisten schon ihr weites Hemd gegen ein europäisches vertauscht. Was nun gar die arbeitende Classe anbetrifft, ich meine die Diener, Taglöhner der Stadt und die am Hafen beschäftigten Maschapsträger, so ist da die enge Hose, ein europäisches, wo möglich buntes Hemd, und, wenns erschwungen werden kann, europäisches Schuhzeug, ganz eingebürgert; nur der leidige Fez will sich noch immer nicht verlieren.

Man glaubt aber nicht, welche Revolution bei diesen Völkern ein Kleiderwechsel macht, und gewiss hat die türkische Regierung bei den Reformen Recht gehabt, ihren Beamten als ersten Schritt zur Civilisation vorzuschreiben, europäische Kleidung anzulegen. Sie hat dadurch dem Volke ein tägliches und sichtliches Zeichen gegeben, dass sie gewillt ist, mit den alten Sitten und Gebräuchen zu brechen und europäische Einrichtung und Gesetze anzunehmen. Bei diesen Völkern ist alles nur äusserlich, ihre ganze Religion ist nur äusserliches Ceremonienwesen, und man kann sich denken, wie hart es für die mohammedanischen Mucker war, mit ansehen zu müssen, dass die vornehmen Leute, die Beamten, ja der Beherrscher der Gläubigen selbst, christliche Kleidung anlegten. Welche Anzahl von Vorschriften und Gesetzen hatten sie nicht früher, um die Juden und Christenhunde zu verhindern, sich wie sie, die Rechtgläubigen, zu kleiden? Ja in einigen mohammedanischen Staaten, Marokko z.B., existiren dergleichen Gesetze noch heute. Die Franzosen aber, diese Araberbewunderer en gros, haben sicher grosses Unrecht, dass sie ihren arabischen Beamten in Algerien nicht von vornherein befahlen, französische Uniform anzulegen. Sie hätten dadurch die Schafe von den Wölfen am besten unterscheiden lernen können. Ein Beduinenchef in der Provinz Oran, diesem ewigen Krater der Revolution und des Krieges, der mit Vergnügen monatlich als Agha oder Kaid aus den Händen der französischen Regierung seinen Gehalt entgegennimmt, bis er glaubt genug zu haben, um zu revolutioniren, ein solcher Beduine würde sich eher erschiessen, als französische Uniform anziehen, aber dann fort mit ihm! Und nur solche angestellt, die, wenn sie besoldet sind, sich auch nicht schämen, die Jacke ihrer Herren zu tragen. Mit diesem einfachen Mittel würden die Franzosen alle ihre Araberchefs zwingen, Farbe zu bekennen. Aber nein, die französische Regierung thut gerade das Gegentheil, um dieser Bevölkerung, welche eben ihrer Religion wegen sich nie civilisiren kann, zu schmeicheln, steckt sie ihre eigenen Soldaten unter dem pomphaften Namen Zouave in türkische Pumphosen.

Die Frauen haben mehr ihre nationale Tracht bewahrt. Ob sie auch so hässlich sind, wie die Männer, konnte ich wegen meines kurzen Aufenthalts nicht erfahren; die jungen Mädchen, welche bis 8 oder 9 Jahren unverschleiert auf der Strasse sich zeigten, sahen nicht viel versprechend aus.

Ganz anders verhält es sich mit den Juden, Männer und Frauen sind durchgängig schön zu nennen. Ob dies noch die Abkömmlinge der hier im Alterthum so zahlreich vertretenen Juden sind, ist schwer zu entscheiden, aber nicht unwahrscheinlich. Sie selbst haben keine Erinnerung oder Ueberlieferung; es ist übrigens sehr gut möglich, dass sich in ihren alten Chroniken Andeutungen davon finden, aber die eingeborenen Juden sind auch viel zu fanatisch, um einem Fremden einen Blick in ihre synagogischen Bücher zu gestatten. Wir wissen, dass unter der römischen Herrschaft die Juden allein das Recht hatten, Geld ausser Land zu schicken, ihren Tribut nach Jerusalem. Heute wiederholt sich noch ähnliches, zwar schicken die Juden das Geld nicht mehr nach Jerusalem, aber dieses sendet von Zeit zu Zeit Rabbiner durch die Welt, welche sammeln müssen. Auf unserer Fahrt von Tripolis leistete uns ein solcher Jerusalemer Rabbiner Gesellschaft; er hatte in Tripolitanien gesammelt und wollte dann sein Geschäft in Bengasi und Derna fortsetzen, er war noch dazu mein Landsmann, denn obschon in der Stadt Davids geboren, war er Unterthan des norddeutschen Bundes.

