Zweite Fortsetzung

Die Alten waren in der Kirche noch zu Hause, und sie liebten es, sich darin häuslich einzurichten, in geschlossenen Stühlen, die der Familie erbeigen oder der Zunft, dem Stande vorbehalten waren. Das war künstlerisch viel günstiger als die heutige allgemeine Gleichheit und Öffentlichkeit. Und wenn es auch der Henker war und seinen Stuhl ganz hinten unter der Treppe hatte, er hatte doch seinen Platz, wo er nicht fehlen mochte.

An- und Einbauten jeder Art wurden stets in dem jeweils herrschenden Geschmack so gut als möglich und natürlich auch mit künstlerischer Rücksicht auf das vorhandene Alte ausgeführt. An Nachahmung eines vergangenen Stils dachte niemand. Uns steht heute dasselbe zu. Aber es ziemt uns auch, das überlieferte Bild, z. B. eines Kirchturms, nicht ohne Not zu ändern, sondern es pietätvoll zu erhalten, wie es ist, wenn es uns auch vielleicht nicht ganz gefällt. Der Geschmack wechselt; ein Denkmal ist etwas Bleibendes und Unveränderliches. Die verschiedenen Dachformen der Kirchtürme sind nicht nur bezeichnend für das Ortsbild, sondern auch für die Entstehungszeit: im Mittelalter anfangs stumpfe Pyramidendächer auf gedrungenen Türmen, dann immer höhere und schlankere. Am schlanksten wirken die achteckigen Spitzdächer, die sich auf oder hinter vier Giebeln erheben. Daneben schuf man aber auf wehrhaften Dorfkirchentürmen niedere Satteldächer zwischen zwei, meist abgetreppten Giebeln. In der Renaissancezeit Hauben von geschweiftem Umriss mit Metall- oder Schieferdeckung; so auch im Barock und Rokoko. Daneben aber an der Wende des sechzehnten Jahrhunderts gotisierende Spitzdächer mit ausdrucksvoller Einziehung und Umsetzung ins Achteck. Endlich in der Zeit des Klassizismus wieder flache, viereckige Zeltdächer nach Art der italienischen, schon im Frühmittelalter ersonnenen Glockentürme. Immer ist die Glockenstube mit ihren Schallöffnungen Hauptgeschoss.


Eine ältere Dorfkirche sieht, wenigstens von außen, anders aus als eine Stadtkirche. Die Stadtkirche hat, wenn sie aus dem späten Mittelalter stammt, meist einen längeren Chor und am Schiff zwei Reihen von Kapellen, beides wegen der zahlreicheren Geistlichkeit, die zu einer Art von Stiftskollegium zusammengefasst war. Evangelische Stadtkirchen, die nach der Reformation erbaut sind, haben in der Regel stattliche Fassaden, die den städtischen Charakter wahren. Und fast immer haben solche Stadtkirchen einen hohen Turm, der die hohen Bürgerhäuser überragt, und an ihm einen Umgang, den sog. Kranz, auf dem die Stadtzinkenisten Choräle blasen, oder auch zwei Türme, die meist ungleich ausgebildet sind, ja auch ihrer drei.

Die Dorfkirche hat in katholischen Pfarreien in der Regel nur drei Altäre und einen kleinen Chor. Sie ist öfter noch vom Friedhof oder doch von einem grünen Kirchhof umgeben. Dann stören auch die äußeren, meist bedeckten Treppenaufgänge zu den Emporen nicht, die für evangelische Dorfkirchen bezeichnend sind. Und der Turm der Dorfkirche kann, ja soll sich in bescheidenem Höhenmaße halten. Die Dorfkirche braucht auch, wenn sie isoliert hinter der Kirchhofmauer steht, keine Fassade, also auch keine gleichmäßigen Fensterreihen. Das Äußere ist, auch bei sehr anmutigen Dorfkirchen, nichts als die Kehrseite des Innern.

