Die Gerechtigkeitspflege in Tripolitanien wird von einem Kadhi besorgt, welcher vom Schich ul Islam in Constantinopel ...

Die Gerechtigkeitspflege in Tripolitanien wird von einem Kadhi besorgt, welcher vom Schich ul Islam in Constantinopel ernannt wird. Dieser Kadhi hat das Recht, die anderen Kadhi der Provinzialstädte zu ernennen, welche officiell den Titel Naïb haben. In grösseren Sachen und namentlich wo Türken mit betheiligt sind, wird überall nach hanefischer Form Recht gesprochen, während alle Fälle zwischen Arabern, welche dem malekitischen Ritus anhängen, diesem gemäss entschieden werden. Ausserdem giebt es in allen grösseren Städten und Orten Adulen, welche eine Art von Rechtsgelehrten sind und auch Vollmachten und Schriften ausfertigen können, welche notarielle Kraft haben. Für Criminalfälle wird ein vom Muschir präsidirtes Medjeles thakik zusammengesetzt, das jedoch die Strafe des Todes nicht aussprechen kann. Ein anderes Medjeles tedjaret besorgt streitige Fragen in Handelsangelegenheiten, die angesehendsten eingebornen Kaufleute sind Beisitzer und wenn die Streitfrage zwischen einem Eingebornen und einem europäischen Kaufmann stattfindet, so sind im Medjeles tedjaret, auch europäische Kaufleute als Beisitzer. Die in Tripolitanien ansässigen Europäer sind nur richtbar von ihren resp. Consulaten. Kommen aber Fälle vor, wo Europäer mit Eingebornen Händel oder Zwistigkeiten haben, so wird in der Regel die Entscheidung dem Richter anheimgegeben, der des Beklagten Obrigkeit ist. Sucht also ein Eingeborner Recht gegen einen Europäer, so muss er sein Recht beim Consul holen, hat hingegen ein Europäer eine Klage gegen einen Eingebornen, so muss er beim mohammedanischen Kadhi sein Recht suchen, dass Letzterer, da er fast immer vom Consul unterstützt wird, meist im Vortheil ist, wird einleuchtend sein, wenigstens in den meisten Fällen, wo der Europäer Kläger ist.

Bei der mangelhaften Kenntniss des Bodens von Tripolitanien, kann es uns nicht einfallen hier eine allgemeine physicalische Geographie des Landes geben zu wollen, wir beschränken uns auf statistische Angaben und führen nur an, dass der Raum von der ganzen Regentschaft wenigstens so gross wie ganz Deutschland ist, falls man Wüste dazu rechnet. In der That ist aber auch der grösste Theil des Bodens Sherir, Hammada, Sand oder steiniges jeder Vegetation bares Gebirgsland. Dieses im Süden hauptsächlich in den Schwarzen Bergen und dem Harudj vertreten, streift von Westen nach Osten seiner Hauptrichtung nach. Durch eine Hochebene vom Djebel, den man versucht wäre den östlichsten, letzten Ausläufer des Atlas zu nennen, finden wir dies Gebirge mit Humus und rothen Thon, folglich mit Vegetation bedeckt. Von diesem nördlich gelegen besteht die Ebene bis am Mittelländischen Meere aus Alluvialboden, ebenso scheint es mit dem Boden um die grosse Syrte zu sein, denn Sebchaboden allein würde schwerlich so gute Weiden haben, wie sie dort nach den Aussagen der Nomaden sein sollen. Allerdings ist die Stadt Tripolis gleich hinter den Palmgärten von Sanddünen umgeben, indess bilden diese Sandanhäufungen nur einen einige Stunden breiten Gürtel, dahinter hat man bis an's Gebirge Tel-Formation, den fruchtbarsten Boden. Nach Süden zu erstreckt sich dann der ackerbare Boden selbst noch über die Berge hin hinaus; im ued Sufedjin wird alle Jahre noch geackert, nach Westen geht der Tel in den Tunesischen über, nach Osten zu über das in's Meer stürzende Gebirge hinweg, nach Mesurata und dem Ufer der Syrte zu.


