Abschnitt 3

Auf Seeland


Das Innere des Schlosses sahen wir nicht, doch erzählte uns der Aufseher, der uns den Marmorgarten aufgeschlossen hatte, daß Kaiser Wilhelm sieben Zimmer bewohnt habe, und zwar ein Kabinet mit vergoldeten Möbeln, bezogen mit rotem Seidendamast, einen Salon mit eingelegten Nußbaummöbeln, enthaltend ein großes Gemälde aus Maria Theresias Zeit; ein türkisch ausgestattetes Vorgemach; ein Schlafzimmer mit weißlackierten, goldverzierten Möbeln, mit grüner Seide bezogen. Die übrigen Zimmer uns aufzuzählen erließen wir dem eifrigen Manne und benutzten die Zeit bis zum Mittagessen, den einsamen Park nach allen Richtungen zu durchstreifen. Besonders lockt der See immer und immer wieder zu sich. Sieben Kilometer lang, bietet er eine imponierende Wasserfläche, und bei dem herrschenden Westwinde schlugen die Wellen brausend an das Ufer.


Am nördlichen Ende liegt das Dorf Esrom, nach dem der See benannt ist, früher ein Bernhardinerkloster, von welchem spärliche Trümmer ausgegraben und erhalten sind. Auf der Westseite wird der See vom „Grib Skov“ begrenzt; das soll der schönste Wald in ganz Dänemark sein; dorthin kamen wir aber nicht.

II.

Den vollsten Gegensatz zu Fredensborg bildet Frederiksborg. Dort alles einfach, idyllisch, ländlich-gemütlich; hier alles prächtig, prunkend, architektonisch bedeutend. Wenn man die 1-1/2 Stunden Wegs zurückgelegt hat, taucht plötzlich aus dem Walde eine majestätische Burg mit Thürmen und Zinnen hoch empor, in dem See sich spiegelnd, in den sie mitten hinein gebaut ist. An dieser Stelle stand früher das Schloß Hillerödsholm (Holm-Insel), welches König Friedrich II. umbauen ließ und nach seinem Namen umtaufte. In diesem Schlosse oder, wie die Chronik sagt, auf freiem Felde in der Nähe desselben, wurde Christian IV. geboren, der eine solche Vorliebe für seine Geburtsstätte faßte, daß er beschloß, an Stelle des einfachen Gebäudes ein prächtige Burg zu errichten. Seine Hofleute verspotteten den großartigen Plan und nannten ihn eine Kinderlaune, Christian führte ihn jedoch mit fremden

Baumeistern aus (1620) und ließ, den Spöttern zur Strafe, am Portal Kinderschuhe in Stein gehauen anbringen. Frederiksborg erhebt sich auf drei Inseln in vier Stockwerken, die Souterrains liegen unter dem Wasserspiegel. Es war ein Lieblingsschloß Friedrichs VII., der sich hier mit seiner dritten Gemahlin, der Gräfin Danner, häufig aufhielt. In der Nacht vom 16. zum 17. Dezember 1859 brannte daß Schloß nieder; man muß gestehen, über den dänischen Schlössern waltet ein Unstern! Fast alle Schätze und Kostbarkeiten, die unersetzliche Sammlung von Bildnissen berühmter Männer, alles fiel den Flammen zum Raube. Durch freiwillige Beiträge kam eine so große Summe zusammen, daß man alsbald den Wiederaufbau beginnen konnte, genau nach dem alten Muster. Das Innere ist noch nicht ganz fertig, allein die meisten Säle und Gemächer sind vollendet. Das größte Verdienst bei der Wiederherstellung von Frederiksborg hat sich unstreitig der Kopenhagener Bierbrauer Jacobsen erworben, der bedeutende Summen, einmalige und jährlich fortlaufende, zur Verfügung stellte.

Das Schloß ist nicht bewohnt, sondern dient als dänisches Nationalmuseum, als Ergänzung der kulturhistorischen und ethnographischen Sammlungen Kopenhagens, besonders der Rosenburg. In den beiden oberen Stockwerken sieht man Gemälde aus Dänemarks Geschichte, von verschiedenem künstlerischen Werte, aber historisch alle von Interesse. Da ist ein 6 Meter langes und 3 Meter breites Deckengemälde von Lorenz Fröhlich, die von uns im Anfange erwähnte Sage von dem Riesenweibe Gefion darstellend; ferner eines von Neumann: die Ankunft der holländischen Flotte auf der Reede von Kopenhagen 1658; von Constantin Hansen: Portraitbild des grundgesetzgebenden Reichstages von 1848, und viele andere. Die Decken sind reich geziert mit Stuckatur und einer verschwenderischen Fülle von Gold und Farbenglanz; so besonders die Perle des Ganzen: der große Rittersaal, der alles Aehnliche überbietet. Allein wer die solide Pracht der Wartburgsäle und der Münchener Königsresidenz gesehen hat, der wird sich durch die hinfällige