Der malerische Reiz eines romanischen Bauwerks beruht auf den reichen Schattenwirkungen der kräftigen Bauglieder und Verzierungen, besonders der breiten Mauerleibungen an Türen, Fenstern und Arkaden; im Innern auch auf der dämmernden Beleuchtung; und überall auf der Verwitterung des alten sauberen Mauer- und Meißelwerks. Erneuerungen erscheinen daran immer hart, leblos, unmalerisch.

Ungefähr dasselbe gilt von der Frühgotik, nur, dass deren Gliederformen schon viel feiner und vielfältiger sind, was die Hoch- und Spätgotik dann auf die Spitze treibt.

Zum Innenbild einer mittelalterlichen Kirche gehört die farbige Dekoration mit figürlichen Wandgemälden, die, heute verblasst und verschleiert von den Spuren früherer Übertünchung, gerade so für unsere malerisch empfindsamen Augen reizvoll sind, als „farbige Flecken“; und nicht aufgefrischt, nicht weniger in den Umrissen verstärkt werden sollten, weil sie dadurch mir um ihre Feinheiten gebracht werden. Die gotischen Glasmalereien sind durchsichtige Mosaiken, teppichartig komponiert.

Spätgotische Kirchen sind im Äußeren malerisch, dank den Strebepfeilern, namentlich am Chorpolygon, den steilen Dächern, offenen Vorhallen und den vielen Unregelmäßigkeiten der Gruppierung. Innen sind die Durch- und Einblicke zwischen Körpern und in Raumabschnitte von hellerer und dunklerer Beleuchtung so malerisch, dass der Zauber bunter Bleiverglasung entbehrt werden kann. Und reizvoll ist der Schmuck sparsam verteilter, feiner, meist bemalter Bildhauerarbeiten von ganz malerischer, momentaner und naturalistischer Auffassung. Ganz malerisch ist auch die Plastik und die Staffierung der Altaraufsätze, die in großer Zahl die Kirchen zierten. Gold und wieder Gold schimmerte von den gehäuften Falten der Gewänder der lieben Heiligen und von dem verschlungenen Astwerk der Gehäuse. Dazu kam das holzgeschnitzte Stuhlwerk und die Kleinplastik der Tabernakel, Altarbaldachine, Lettner, Taufsteine, Ölberge und Hl. Gräber, worin der Steinmetz mit dem Holzschnitzer und Erzgießer wetteiferte. Die deutsche Renaissance arbeitet in kirchlichen und weltlichen Innenräumen mit den stärksten Farbenreizen, wozu auch wieder Gold, viel Gold gehörte. Außen prangen prächtige Portale mit Säulen, Figuren und Wappen, Galerien und Altane, und auf den Türmen und Türmchen kapriziös geschweifte Hauben.

Den größten Reichtum malerischer Reize haben die Kirchen der Barockzeit, vorzüglich die katholischen, mit ihren Altaraufsätzen, Chor- und Kapellengittern, Chorstühlen und Beichtkästen und Kirchenbanken, Kanzel und Orgelprospekt. Alles eingefasst von den strotzenden Formen und blühenden Farben der stuckierten und gemalten Wände und Decken. Ein leibhaftiges Abbild des Himmels für den naiven Sinn. Diese Innenräume sind berechnet auf ein helles Licht und nicht auf farbige, gemalte Fenster mittelalterlicher Art. Auch neuromanische oder neugotische Altaraufsätze passen nicht in solch ein Innenbild.

Der Klassizismus des 18. und 19. Jahrhunderts ist die wahre Renaissance; erscheint aber im Kirchenbau als etwas Fremdes. Diese Kirchen machen meist innen einen nüchternen, außen einen langweiligen Eindruck.

