Von Natur sind die Tripolitaner, sowohl Berber als Araber, kriegerisch und stehen in dieser Beziehung keineswegs hinter den Algerinern, ..

Von Natur sind die Tripolitaner, sowohl Berber als Araber, kriegerisch und stehen in dieser Beziehung keineswegs hinter den Algerinern, den tapfersten von allen an der Nordküste von Afrika zurück. Die eiserne Hand der Türken hat sie aber zahm gemacht, so dass jetzt vollkommene Ruhe und Sicherheit im Lande ist, nur in der sogenannten grossen Syrtewüste und in dem Hochlande von Cyrenaica, wo die Herrschaft der Türken noch nicht so sicher etablirt ist, würde es für einen einzelnen Wanderer gefahrlich sein. In früheren Zeiten bedeutend fanatischer, wie man aus dem Reiseberichte von Lyons und später dem von Beechey, ersehen kann, hat auch in dieser Beziehung die Herrschaft der Türken, welche ja die duldsamsten von allen Mohammedanern sind, eine grosse Veränderung hervorgerufen. Die Tripolitaner sind heutzutage, die Rhadamser und Barkenser vielleicht ausgenommen, die duldsamsten Leute geworden. Namentlich in den Städten und dies gilt besonders von Tripolis, sind die alten Vorurtheile gegen Christen und Juden geschwunden. Die Mohammedaner huldigen in ganz Tripolitanien dem malekitischen Ritus, welcher auch offenbar für Nomadenvölker der bequemste ist. Malek gewährt den Leuten, welche nach seiner Weise beten, manche kleine Begünstigungen, so z.B. brauchen die Reisenden beim Gebet die Sandalen nicht abzubinden (Schuhe müssen jedoch ausgezogen werden) und da dies immer ein umständliches Zeit raubendes Geschäft ist, so sind ihm die Wüstensöhne dafür sehr dankbar. Dass übrigens von malekitischen oder hanbalitischen etc. Moscheen in Tripolitanien so wenig die Rede ist, wie anderwärts, brauche ich wohl kaum zu sagen. Hanbalitische—, Moscheen als Solche giebt es nicht. Alle vier rechten Religionssecten können in einer und derselben Moschee beten, ohne Unterscheidung und Unterbrechung hervorzurufen. So beruht beim Beten der einzige Unterschied zwischen dem Hanefi und Maleki beispielsweise darin, dass erstere die Arme kreuzen, letztere, nachdem Allahou akbar gerufen, herabhängen lassen. So kommt es denn oft genug vor, dass der Vorbeter Hanefisch betet und alle Nachbeter Malekitisch das Gebet vollziehen und umgekehrt. Nur die Chomis oder nicht den vier rechtgläubigen Secten angehörenden Mohammedaner werden in keiner Moschee geduldet. An religiösen Gemeinschaften giebt es in Tripolitanien hauptsächlich drei, die Anhänger Mulei Thaib's, die Mádani oder Anhänger Mohammed el Mádani und die Anhänger Snussi's.

Mulei Thaib, welcher sein Grab in Uezan in Marokko hat, wo er auch lebte und wirkte, hat die über ganz Afrika weitverbreitetste Brüderschaft gegründet. Aus dem Hause der Schürfa und directer Abkömmling von Mulei Edris, dem Gründer von Fes, stiftete ein anderer seiner Ahnen Mulei Abd Allah Scherif die berühmte Sauya von Uezan und zugleich auch einen Orden, der heute noch sehr zahlreich und berühmt in Marokko ist. Mulei Thaib, Abkömmling des Mulei Abd Allah Scherif, nicht zufrieden mit der localen Ausdehnung, erneuerte den Orden und gab ihm die grosse Ausdehnung, die er jetzt noch hat. In Marokko und Algerien sind die Klöster und Mkaddem8 Mulei Thaib's unzählig, in Tripolitanien gehören nur die Rhadamser der Confraterschaft Thaib's an, weiter nach Osten hat er nur noch einzelne Mitglieder9.