An Gärten besitzt Bengasi nur einen Palmhain, der sich nordwärts von der Stadt hinzieht. Obst und Gemüse gedeihen sehr schlecht, und um sie nur einigermaassen wachsen zu machen, sind die Gärten alle auf Matten gebettet. Das heisst, man hat das jetzige Terrain weggegraben, Matten gelegt und dann Dünger und guten Boden aufgetragen. Die Matten sollen offenbar einestheils das Aufsteigen des Salzwassers, anderntheils das Durchsickern der fruchtbaren Düngerjauche verhindern, und müssen daher immer erneuert werden. Ob sie aber diesen Zweck damit erreichen, habe ich nicht gut absehen können. Die Palme gedeiht an und für sich gut in salzhaltigem Terrain, ebenso die Olive, wie einige prächtige Bäume im englischen Consulate beweisen. Obst dagegen, namentlich Orangen, die gar nicht fortkommen wollen, und Gemüse können fast gar nicht gezogen werden. Alles Obst und Gemüse kommt daher von Derna, Candia, Malta und Tripolis. Sehr gut gedeiht aber noch Klee und Luzerne; die fruchtbare Ebene, die sich etwas weiter weg um die Stadt zieht, versorgt mehr als reichlich die Stadt mit Vieh und Korn.

Was den Handel anbetrifft, so hebt sich derselbe zusehends. In den letzten Jahren war der Hafen durchschnittlich von 300 Schiffen besucht. Natürlich beschränkt sich die Schifffahrt fast nur auf das mittelländische Meer, und grössere Schiffe als Zweimaster kommen nie nach Bengasi. Es lässt sich nicht leugnen, dass der wieder angeknüpfte Verkehr mittelst Karawanen nach Uadai dazu beigetragen hat, den Austausch mit dem Innern von Afrika zu beleben. Die grosse Menge von Sklaven, welche von dort kommen, abgesehen von dem Elfenbein und den Straussenfedern, werden hauptsächlich hier gegen europäische Producte verwerthet. Es ist überhaupt erstaunlich, wie in den letzten Jahren der Sklavenhandel schwunghaft betrieben worden ist, und hauptsächlich trug der Umstand dazu bei, dass den englischen Consulaten, die früher die einzigen von allen in dieser Angelegenheit den Türken und Arabern den Fuss auf den Nacken hielten, die Weisung von Constantinopel aus zugegangen war, so viel wie möglich sich der Einmischung zu enthalten. In diesem Jahre nun hat die Botschaft Englands in Stambul neuen Befehl gegeben, streng über die Verträge gegen den Sklavenhandel zu wachen. Die Consulate der anderen Mächte bekümmern sich gar nicht um dergleichen.

Ueber die Aus- und Einfuhr liegen keine statistischen Nachweise vor, beide steigen jedoch von Jahr zu Jahr, so dass man die Exportation jetzt auf etwa 1,500,000 Fr., die Importation auf 1,000,000 Fr. veranschlagen kann. Ausgeführt wird besonders Korn, Schafe, Rindvieh, Federvieh, Butter, Wolle, Eier, Honig, Häute, Elfenbein und Straussenfedern. Nach Aegypten werden auch alljährlich viele Kameele exportirt, deren Zucht in den grossen Ebenen südlich von Bengasi ganz vortrefflich gedeiht. Der Import umfasst alle europäischen Fabrikate, Tuche, Baumwollstoffe, schlechte Seiden und Sammetstoffe, Nürnberger Waaren, Lichter, Seifen und Oele, südliche Weine und Alcohol, Früchte und Gemüse. Theils bleibt dies für den Consum in der Stadt, theils wird die Waare von hier weiter nach dem Innern expedirt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Tripolis nach Alexandrien - 1. Band