Die evangelische Kirche Württembergs teilte in Bezug auf den Kultus die Einfachheit der reformierten Schweiz. Neuwürttembergische Landesteile wie die vormals hohenloheschen und ansbachischen, auch die meisten Reichsstädte, hatten mehr vom lutherischen Ritus und Kirchenschmuck. Auch hier gab es auf dem Abendmahlsaltar meist einen Aufsatz mit gemaltem Blatt und statuarischem Schmuck des Rahmens. Außerdem meist einen vorderen Altar für die Liturgie. Beide mit Brüstungsschranken eingefasst. Die Kanzel samt dem Schalldeckel und dem Treppenaufgang, dessen Eingang eine Tür abschloss, möglichst prachtvoll ausgebildet. Ebenso das Orgelgehäuse samt dem Rückpositiv jenes oft geschmückt mit Statuen von Engeln samt dem König David. Aaron und Moses oder Petrus und Paulus waren plastisch am Altar zu sehen neben dem Bild des ersten Abendmahls, die Taufe Christi auf dem Taufsteindeckel, die vier Evangelisten an der Kanzelbrüstung, der auferstandene Christus auf dem Schalldeckel, Simson neben dem Säulenfuß oder ein Engel als Träger. An den Emporenbrüstungen die Apostel und Propheten und lange Bilderreihen biblischer Geschichten oder moralisch-erbaulicher Allegorien. Und dazu die herrschaftlichen Grabdenkmäler im Chor, die Gedenktafeln der Prediger und Honoratioren im Schiff. Fürstliche Grabmäler hatten wohl die anspruchsvolle Form der Tumba, des Paradetotenbetts, in Marmor und Erz ausgeführt. Anspruchsvoll genug war meist auch das adlige Wandgrabmal mit dem statuarischen Bilde des Verstorbenen oder einer ganzen Familie, wie sie vor dem Kruzifix kniet. Gern streicht man, namentlich im Barockzeitalter, alles Holzwerk des Einbaus mit einer oder ein paar zusammengehörigen Farben. Marmorierte Bemalung ist beliebt, doch meist nicht als Imitation des Steins gemeint.

Die Pfarrkirchen waren in der Regel von dem Kirchhof umgeben, der als Gräberfeld diente und wegen seiner Mauer meist auch als Festung. Auch in die Kirchhofmauer gehört ein richtiges Hoftor, manchmal fast wie ein Burgtor ausgebildet. Es gibt alte Kirchhofmauern mit Schießscharten, Wehrgang, Rondellen und Torturm und sogar mit nassem Graben und Brücke. Nach der Reformation wurden zunächst die städtischen Friedhöfe hinaus vor das Weichbild verlegt; auch hier ummauert, mit Flachnischen oder Arkaden, worin anspruchsvollere Grabmäler Platz fanden, und mit stattlichem Torbogen. Eine schlichte, nicht zu kleine Kapelle für die Leichenfeiern durfte auch hier draußen nicht fehlen, und außerdem ein großes Steinbild des Heilands am Kreuz. Die Grabmäler schlossen sich an manchen Orten einer herkömmlichen Grundform an, in Frauken öfters der der Grabdeckplatte, an deren Kopfende hier und da, z.B. in Oehringen im achtzehnten Jahrhundert, noch ein barock geformtes Steinkreuz stand. An anderen Orten waren schmiedeeiserne oder hölzerne Grabkreuze üblich, vorzüglich auf dem Lande. Es ist nicht zu leugnen, dass unseren heutigen Geschmack die antikisierenden Steindenkmäler in Form von Altären, Säulen, Obelisken, Sarkophagen u. dergl. wieder besonders ansprechen, obwohl manche Requisiten des damaligen Gräberschmucks, so die Aschenurnen, Fackeln und der Mohn, nicht den christlichen Anschauungen und Sitten entsprechen. Ist es, weil etwas von der „Einfalt und stillen Größe“ der Antike noch im späten Abbild leuchtet? (Taf. 5. 10. 14.)

Ein großer Vorteil der alten Friedhöfe ist ihre mäßige Größe. Lieber legte man ihrer mehrere an, für jedes Kirchspiel einen eigenen, als einen übergroßen „Zentralfriedhof“.

Was ursprünglich kaum beabsichtigt war, das Heranwachsen der Zypressen, Trauerweiden, Hängeeschen und anderer Zierbäumchen vom Gräberschmuck zu großen Bäumen, hat im neunzehnten Jahrhundert unseren Friedhöfen die malerische Schönheit eines Parks und die künstlerische Stimmung eines Totenhains gegeben. Wenn der Friedhof aufgegeben wird, ist ein alter Park fertig, dem man am besten das Gepräge des alten Friedhofs lässt, zumal wenn er an einer Kirche liegt. Wenige Verkehrswege und wenige Spazierwege im Anschluss an das alte Wegenetz, weite Rasen- und Efeuteppiche um die dauerhafteren von den alten Grabdenkmälern, die dann auch nicht mehr so leicht unordentlich aussehen wie zwischen den vielen schnurgeraden Wegen.

