Unter der türkischen Regierung wird seit 1835 die Regentschaft Tripolis von einem Generalgouverneur, ...

Unter der türkischen Regierung wird seit 1835 die Regentschaft Tripolis von einem Generalgouverneur, welcher den Titel Muschir hat, regiert. Man hat zu diesem Posten sowohl Leute aus dem Civilstande, als auch aus dem Militairstande genommen, und selbst aus der Marine hat man Admiräle schon als Gouverneure von Tripolitanien gesehen. Der Gouverneur kann nach Belieben der Pforte abberufen werden, und im Anfange der Eroberung machte das türkische Gouvernement oft genug Gebrauch davon, jetzt lässt man, wie schon gesagt, einen ein Mal installirten Muschir meist vier Jahre auf seinem Platze, was auch keineswegs, um sich mit allen Verhältnissen des Landes und der Bewohner bekannt zu machen, zu lange ist. Die Gewalt desselben ist heute nicht mehr eine unbeschränkte, das Recht über Leben und Tod steht ihm nicht zu, und in der Verwaltung der Provinz steht ihm die grosse Midjeles oder eine Rathsversammlung zur Seite. Dieser Rath umfasst die Personen der ersten Aemter, als Richter, Militaircommandant, oberster Geistlicher u.s.w. Wegen des Muschir kann man über dies nach Constantinopel an's Ministerium oder an den Grossherrn selbst appelliren, was jedoch selten Jemand zu thun wagt. Der Muschir bezieht von Constantinopel sein bestimmtes Gehalt, welches übrigens je nach seinem anderen Range variirt, als Gouverneur soll er fünfzigtausend Francs Einkommen haben.

Das in Tripolis stationirte Militair steht unter einem selbständigen Commando, und der Oberst-Commandirende hat gewöhnlich den Rang eines Generallieutenants. Meist sind nicht mehr als 6000 Mann regelmässige Truppen vorhanden, Infanterie und Artillerie. Diese werden immer aus anderen Provinzen des Reiches hergezogen, während die in Tripolitanien ausgehobenen Truppen in den übrigen Theilen des Reiches zur Verwendung kommen. Während dem Muschir nicht zusteht in die innere Administration der Truppen einzugreifen, so hat er indess die Macht über ihre Garnisonirung, und im Falle von Revolten, ertheilt er den Befehl zum Marsch und Angriff. Die in Tripolitanien bestehende Bürgermiliz, wie die z.B. der Mschia (5), wo jeder Mann geborner Soldat ist, dann die der Gensd'armen, Kavassen, Saptién u.s.w., stehen unter dem directen Befehl des Muschir's.


56Was die Finanzen anbetrifft, so werden sie unabhängig vom Muschir verwaltet, und stehen unter der Leitung des Mohasebdji oder Chasnadar, welcher von dem Finanzministerium in Constantinopel seine Bestallung erhält, und demselben die Einnahmen abzuliefern hat, ebenso ist auch die Douane unabhängig vom Generalgouvernement verwaltet.

Die Einkünfte von Tripolitanien sind nicht genau bekannt, indess bringt das Land reichlich soviel auf, als die Beamten und das dort stationirte Militair an Gehalt und Sold erfordern, und in den meisten Jahren kann noch ein hübscher Ueberschuss nach Constantinopel abgeliefert werden. Durchschnittlich kann man den Ueberschuss auf jährlich 600,000 Francs anschlagen. Im Kriege gegen Russland erhob die Pforte zudem eine Extracontribution von 2,608,700 Francs. Die Einkünfte gehen hervor aus den directen Abgaben, welche von allen Producten des Bodens erhoben werden, und der Judensteuer, welche den einzelnen Gliedern dieses Glaubens von ihrem Rharham-Baschi oder Gross-Rabiner zugemessen wird. So zahlt z.B. jeder Oelbaum und jede Palme 2½ Piaster (und wenn es eine Lakbi gebende Palme ist, 5 Piaster), jedes Kameel 40 Piaster, jedes Rind 20 Piaster, 10 Schafe; 40 und 20 Ziegen 40 Piaster jährlich. Dass hierbei viele Umgehungen stattfinden, ist schon an anderen Orten erwähnt worden.

