Mein Aufenthalt in Tripolis sollte diesmal ein viel längerer werden, als ich Anfangs vermuthete; bei meiner Ankunft ...

Mein Aufenthalt in Tripolis sollte diesmal ein viel längerer werden, als ich Anfangs vermuthete; bei meiner Ankunft theilte mir Herr Rossi mit, dass Mohammed Gatroni, der nach dem Tode Hammed Tanjani's bestimmt war von der Küste nach dem Innern die Geschenke zu übermitteln, in Fesan nicht aufzufinden gewesen wäre, und wenn sich dies später auch als irrthümlich erwies, da eines Tages der Gatroner hoch zu Meheri in Tripolis eingeritten kam, so hatte ich doch gleich, um auf alle Fälle den Abgang der Karavane zu sichern, nach Tunis telegraphirt. Herr von Maltzan, der sich dort zu der Zeit noch aufhielt, hatte mir nämlich später geschrieben, dass Dr. Nachtigal aus Cöln, welcher Leibarzt beim Bei von Tunis war, geneigt wäre, die Geschenke nach Bornu zu bringen, und da hiezu nun auch die Erlaubniss von Berlin aus nöthig war, fragte ich telegraphisch an und erhielt zur Sendung Dr. Nachtigal's eine zustimmende Antwort. Wenn dieser nun auch rasch genug eintraf von Tunis, so war seine Ausrüstung doch nicht sobald gemacht, er musste wieder nach Malta zurück, und da ich auf keinen Fall Tripolis eher verlassen konnte, als bis die Karavane wirklich abgegangen, musste ich mich in Geduld fügen; jedenfalls hatte ich Zeit genug, diesmal die Stadt recht gründlich kennen zu lernen.

Tripolis, welches die meisten Europäer Tripoli (Beehey schreibt Tripoly), wir Deutschen aber richtiger nach dem Vorgange Carl Ritters Tripolis schreiben, weil gar kein Grund vorhanden ist das s weg zu lassen, überdies die heutigen Bewohner es auch mit einem s schreiben ([arabisch: Trablis] Trablis) ist nach dem Urtheile der besten alten Geographen, und der meisten neueren Forscher auf der Stelle des alten Oea erbaut. Als dies unter dem Kalifate von Omar zerstört wurde, erbauten die Araber eine neue Stadt auf den Trümmern, der sie den Namen des ganzen Districtes gaben. Es ist kein Beweis vorhanden, dass weder Sabratha noch Oea ihren Namen vor der barbarischen Invasion geändert hatten. Wir haben aber viele Beispiele, wo die Araber ganze Provinzen durch eine Stadt bezeichnen, so ist oft Stambul die ganze Türkei, Fes ganz Marokko für sie. Auch dass Oea von den Alten nie als Hafen angeführt worden ist, ist kein stichhaltiger Grund, es kann vielleicht zu der Zeit bei Oea kein natürlicher Hafen wie jetzt bei Tripolis gewesen sein. Die weit vom Spanischen fort nach Osten hinziehenden Riffe und Felseilande beweisen, dass meist dies das Ufer war.


Jetzt ist von Alterthümern nichts mehr in der Stadt, als der allerdings schöne vom Scipio Defritus (nach Barth vom Proconsul Caius Oifitus) in den Tagen von Antonin dem Marcus Aurelius Antoninus und Lucius Aurelius Verus errichtete Triumphbogen. Dieser Triumphbogen allein zeugt schon, dass hier eine Stadt gestanden haben muss, da kann es denn auch nach den Itenerarien gar keine andere als Oea gewesen sein. Derselbe ist von sehr sorgfältiger Arbeit aus riesigen Marmorquadern aufgeführt, aber über ein Drittel ist unter Anhäufung von Schutt und Sand. Auf der Aussenseite sieht man grosse männliche und weibliche Figuren, welche allegorische Scenen darstellen oder geschichtliche Ereignisse repräsentiren. Die nach Norden zu angebrachte Inschrift ist jetzt halb vermauert, überhaupt ist das ganze umbaut und durchmauert, in früheren Zeiten war sogar eine von einem Malteser gehaltene Schnapskneipe darin. Diese ist nun zwar entfernt, aber nicht etwa aus Pietät für ein Kunstwerk aus dem Alterthume, sondern weil ein altes türkisches Gesetz existirt, wonach Schnapsschenken nur in einer gewissen Entfernung von einer Moschee angelegt werden dürfen und da hat man denn ausgefunden, dass obschon Moschee und Kneipe Jahre lang nebeneinander in Frieden bestanden, die Djemma des Hadj Ali Gordji näher der Kneipe stände, als erlaubt sei und einfach wurde der Befehl zum Schliessen gegeben. Der wahre Grund war aber der, dass die Tholba der Moschee zu viele Gläser Araki umsonst verlangten und da der Inhaber der Schenke ohne sich selbst Schaden zu thun, diese nicht mehr verabfolgen wollte, so fand die heilige und gelehrte Corporation schnell einen Grund, die Schenke gesetzlich dort aus dem Auge zu schaffen. Tout comme chez nous, dachte ich, als der frühere Besitzer mir dies erzählte.