In katholischen Gegenden sind oft die landschaftlich schönsten Punkte geschmückt mit Wallfahrtskapellen und Stationen oder kleinen Feldkapellen unter Bäumen.

Rathäuser gibt es in den Städten seit dem Mittelalter, in den Dörfern erst seit dem sechzehnten Jahrhundert und späterer Zeit. Das Rathaus enthielt in alter Zeit nicht nur die Gerichtsstube — heute Ratssaal — und die Schreibstuben und Registraturkammern, sondern auch einen Tanzboden und im Erdgeschoss eine schuppenartige, offene Markthalle, die heute meist als Spritzenschuppen dient. Der Aufgang war gewöhnlich außen, bildete mit seinem Podest zugleich eine Altane oder Kanzel und führte zunächst in einen sehr geräumigen Ern mit Säulen, Unterzügen und Deckenbalken. Den äußeren Schmuck bildete zum mindesten eine Uhrtafel und am Giebelfirst ein Glockentürmchen. Die Ratsstube war vertäfelt an Wänden und Decke, geschmückt mit einzelnen fein gemalten Fensterscheiben.

Ähnlich einem Rathaus erscheint hie und da auch das alte Schlachthaus mit offener Halle unter Wohnräumen. Ebenso die Brotlauben, Salzstadel, Tuchhallen, Zeughäuser, Münzhäuser u. s. w.

Hübsche Wachtstuben mit Kolonnaden oder Arkaden hat das achtzehnte Jahrhundert, auch anfangs noch das neunzehnte geschaffen; so auch Wacht- und Wohnhäuschen für Straßen- und Brückenwächter. Vor dem Rathaus, auf dem Marktplatz stand in der Regel ein besonders stattlicher Laufbrunnen.

Der Brunnen wurde von den Alten mit der Liebe, die er verdient, ausgebildet, vornehmlich der immer fließende Röhrenbrunnen, doch auch der Schöpfbrunnen, sowohl in der schlichten Gestalt der vorn offenen Brunnenstube, wie als Ziehbrunnen mit Kette und Rad, die die primitive Einrichtung des Schwingbaumes ersetzt haben. Doch kommt letztere heute noch auf der Alb vor. Der monumental ausgebildete Ziehbrunnen hat einen gemauerten oder kunstvoll ausgemeißelten Kranz als Mündung des Schachts und ein Radgestell von Holz, Schmiedeeisen oder Stein, das oft mit einem Dächlein abgedeckt ist. Es wurde wie auch der Schwingbaum des Pumpbrunnens Galgen genannt. Der monumentale Laufbrunnen ist entwickelt aus dem primitiven Röhrenbrunnen der Bauern, bestehend aus einem hohlen Stamm oder „Stock“ mit angesetzter Rinne oder Rohr und dem Trog, aus dem das Vieh saufen kann. Aus dem Trog wird ein Bassin von Stein oder Gusseisen, der sog. Kasten, Fischkasten. Der Stock wird zur steinernen Säule. Das Rohr wird aus Messing gegossen und gestützt von schmiedeisernem Träger. Der Brunnen wird an eine Wand oder Futtermauer gerückt, etwa in eine Nische; oder frei aufgestellt in zentraler Form, die Säule bekränzt von vier und mehr Röhren, mitten hineingestellt in den achteckigen Kasten und bekrönt mit einem Wappen- oder Heiligenbild oder später einer allegorischen Figur oder einem Fürstenbildnis. Wappen, Inschriften und Sinnbilder schmücken auch die Felder des Brunnenkastens.