Eigentliche Flüsse sind in ganz Tripolitanien nicht vorhanden. Die bekanntesten sind die von Südwesten nach Nordosten in die grosse Syrte fliessenden ued Sufedjin und ued Semsem. Der Sufedjin bekömmt zum Theil seine Zuflüsse vom Südrande des Djebel, zum Theil aus dem Rande der Hammada el hamra, aus letzterer und dem Harudj-Gebirge entspringt der Semsem. Der ued el Cheil, später im unteren Laufe ued el Bei genannt, wäre noch zu erwähnen, und wahrscheinlich sind in der sogenannten Syrtenwüste noch längere Flussläufe, von denen wir hier nur den Harana und Schegga nennen.

Die in der Wüste vorkommenden uadi, von denen ich in Fesan das Schati, das uadi schirgi und u. rharbi anführe, möchte ich kaum als solche bezeichnen, sondern sie wie das von Gatron eher als Depression ohne bestimmte Abdachung annehmen. Cyrenaica, welches obschon politisch zu Tripolitanien gehörend, ein Land für sich bildet, soll später besonders beschrieben werden. An Mineralien hat bis jetzt nichts in der Regentschaft entdeckt werden können, mit Ausnahme einer ergiebigen Schwefelmine (6) an der grossen Syrtenküste, dessen Ausbeutung jedoch vom türkischen Gouvernement untersagt wurde. Natron-Sebcha giebt es in Fesan und zum Theil hat sich das Natron einen Weg bis Tripolis gebahnt, von wo es bisweilen exportit wird. Eben so giebt es einige Salpeterminen, die aber auch noch nicht ausgebeutet sind.

Die Pflanzenwelt ist reich und könnte, bei besserer Bearbeitung des Bodens das Land mit allen anderen an der Nordküste von Afrika concurriren machen. Natürlich ist dieselbe, je nach dem Boden sehr verschieden. Während in den Oasen der Wüste die Producte der heissen Zone Indigo und die Sudan-Kornarten vortrefflich gedeihen, auf den Bergen und Hochebenen die Früchte und Kornarten der kalten gemässigten Zone gezogen werden können, kommen in den Ebenen am Meere und den nördlichen Bergabhängen alle Früchte, Getreide und Gemüse des gemässigten Klima's trefflich fort. Der Dattelreichthum des Landes, sowohl die der Oasen, wie die der Küstenstriche, ist unerschöpflich. Orangen, Citronen sind in all' den verschiedenen Arten vorhanden und namentlich hat die Blutorange und die feine Mandarinorange sich Bahn auf europäische Märkte gebrochen. Die Weintrauben und Feigen des Djebel sind von vorzüglicher Güte und wenn die Cultur des Oelbaums hinter der von Tunis zurücksteht, so ist der Umstand Schuld, dass in Cyrenaica, wo dieser Baum so herrlich gedeiht, dieselbe derart vernachlässigt oder vielmehr ganz aufgegeben ist, dass dort die Oelbäume nur noch verwildert vorkommen. Baumwolle und Taback kann überall producirt werden, wird aber bis jetzt nur sporadisch gebaut; Ueberschuss zur Ausfuhr giebt nur der Getreidebau, obschon wie überall die Bestellung der Aecker durch die Araber auf die primitivste Art geschieht; von Kornarten wird nur Weizen und Gerste gebaut. Die Gemüse, welche in Europa gezüchtet werden, gedeihen auch in Tripolitanien und wenn die Communication geregelter wäre, könnte im Winter von Tripolis aus der europäische Markt ebenso gut mit Gemüse versorgt werden, wie es jetzt von Algerien aus geschieht. Von den wildwachsenden Pflanzen hat man bis jetzt nur eine Geraniumart benutzt zur Bereitung von Essenz, die überall und massenhaft wachsende Artemisia könnte auf gleiche Weise mit Vortheil benutzt werden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Tripolis nach Alexandrien - 1. Band