Die Anhänger von Mohammed el Mádani sind wenig zahlreich; in diesem Orden sind fast nur gebildete Leute. Die Mitglieder dieser Innung sind ausschliesslich in Tripolitanien und einigen Ortschaften in Aegypten und Tunis. Ihr Gründer war ein Wahabite aus Arabien Namens Sidi el Arbi, flüchtig von seinem Vaterlande, zog er nach Fes und wollte eben seine neue Lehre dort begründen als er starb; einer seiner Jünger Mohammed el Mádani (d.h. der aus Medina gebürtige) setzte sein Werk fort und stiftete den Orden der Mádani. Aber auch in Fes wurde dieser freisinnige Orden nicht geduldet, ebenso wenig in Algerien, wo er sich im Jahre 1829 befand; gleichfalls von Tunis vertrieben, liess er sich in Mesurata in Tripolitanien nieder und konnte hier ungestört lehren und für die Ausbreitung seiner religiösen Innung sorgen. Von der eigentlichen Lehre der Wahabiten gänzlich abweichend, glauben sie an ein göttliches Wesen und an einen Rapport des Menschen mit Gott mittelst des Gebetes und einer sinnigen Betrachtung, die Einheit Gottes, die Unsterblichkeit der Seele, Strafe und Belohnung im zukünftigen Leben, ist die Basis ihrer Lehre und da dies zugleich die Grundlagen der drei semitischen Religionen sind, so schliessen sie die Christen und Juden als befähigt in's Paradies zu kommen, nicht aus. Ohne Fanatismus predigen sie die Brüderlichkeit und Toleranz und obgleich auch sie auf Formen und Cultus halten, ist dies bei ihnen Nebensache und nicht unbedingt nothwendig, um eine Vereinigung mit Gott im jenseitigen Leben zu erzielen.

Ganz das Gegentheil dieser vielleicht tolerantesten (10) von allen Mohammedanern wurde im Anfange der vierziger Jahre die Brüderschaft der Snussi gegründet. Si Mohammed Snussi in Tlemçen geboren, verliess vom glühendsten Hasse gegen die Franzosen und Christen sein Geburtsland und begab sich nach Fes, um dort auf der Hochschule von Karuin die Kenntnisse zu erwerben, welche er für nothwendig hielt einen Orden zu gründen, welcher hauptsächlich die immer mehr um sich greifenden Ideen und Gebräuche der Christen unter den Mohammedanern bekämpfen sollte. Nach einigen Jahren Aufenthaltes in Fesan und da er sah, dass dort die Gründung eines neuen Ordens, den anderen dort schon existirenden gegenüber keine Aussicht auf Erfolg haben würde, besonders da Si Mohammed kein Scherif, sondern bloss ein Thaleb war, ging er nach Mekka, um seinen Ruf der Heiligkeit zu vermehren. Er schlug den Landweg ein durch die Wüste und berührte hiebei Barca und die Uah-Oasen. Frappirt von der Religionslosigkeit der dortigen Eingebornen, die blos dem Namen nach Mohammedaner waren, ersah er sogleich, dass hier die Gegend sei, wo er die Stiftung seines Ordens vornehmen müsse. Seinen Vorsatz nach Mekka führte er aus und ging dann nach Constantinopel, um sich einen Firman zu erwirken, damit die Localbehörden seinem Unternehmen keine Schwierigkeiten in den Weg legten. Nachdem er diesen erlangt hatte, kehrte er zurück und legte in Sarabub, dem westlichsten Theile der Jupiter-Ammonsoase eine Sauya an. Obgleich er nie den Zweck aus dem Auge verlor, die christlichen Ideen zu bekämpfen, war sein Hauptaugenmerk darauf gerichtet Filialsauya zu errichten, der Kreis seiner Anhänger vermehrte sich, Barca ist ganz dem Snussi unterworfen, ebenso Audjila und Djalo, in Kufra wurde ein neuer Ort gegründet und in Uadai, wohin sein Sohn selbst eine Reise machte, der Orden der Snussi als allein berechtigt, eingeführt, Kauar und Fesan halten ebenfalls zu den Gebräuchen der Snussi, aber im eigentlichen Tripolitanien wurde sein Orden nicht ausgebreitet, eine in Rhadames gestiftete Sauya musste 1864 wieder eingehen. Sein Sohn Sidi el Mabdi, welcher ihm 1860 nachfolgte, scheint nicht den Hass gegen die Christen zu haben, wie sein Vater, seine Hauptsorge scheint im Sammeln von Reichthümern zu bestehen, was natürlich bei allen Orden immer die Hauptsache ist.