Herrlichkeit des Stuckes nicht befriedigt fühlen und wünschen, daß das von außen wie für die Ewigkeit gebaute Schloß auch im Innern entsprechend geschmückt wäre. Ueberladen! muß man immer wieder ausrufen; Ueberladung ist im ganzen Schlosse der Haupteindruck für den Beschauer. „Bierbrauerkunst“ nannte es ein feinfühlender Mann unwillig, obwohl etwas zu hart. Von dem Vorwurf der Ueberladung kann man auch die Schloßkirche, die wohlweislich, als Krone des Ganzen, zuletzt gezeigt wird, nicht freisprechen. Altar und Kanzel sind aus schwarzem Ebenholz, mit Perlmutter und getriebener Silberarbeit reich geziert. Das Edelste in der Schloßkirche, die übrigens den Bewohnern von Hilleröd als allsonntägliche Andachtsstätte dient, ist sicherlich die Betkammer des Königs, in Ebenholz und Elfenbein gehalten und mit 23 Bildern von Professor Bloch geschmückt, die künstlerischen Wert haben. Sie stellen die ganze Geschichte Christi dar, von Marias Verkündigung bis zur Auferstehung. Als vollendetes Gemälde gilt „Christus in Gethsemane“, 1876 gemalt. Auch diese Bilder sind von Jacobsen gestiftet, der für seine vielfachen Verdienste um die Förderung von Kunst und Wissenschaft bei der 400jährigen Jubelfeier der Universität Kopenhagen zum Doktor ernannt wurde.

Der Küster, der uns herumführte, erklärte uns die vielen, in den Fensternischen hängenden Wappenschilde. Es sind die der Ritter des Elephantenordens und der Großkreuze des Danebrogordens. Unter den letzteren befindet sich auch Name und Wappen Kaiser Wilhelms I., Friedrichs III. als Kronprinzen und Bismarcks. Meine Frage, ob denn Bismarck nicht auch Ritter des Elephantenordens, des höchsten dänischen Ehrenzeichens, sei, verneinte der Küster ironisch lächelnd, indem er hinzufügte, daß das nie geschehen werde; den Danebrog habe er vor 1864 erhalten.

Wenige Reisende, welche Kopenhagen, Fredensborg, Helsingör und andere Punkte Seelands besuchen, nehmen sich Zeit, der kleinen Stadt Roskilde einen Besuch abzustatten. Und doch verdient sie es, denn abgesehen von ihrer großen historischen Vergangenheit und ihrem ehemaligen Glanze, bietet sie noch heute eines, was die Zeit ihr nicht hat nehmen können: den alten, romanischen Dom mit den Königsgräbern. Wie zu Speyer die deutschen Kaiser, zu St. Denis die französischen Könige, so liegen zu Roskilde die dänischen Herrscher mit wenigen Ausnahmen begraben. Darauf bezieht sich die Ode Klopstocks: „Rothschilds Gräber“; Rothschild ist Roskilde, nicht etwa Mayer Anselm in Frankfurt, wie wohl mancher zuerst denken mag. Der Name hat weder mit Roth, noch mit Schild etwas zu thun, sondern ist aus Ro, dem Namen eines alten Königs (auch Hroar geschrieben) und Kilde, d.h. Quelle, gesprochen Kille, zusammengesetzt.

Eine Quelle der Gegend trägt noch heute den Namen Ros-Kilde. Eine zweite Quelle heißt Hellig-Kors-Kilde, d.h. Heilige Kreuz-Quelle, und stand lange im Rufe besonderer Heilkraft. Sie entspringt in weißem Sande und giebt 12 Tonnen Wasser die Stunde. Ein Konditor, Pozzi, hat eine Mineralwasserfabrik bei derselben angelegt.

In der Nähe von Roskilde liegt das kleine Dorf Leire, welches die eigentliche Königsresidenz von Dan bis auf Harald Blauzahn war, die Wiege der heidnisch-dänischen Poesie. Hier wohnte Rolf Krake mit seinen zwölf Riesen und Skiold; hier wurden unter offenem Himmel Thinge (Gerichte) gehalten von den freien Bauern und ihrem Könige; hier wurden Fehden geschlichtet, Gesetze gegeben und Wikingerzüge beschlossen; hier walteten Thor und Freia. Die ganze Gegend bei Leire ist reich an kolossalen Grabhügeln aus der Heidenzeit. Ein kleiner Fluß, die Leire-Aa (Aa-Fluß), schlängelt sich durch die Buchenwälder von Leire, in welchen noch heute ein „Hellige Lund“ (heiliger Hain) existiert, mit „Herthadal“ und „Herthasee“. Opfersteine weisen auf den Dienst der Hertha hin, die zu Zeiten aus dem See emporstieg, um in einem mit Kühen bespannten Wagen segnend durch das Land zu fahren. Nachdem sie in dem See gebadet, wurden die Diener, die ihr behilflich gewesen, von der Flut verschlungen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Von Haparanda bis San Francisco