Es ist wunderselten wahr, dass diese alten Monumentalbrunnen dem Verkehr im Wege stehen; sie stehen vielmehr da, wo der Verkehr sich teilt, im toten Winkel, den auch die Schulbuben für ihren Schneemann zu finden wissen. Nie stehen oder standen sie im Mittelpunkt des Platzes, immer seitab, vor einer Rückwand, und nie in der Mittelachse der Fassade eines Hauptgebäudes. Empfehlenswert ist die schweizerische Sitte, die alten Brunnen mit Blumen in Töpfen auszuschmücken. Nie sollte dem Brunnentrog das Wasser vorenthalten werden, womöglich auch dem Stock nicht der beständige Strahl.

Das Amtshaus erscheint in der Regel als ein Herrenhaus, dessen Amtsräume äußerlich nicht besonders hervortreten. Das Pfarrhaus hat wieder seinen eigenen typischen Charakter, oft auch noch Überreste von dem Pfarrhof mit eigener Landwirtschaft. Die Schule ist in der Regel ein neuzeitliches Gebäude. Das Spital ist nicht selten noch ein klosterartiges Gehöft mit Kapelle, Refektorien, kreuzgangartigen Korridoren, Zellen und größeren Stuben. Hie und da lag wohl auch die Kapelle vor dem großen Saal als dessen Vorraum, und war die Einrichtung getroffen, dass man von einigen Krankenstuben durch Fenster an den Gottesdiensten der Kapelle teilnehmen konnte.

Die Klöster sind für sich abgeschlossene Siedelungen, und geschlossen wirken sie auch als Architekturbilder, von einer hohen Gartenmauer eingefasst und einen geschlossenen Hof umfassend. Nur die Kirche ist zugänglich, und auch die manchmal nicht bei Nonnenklöstern. Ihr Turm oder Glockentürmchen aber ragt aus der Gebäudegruppe hervor als Wahrzeichen des Gotteshauses. Bei den Abteien und Prioraten, die einst Territorialherrschaft besaßen, liegt vor dem Kloster ein Amts- und Wirtschaftshof mit Ringmauer und Tor; in ihm steht auch das Gasthaus und die Brauerei. Gerade solche Höfe sind oft noch besonders altertümlich und malerisch bis heute geblieben.

Die Kelter ist gewöhnlich eine weite Halle mit verhältnismäßig niederen Wänden und hohem Dach, dessen Stuhl innen offen liegt, weiten Toren und holzvergitterten Fenstern. Darin standen bis vor kurzem überall die alten eichenen Pressen mit mächtigen Kelterbäumen. An Nebenräumen gibt es nur etwa eine heizbare Stube. Der Betrieb der Pressen mit den Spindeln, die mit Drehbäumen aufgewunden werden, entwickelt, namentlich bei nächtlicher Beleuchtung, eigenartig malerisches Leben.

Ähnlich ist die äußere Gestalt der alten Zehntscheuern, Ziegelhütten und Schafhäuser. Auch die städtischen Schießhäuser stellten sich in ziemlich typischer und meist malerischer Gestalt dar. Ebenso die Bierkeller mit Gartenwirtschaft und Kegelbahn.

Unsere alten Schlösser, die ehemaligen Burgen, sind — als Berg- oder als Wasserschlösser angelegt vor der Zeit der Feuerwaffen, aber meist umgebaut in Rücksicht auf diese. Ältere Bestandteile sind die Ringmauer mit dem Wehrgang und der Turm, der meist an der Angriffsseite und beim inneren Tore steht. Dazu gehört meist noch ein äußerer Mauerring mit Wehrgang, die sog. Zwingermauer, aus der Türme und Halbtürme vorspringen, bestimmt zur Flankenbestreichung. Um ihn zieht sich der Wassergraben. Bei Bergschlössern genügt ein trockener Graben an der Angriffsseite. Die Zugbrücke ist selten mehr erhalten, meist ersetzt durch eine gewöhnliche Brücke vom Holz oder Stein. Oft ist auch der Graben zugeschüttet, sehr zum Nachteil des ganzen Bildes. Alt ist oft auch noch das Wohnhaus des Burgherrn, der sog. Palas, meist ein Steinhaus, mit der Kemenate dem heizbaren Kaminraum und der Küche, deren Deckengewölbe in den hohen Rauchschlot mündet. Andere Wohn- und Nutzgebäude sitzen meist auf der Ringmauer und wirken, weil sie deren gekrümmtem und gebrochenem Zuge folgen, auch bei ganz schmuckloser Ausführung höchst malerisch. Dass der hohe Turm bei Bergschlössern gewöhnlich an der oberen Seite steht, ist künstlerisch vorteilhaft, erklärt sich aber aus Gründen der Befestigungskunst. Vor dem Tor lag regelmäßig ein leichter, befestigter Wirtschaftshof, die sog. Vorburg. Hier stand meist auch die Burgkapelle und später das Amtshaus.