Das Klima in Tripolitanien ist natürlich sehr verschieden: An der Küste hat dasselbe grosse Aehnlichkeit mit dem von Unterägypten und dürfte es an der grossen Syrtenküste noch heisser sein, auf den bewaldeten Bergen ist das Klima Süditaliens, jedoch ist bei Gebliwinde die Hitze viel intensiver. Im Winter ist es übrigens häufig, dass Frost und Reif auftreten. Die grössten Gegensätze finden sich wie überall in der Wüste in den tripolitanischen Oasen, im Sommer steigt das Thermometer bis über 45°, im Winter fällt es häufig unter Null. Ja an einzelnen Tagen beträgt der Unterschied oft 30°, so hat man in Fesan -4° Nachts beobachtet mit einer nachmittägigen Hitze von +24°. Im Winter ist an der Küste die Feuchtigkeit ebenso gross wie in Norddeutschland und auf den Bergen oft noch grösser, namentlich in Cyrenaica. In den Oasen ist selbstverständlich die Trockenheit der Sahara und selbst grosse Strecken feuchten Bodens wie in Fesan haben dem grossen Ganzen gegenüber keinen Einfluss. Während im Winter die Barometerschwankungen an der Küste stark und unregelmässig sind, bleiben sie im Innern, sowohl Winter wie Sommer unbedeutend und regelmässig. Ebenso ist es mit den Winden: im Winter, obschon dann Nordwestwind vorherrschend ist, durchlaufen die Winde oft in einem Tage die Rose, im Sommer sind sie aber ganz gleichmässig, fast immer von 10 Uhr Morgens an, von Norden kommend und manchmal nur durch die meistens aus Südsüdost kommenden glühend heissen Gebli- oder Samumwinde unterbrochen. Im Allgemeinen kann man sagen, dass in Tripolitanien ein sehr gesundes Klima ist, am zuträglichsten ist jedenfalls die köstliche Luft Cyrenaica's und des Djebel, aber auch an den Küsten in Bengasi, Tripolis und den anderen Orten weiss man von Epidemien und Endemien nichts. So ist z.B. bis jetzt nie die Cholera in Tripolitanien gewesen und wenn in früheren Jahren die Pest aufgetreten ist, so rührt das jedenfalls durch Einschleppung und mangelhafte sanitätliche Polizeieinrichtung her. Neuangekommene Europäer haben in den Städten oft Leberleiden, meist aber aklimatisiren sie sich rasch. Entschieden ungesund ist das Klima in einigen Theilen von Fesan, wo die Sebcha oder Salzsümpfe in Verbindung mit faulenden organischen Substanzen im Sommer die bösesten intermittirenden Fieber hervorrufen.

Tripolitanien, welches unter der türkischen Regierung ein Eyalet oder eine Provinz ist, hat 7 verschiedene Liva oder Nayet, welche unseren Kreisen oder Districten entsprechen. Die Zahl und Grösse derselben wechselt aber häufig nach der Laune des Muschir oder Grossgouverneurs. In den ersten Jahren wurden die Liva sogar vom Muschir besetzt, heute werden die Districtsgouverneure jedoch von Constantinopel aus angestellt, in der Verwaltung jedoch sind sie dem Muschir Tripolitanten verantwortlich.

Die verschiedenen Liva sind: 1. Tripolis selbst mit Umgebung (Mschiah. Tadjura etc.), 2. Choms, welches die westliche Syrtenküste begreift und die Gebirgslandschaft von Tarhona, 3. Sauya, die Landschaft westlich von Tripolis bis nach Tunisien, 4. Djebel, welches das ganze Gebirge südlich von Tripolis und Misda begreift, 5. Rhadames mit einigen kleinen Oasen in der Nähe, 6. Fesan und 7. Barca, welches das ganze alte Cyrenaica und die Audjila-Oasen begreift. Dem Liva steht ein Kaiumakam vor, der meist auch den Titel Pascha hat, und die Liva sind wieder in verschiedene Mudiriate abgetheilt, denen ein Mudir vorsteht.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Tripolis nach Alexandrien - 1. Band