Die indirecten Abgaben, welche meist vom Gouvernement als Monopol dem Meistbietenden zugeschlagen werden, gehen hervor aus der Douane, die 5 Proc. Eingangszoll und 12 Proc. Ausgangszoll erhebt, aus dem Rechte Spirituosen zu machen und zu verkaufen, aus der Stempelung des Goldes und Silbers, welches, gleichviel ob alt oder neu, verarbeitet oder roh, geaicht sein muss, aus der öffentlichen Wage, da alle Sachen, welche en gros verkauft werden, durch einen Amin gewogen werden müssen; aus dem Fischertrage, indem alle Fische, welche auf den Markt gebracht werden, 8 Proc. ihres Werthes abgeben müssen; aus dem Fleische, welches ein Pächter sowohl der Armee zu einem im Voraus bestimmten Preise das ganze Jahr liefern muss, als er auch ausserdem von jedem Schafe 2½ Piaster und von jedem Rinde etwa 10–17½ Piaster, je nach der Grösse beim Schlachten geben muss, endlich aus dem Tabacks-Monopole und der Hara, d.h. das Vorrecht, den Dünger und die Unreinlichkeit aus den Städten zu schaffen. Dass die Einnahmen der indirecten Abgaben gar nicht gering sind, geht aus einer vom holländischen Generalconsul v. Testa zusammengestellten Tabelle vom Jahre 1851/1852 hervor, nach welcher die gesammten eben aufgeführten Monopole die Summe von 1,352,000 Francs für's Gouvernement ergeben. Zugleich ersehen wir aus denselben, dass die Einkünfte, folglich der Reichthum von Tripolitanien von Jahr zu Jahr zunehmen. Das eben Angeführte gilt für alle Städte und Orte, nur mit dem Unterschiede, dass die Grösse der erhobenen Abgaben, je nach dem Gouverneur oder Kaimmakam oder Mudir wechselt, indem zwar in den Liva auch die Finanzen nicht direct unter dem Kaimmakam stehen, derselbe aber in der Regel mit dem Kateb el mel oder Zahlmeister, welcher die Einnahmen unter sich hat, im Bündnisse ist. Ausserdem werden in den verschiedenen Liva noch andere Abgaben erhoben, so liess sich z.B. im Jahre 1865 der Kaimmakam von Fesan für jeden durchziehenden Sklaven ein Kopfgeld von 40 Piaster zahlen und erlaubte seinem Kavass-Bascha oder Polizeidirector am Thore noch 5 Piaster für jeden durchziehenden Sklaven zu erheben. Bewaffnete Araber mussten für eine Flinte am Thore auch 2 Piaster zahlen und dieser Brauch ist in Tripolis selbst auch, wenn wir nicht irren.

Die Exportation von ganz Tripolitanien kann man durchschnittlich jetzt im Werthe von 10–12 Millionen veranschlagen, die der Importation im Werthe von 5–6 Millionen, was eine Gesammtsumme von 15–18 Millionen Francs ergiebt. Mircher, der für die Stadt Tripolis die Gesammtsumme von 5,500,000 Francs angiebt, ist viel zu niedrig in seiner Schätzung. Dann sind aber auch die anderen Städte, wie Mezurata, Bengasi und Derna gar nicht bei ihm in Betracht gezogen.

Die Rechnung und das Geld in Tripolitanien sind jetzt eben so wie im übrigen türkischen Reiche. Die kleinste Münze ist der Para, die jedoch bloss noch imaginär existirt, man findet dann zehn Para-Stücke, Bu-Aschra- und zwanzig Para-Stücke, Bu-Aschrin genannt. Zwei Bu-Aschrin machen den türkischen Piaster und fünf Bu-Aschrin einen tripolitanischen Girsch (Groschen), 6 Bu-Aschrin nennt man Sbili. Es existiren auch einzelne Girsch und Sbili-Stücke. 10 Bu-Aschrin werden Baschlik genannt und solche Stücke existiren auch. 40 Bu-Aschrin oder 20 constantinopolitanische Piaster machen den Mahbub, solche Stücke existiren als Silbermünze. Als Goldmünze kommen 5 Mahbub-Stücke und 1 Mahbub-Stücke vor. Man sieht sie indess selten.

Die Scheidemünzen, Bu-Aschrin, Sbili und Baschlik sind alle von schlechter Alliage, die Mahbub-Stücke haben denselben Silbergehalt wie die französischen Silbermünzen.

Englisches und französisches Gold und Silber wird überall zu voll angenommen, am allgemeinsten ist jedoch der Maria-Theresien-Thaler verbreitet.

Als Gewicht dienen die Oka und das Rotol von Tripolis. Eine Oka hat 2½ Rotol und 100 Rotol bilden einen Cantar (Quintal), der also 40 Oka hat. Das Rotol wird in 16 Okia oder Unzen untergetheilt.

Beim Längenmass bedient man sich der türkischen Pic, eine Pic ist gleich einer Brabanter Elle und 1½ Pic gleich einem Meter und 1-1/3 Pic gleich 1 Yard.

60Zum Kornmessen bedient man sich der Marta, wovon 15 Eine Ueba bilden. Zwei Marta sind gleich einem türkischen Kilo und 280 Kilo entsprechen 100 Hectolitres oder 83 Kilo = 1 Last.

Das Mass für Flüssigkeiten ist die Jarre, welche 6-1/8 Caraffa hat. Eine Jarre entspricht 10-2/3 Litres.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Tripolis nach Alexandrien - 1. Band