Das Feuergeschütz hat bewirkt, dass die wichtigsten Verteidigungswerke nach außen rückten: die bombensicheren Wälle und Basteien mit ihren Kasematten. Niedrig und breit hingelagert wirken sie weniger malerisch als die älteren Wehren mit ihren Türmen, die übrigens meist auch schon für Feuerwaffen, wenigstens für Büchsenfeuer eingerichtet sind. Zur Zeit des Burgenbaus hat man wohl auch eine stattliche Wirkung beabsichtigt, vor allem aber selbstverständlich kriegerische Festigkeit. Am Ausgang des Mittelalters aber hat man offenbar den malerischen Reiz der kühn umrissenen Burgenbilder empfunden und herausgearbeitet ebenso wie den der befestigten, turmreichen Städte. Merians Zeitgenossen haben noch darin geschwelgt wie schon die Dürers. Das Malerische in der Renaissance ist mittelalterlich.

Als charakteristisches Schmuckmotiv wirken bei spätmittelalterlichen Burgen und Stadtmauern die Kleinbögen, auf denen die Wehrgänge vorkragen, in der Erscheinung wie im Zweck romanischen Simsbogenenfriesen ähnlich. Zierlich und reizvoll wirken auch die kleinen Erker mit Gußloch im Boden, die eine militärische oder auch eine noch profanere Bedeutung haben. Mannigfache, oft merkwürdige Formen zeigen die Schießscharten und Kanonenlucken. Die Schießkammern haben oft Seitensitze gleich den Fensternischen im Steinhause.

Liegt zu Füßen der Burg eine Stadt, so ist sie durch Schenkelmauern mit Wehrgängen an die Burg geschlossen. Ein einzelner Wartturm steht wohl draußen auf einer Anhöhe, von der wichtige Straßenzüge übersehen werden können.

Es ist ein romantisches Vorurteil, dass eine Ruine im allgemeinen malerischer sei als eine wohlerhaltene Burg. Malerisch ist zwar der Verfall, doch nur bis zu einem gewissen Grade; mehr noch das Vordringen der lebendigen Natur, die das Menschenwerk zurückerobert. Aber das romantische Idyll wird gestört durch moderne Arbeiten, die es erhalten sollen, auffallende Ausbesserungen, Weg- und gärtnerische Anlagen, die meist auch das historische Bild, die alten Zugänge, Sperren und Wehren, verwischen. Ohne Pflege geht der Verfall freilich reißend schnell — namentlich wenn die Bewohner nachhelfen, indem sie die Ruine als Steinbruch benutzen.

Im sechzehnten bis achtzehnten Jahrhundert liebte der Adel und das städtische Patriziat burgähnliche Paläste — dies die meist so genannten Schlösser — mit Ecktürmen und inneren Arkadenhof; ländliche Lusthäuser in Gestalt von kleinen Schlössern Ecktürmchen, Wassergraben und Zugbrücke, die doch niemand für ernsthafte Wehren halten konnte.

Die herrschaftlichen Gärten der Barockzeit haben gerade in dem jetzigen, meist überwüchsigen und halbverwilderten Zustand eine wundervolle Schönheit. Ihre Anlage ist streng regelmäßig, eine Art von Architekturnmit Heckenwänden, Baumreihen, gemauerten Teichen, Grotten, Terrassen und Brüstungen, künstlichen Kaskaden und abschließenden Arkadengängen und Glashäusern. Man ahmte mit diesen Gärten die der Welschen und Alten nach. Andere, jüngere Gartenanlagen sind den großen Waldparken des englischen Adels nachgebildet, einem Typus, der, von der Natur selbst angegeben, vielleicht unter dem Einfluss der holländischen Landschaftsmalerei ausgebildet worden war. Im Kleinen nachgeahmt, wirkt er heute oft läppisch.