Andere Alterthümer darf man höchstens noch in den Djemmen suchen, auch sieht man an vielen Strassenecken eingemauerte Säulen oft mit corinthischen Capitälern, um die Häuserecken vor Abschleissen zu bewahren. Einige Steine mit verwischten Inschriften, eine Art von Altarstein mit einem Sperberbilde im nördlichen Stadtwall, das ist Alles, was Tripolis dem blossen Auge bietet. Nicht unerwähnt soll jedoch bleiben, dass der frühere Generalconsul Mr. Warrington beim Bau seines 83Hauses in der Mschia dort einige kostbare Glasurnen fand, die jetzt auf dem britischen Museum in London sind.

Tripolis wird von zwei Seiten vom Meere bespült, im Norden und Osten. Fast fünfeckig werden die anderen drei Seiten von einer sandigen Ebene umgeben, nach der Landseite sind keine Gräben, die Mauern aber hoch und steil, obschon heute so baufällig, dass man sie mit Flintenkugeln zusammenschiessen könnte. Früher hatte die Stadt zwei starke Forts, am nordöstlichen Eck das sogenannte spanische, welches im Jahre 1863 explodirte und das im Südostwinkel der Stadt, welches aber schon seit Jahren zum Schloss des Gouverneurs umgebaut worden ist. Zwei detachirte Forts, von denen das eine im Norden der Stadt auf einem Felseilande gelegen unter dem Namen des französischen, das andere östlich am Strande der Mschia gebaut ist, den Eingang des Hafens beherrschend und das englische genannt wird, sind vollkommene Ruinen. Aus dieser Beschreibung wird man ersehen, dass die Stadt, obschon sie von weiten noch recht stattlich und stark aussieht, nichts weniger als stark ist. Früher nur mit zwei Thoren versehen, von denen eins sich im Osten auf dem Hafenquai öffnete, das andere im Süden nach der Mschia hinausführte, hat man jetzt neben dem Südthor noch ein anderes und auch durch den Westwall ein viertes Thor durchgebrochen. Der Hafen im Osten der Stadt ist durch die vom spanischen Forte aus sich in's Meer ziehenden und mit der Küste parallel lautenden Riffe, der Stadt und der Küste gebildet, so dass nur die Seite nach Osten offen bleibt. Mit geringer Mühe könnte er zu einem der geräumigsten und sichersten an der Küste gemacht werden und es scheint auch als ob von der türkischen Regierung jetzt wirklich etwas dafür gethan werden soll. Man kann nicht läugnen, dass nach der jetzt erfolgten Durchstechung des Canals von Suez dies auch seine Bedeutung für Tripolis und Bengasi haben wird und die Pforte hat das begriffen. Augenblicklich ist der Hafen nur für kleinere Schiffe zugänglich, Schiffe von mehr als 10 Fuss Tiefgang müssen auf der Rhede ankern.

Die Stadt selbst ist in fünf Quartiere getheilt, von denen das nordwestlichere mehr von den Juden, das östliche also am Hafen gelegene, von den Christen bewohnt wird. Früher wohnten die Juden in einer Milha, hier Harra genannt, abgesperrt, während sie jetzt durcheinander mit Christen und Mohammedanern wohnen. Die Strassen in Tripolis sind breit und reinlich (natürlich immer vergleichungsweise mit anderen mohammedanischen Städten) und einige hat man in letzter Zeit sogar angefangen zu pflastern und mit Laternen zu versehen. Von jeher erfreute sich Tripolis übrigens dieses Rufes, Leo beschreibt die Häuser als schön, im Vergleich zu denen in Tunis, Blaquière geht sogar so weit zu behaupten, die Stadt könne, was Bauart der Häuser und Reinlichkeit der Strassen anbeträfe, verschiedenen europäischen Städten, am mittelländischen Meere als Muster dienen. Die Häuser der Mohammedaner haben meistens ein Stockwerk, sind von aussen reinlich geweist und alle mit platten Dächern versehen; in der Mitte ist in jedem Hause ein grosser Hof, zu dem ein gebogener Gang mit doppelten Thüren von der Strasse aus führt, so dass ein Fremder, wenn auch die Thüren offen stehen, nie in den Hof des Hauses selbst hineinsehen kann. In diesem Gange sind immer steinerne Bänke angebracht, wo der Hausherr geschäftlichen Besuch empfängt und sonst die Sklaven und Diener des Hauses sich aufhalten. Die meisten Häuser haben auch engvergitterte Fenster nach der Strasse. Die Zimmer öffnen sich alle auf den Hof durch hohe maurisch gewölbte Thüren und sind immer lang und schmal. Die oberen Zimmer öffnen sich auf eine Gallerie, welche inwendig im Hofe herunterläuft und dem unteren Hofe zugleich Schatten abwirft. Alle mohammedanischen Häuser haben wenigstens einige europäische Möbeln, die der reichen Kaufleute und Beamten sind vollkommen europäisch möblirt. Die Häuser der reichen Juden unterscheiden sich in Nichts von denen der Europäer und die der ärmeren Juden in Nichts von denen der Mohammadaner, nur dass sie noch schmutziger sind. In jedem Hause, auch dem kleinsten, ist eine Cisterne, welche das süsse Regenwasser des Daches auffangt und das meistens für den Consum des Hauses von Jahr zu Jahr genügt, da für Waschungen, oft auch zum Kochen benutzt, in jedem Hause ein Brunnen ist, der freilich nur brakisches Wasser hat.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Tripolis nach Alexandrien - 1. Band