Die Gärten unserer bürgerlichen und bäuerlichen Großväter haben eine eigentümliche, heimliche Schönheit. Ganz anspruchslos als Nutzgärten angelegt, in schnurgeraden, winkelrechten Linien, nötigenfalls auch in Terrassen, mit niedlichen Buchshecken um die Beete, einem Holzlattenzaun oder noch lieber einer Mauer um das Ganze, mit einer Laube oder einem Rebengang auf einem Gestell von hellgestrichenen Latten oder einem geschlossenen Häuschen, das womöglich über die Gartenmauer hinausschaut. Die Gartenmauern haben den großen Nutzen, dass sie den Wind abhalten und die Wärme speichern. Die alten, bescheidenen Gartentüren von Holzlatten gestatten nur einen diskreten Einblick blick in das kleine Paradies. Eiserne Gitterzäune sind unmalerisch, weil sie dem Auge keine Fläche zeigen. Die Alten haben wohl auch solche angewandt, dann aber zwischen Steinpfeilern und Mauern und in einer Behandlung durch den Kunstschmied, die wenigsten am oberen Saum für Ansichtsflächen in Gestalt von Blättern, Ranken und Spiralen sorgte.

Die Baukunst unserer Vorfahren erscheint uns heute besonders darum anziehend und vorbildlich, weil sie volkstümlich ist und weil sie malerisch wirkt. Volkstümlich im Sinne von national, trotz allen Anleihen bei den Alten und den Welschen, die auch sie zeitenweise, im Banne der akademischen Schule, gemacht hat; und volkstümlich im Sinne von populär; allgemein verständlich und geschätzt, muss sie zu ihrer Zeit gewesen sein, sonst hätte sie nicht in so umfassender Weise Stil sein können, Universalstil des Zeitalters. Sie konnte populär sein, weil sie sich an herkömmliche, örtliche oder allgemeine Typen hielt, die immer feiner und reicher ausgebildet wurden. Hauherren und Haumeister waren weit entfernt, Neues und Eigenartiges um jeden Preis schaffen zu wollen. Sie wollten nichts weiter, als zweckmäßig und geschmackvoll bauen, formen und bilden. Wenn in neuerer Zeit ein Bauwerk mit der Absicht malerischer Wirkung geschaffen wird, ist der Erfolg meist unbefriedigend. Man merkt die Absicht und ist verstimmt.

Das Malerische erscheint gesucht und wirkt unwahr, unruhig, geschmacklos. Die Alten haben ohne Zweifel auch in vielen Fällen malerische Wirkungen angestrebt, anziehende Blickpunkte geschaffen, kühn bewegte Silhouetten, reiche Durchblicke mit Verkürzungen und Überschneidungen. Die ganze Spätgotik ist malerische Architektur; und das Barock noch mehr, am meisten bei der inneren Ausstattung katholischer Kirchen. Plastischer Sinn beherrscht die Baukunst, sooft die Antike, der Klassizismus herrscht; malerischer, sooft unsere nationale Art sich durchsetzt.

So auch heute wieder. Malerisch ist, was sich zur Darstellung mit malerischen Mitteln eignet, in der Welt des Bauwerks ebenso wie in der Natur. In der Natur ist es die scheinbar zufällige und ungeordnete, in Wirklichkeit gesetzmäßige und harmonische Mannigfaltigkeit der Formen und der Farben. Unregelmäßige Umrisse, kontrastierende oder auch einheitlich abgetönte Farben, „Farbenstimmung“, wie Licht und Luft sie bewirken. In der Baukunst wirkt malerisch, was natürlich aussieht und charakteristisch wirkt, das Zufällige, Formen- und Farbenreiche; unmalerisch, was aus dem landschaftlichen Bild herausfällt, vielleicht gerade durch seinen Formen- und Farbenreichtum, und was den Abtönungsversuchen der Natur widersteht. Unmalerisch ist eine Drahtleitung, ein Drahtzaun, ein buntgemustertes Zementziegeldach, eine Fassade von Ziegelmosaik, das in seiner Umgebung zu bunt und zu neu wirkt, weil es gar zu dauerhaft ist, dauerhafter als die Dinge, die wir sonst zu sehen gewohnt sind. So auch ein Fußbodenbelag mit modernen Fliesen in einer altersgrauen Kirche.

Warum es den Alten besser gelungen ist, malerisch zu bauen? Vielleicht weil sie dabei weniger die Elemente alles Bauens, Zweck, Material und Technik, außer Auge gelassen haben. Unsere jüngstverflossene Baukunst war zu schulmäßig, zu gelehrt, oft unkünstlerisch und untechnisch geworden. Von den Vorfahren mussten wir erst wieder lernen, dass auch eine glatte Wand schön sein kann, dass auch das Dach künstlerisch in Betracht kommt, dass es in einem räumlichen Verhältnis zu dem übrigen stehen muss und ein wichtiges Mittel des Ausdrucks ist; und dass auch untergeordnete Dinge wie die Fensterverglasung und die Fensterläden oder die Kaminköpfe bei dem künstlerischen Ausdruck des Gebäudes mitsprechen und künstlerischer Durchbildung wert sind; ja sogar die Grundwahrheit, dass das Äußere eines Gebäudes zunächst nur die Kehrseite des Innern, dass Baukunst in erster Linie Raumkunst und in den meisten Fällen nur Nutzkunst ist.

Weil wir heute alle mehr oder weniger die Welt mit Maleraugen sehen, überall Bilder sehen, darum freuen wir uns aller unverkünstelten Natur, aller charakteristischen Staffage, darum sind wir auch empfindlich geworden gegen die Störung der Landschaft oder eines altertümlichen Architekturbilds durch unpassendes Bauwerk, gegen die Freilegung eines Baudenkmals und gegen die Ausleerung eines Innenraumes von mannigfaltiger historischer Ausstattung, gegen den Eifer um Stilreinheit und Stileinheit. Die malerische Anschauung liebt eben Stille im Raum und sieht die Dinge gern in Rahmen und vor Hintergründen, während die plastische Anschauung den Gegenstand isoliert und vom Raum absieht.

Wir sind in der Wertschätzung der Denkmäler bis zu den typischen und kleinen Dingen, den Denkmälern der Alltagskunst, vorgedrungen. Künstler wie Schwind, Richter, Spitzweg, Th. Schüz und Dichter wie Mörike und Keller haben uns diese Welt sehen und lieben gelehrt. Wir empfinden die Gemütswerte, die darin stecken, und achten die Gesinnung, die daraus spricht. Wir sehen vor unseren Augen eine Welt, aus der wir selbst hervorgegangen, eine Heimat, schwinden; nicht ohne Wehmut, aber unverzagt, in der Erwartung einer neuen, größeren Kultur, der wir entgegengehen. Wir wollen aber aus der alten Welt herüberretten, was zu brauchen ist, und das ganze Erbe der Vorfahren nützen.

Was in diesen Blättern vorgeführt wird, sind nur Stichproben aus der Fülle volkstümlicher Kunstdenkmäler, die in Württemberg heute noch vorhanden sind. Wenn diese Veröffentlichung ihren Zweck erfüllt haben wird, den Sinn für diese Schätze in weiteren Kreisen unseres Volkes zu wecken, dann wird sich erst zeigen, wie viel des Guten überall noch verborgen ist.

Hocherfreulich war doch schon der erste Erfolg unseres Aufrufs. Allen, die ihm Folge geleistet und zu der Sammlung dieser Bilder beigesteuert haben, sei hier noch einmal und öffentlich gedankt. Ein besonderes Verdienst hat sich der frühere Mitarbeiter der Beratungsstelle, Herr Regierungsbaumeister Schuster, um die Sammlung und Sichtung des Bilderstoffes erworben.