Volkstümliche Kunst aus Schwaben mit 511 Abbildungen

Im Auftrag der Königlichen Zentralstelle für Gewerbe und Handel
Autor: Schmohl, Paul (1870-1946) Architekt, Designer, Künstler. Direktor / Vorstand der Beratungsstelle für das Baugewerbe Gradmann, Eugen (1863-1927) Pfarrer, Kunsthistoriker, Denkmalpfleger. Kgl. Landeskonservator in Stuttgart, Erscheinungsjahr: 1808

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Architektur, Gebäude, Baukunst, Residenzen, Burgen, Schlösser, Klösten, Abteien, Kulturdenkmäler, Baudenkmale, Volkstum, Heimat, Rhein, Main, Donau, Mitteldeutschland, Franken, Kirchen, Münster, Württemberg, Weinberge, Dorfbilder,
Das Württemberger Land hat keine großartigen Naturschönheiten aufzuweisen, wie das Hochgebirge, die Meeresküste und die weite Ebene sie bieten; aber eine reiche Mannigfaltigkeit von Landschaften, in Alpenvorland, Schwarzwald- und Juragebirge, Keuperhügelland und Muschelkalktälern. So hat es auch in seiner Kulturgeschichte lange keine große Hauptstadt gehabt — ausgenommen etwa Ulm als Kunststadt in der Zeit des Münsterbaues; wohl aber eine erstaunliche Zahl von kleinen, heute meist abgedankten Metropolen: die Reichsstädte, fürstlichen Residenzen, Abteien und Stifte. Oberschwaben, größtenteils katholisch und vormals großenteils österreichisch, erscheint in seinen Kulturdenkmälern heute noch als eine Welt für sich neben Altwürttemberg und Niederschwaben. Rein schwäbisch ist das Volkstum nur in Oberschwaben. Niederschwaben ist halb fränkisch und das fränkische Volkstum hier halb hessisch. Württembergisch Franken ist kulturgeschichtlich ein Stück von Mitteldeutschland.

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Unsere ältesten noch im Leben stehenden Kulturdenkmäler sind die Feldfluren mit ihrem zum Teil seit Urzeiten unveränderten Anbau, ihren Markungen und Gewannen, Rainen und Wegen. Auch hier wird neuerdings vieles verändert durch die Feld- und Wegregulierungen. Ehrwürdige Denkmäler sind die Marksteine und die einsamen Mordkreuze und Bildstöcke (Taf. 50. 77), und malerisch genug sind oft die sogenannten Stellen, Bänke von Holz oder Stein zum Abstellen der Traglast (Taf. 12), die Feldbrunnenstuben und die Unterstandshäuschen oder -höhlen für die Feldarbeiter und Feldschützen; ehrwürdig und geheimnisvoll die Grabhügel und Schanzwerke längst vergangener Vorfahren aus fremdem, unbekanntem Stamm. Aber mancher Weg, den sie gebahnt haben, wird noch heute begangen; breite Schaftriebe und einsame Hochstraßen auf den Wasserscheiden.

Noch älter als sie sind zum Teil die Namen der Berge und Gewässer, Überbleibsel von Völkerschaften, deren eigene Namen längst vergessen sind.

Die bestgelegenen Weinberge des Unterlandes gehen wohl bis in die fränkische Zeit zurück. Mit ihren aufgemauerten Terrassen, zwischen denen oft der Fels im Schmucke wilder Blumen und üppigen Efeus hervortritt, ihren Staffelfurchen und ihrem hellen Grün, aus dem hier und da ein weißes Weinberghäuschen hervorleuchtet, sind sie ein bezeichnendes und malerisches Bild (Taf. 12). Im Fränkischen sind die Weinberge gewöhnlich eingefasst von mächtigen Steinriegeln, wallartigen Haufen zusammengelesener Steine. Anderswo sind die Abhänge der Hügel bis hinauf zum Saum des Waldes, der den Scheitel krönt, besetzt mit Obstbäumen, die im grünen Grase stehen. Obsthaine umkränzen meist auch unsere niederschwäbischen Dörfer, während oberschwäbische Dorfbilder oft den Schmuck hochwüchsiger Waldbäume zeigen. An den Gewässern werden die Bäume und Büsche leider immer weiter ausgerodet. Dass die malerische Regellosigkeit der Ufer durch planmäßigen Uferbau zerstört wird, muss der Naturfreund beklagen; mit ihr schwinden auch die schönen Wasserpflanzen.

Wieviel malerische Schönheit steckt in einem alten Hohlweg, den die Büsche der Wildrosen und Brombeeren und das Schlingwerk des Nachtschattens begleiten! Sieh im Felsboden die Radgeleise, Spuren des Rausperrens [Bremsketten zum Bremsen der Lastfuhrwerke] in vergangenen Jahrhunderten! Dann wieder die aufgemauerten Karrensteige an Steilhängen oder hohen Ufern, mit ihren gemauerten Brüstungen oder Holzplanken zwischen Steinpfosten (Taf. 69. 70). Schade, wenn sie durch ein modernes Eisengeländer ersetzt werden! Für den Maler kann sogar ein holperiges Pflaster Reiz gewinnen oder eine verwitterte Mauer, selbst eine schlechte Feldmauer ohne Mörtel.

Schön sind die alten Brücken von Stein mit ihren gewölbten Bogen, ihren geknickten Visieren und schiefen oder krummen Zufahrtsrampen, mit den der Pfeiler und den verschiedenen Unterbrechungen und Zusätzen der Brüstungen, als da sind Erker, Prellsteine, Rinnsteine, Denkmäler und Bildsäulen; auch wohl Bankette, Schießscharten und Zinnen zur Verteidigung. Gern hat man die Vorsprünge der Peiler überbaut mit Kapellen oder auch Verkaufsbuden und kleinen Häusern für Wächtersleute. Heute noch wird in katholischen Gegenden gern eine Bildsäule, ein Johannes Nepomuk, eine Muttergottes oder ein Kreuzherrgott aufgestellt (vgl. Taf. 13. 18. 24. 26. 28. 34. 43. 55. 62. 63. 74. 77. 78).

Nicht minder reizvoll sind die von Holz gezimmerten Brücken und Stege, besonders die gedeckten, mit Dach von Schindeln oder Ziegeln, und mit geschlossenen, bretterverschalten, auch wohl ebenfalls verschindelten Wänden, in deren Fenstern derbe Jalousien sitzen. Nach der Arche Noah wurden sie in manchen Gegenden Archen genannt (Taf. 43. 55. 70).

Dass auch ein Werk des Wasserbaus malerisch schön sein kann, haben uns die Alten genugsam gezeigt. Man sehe solch ein altes Wasserhaus mit seiner Galerie, ein Mühlwehr mit seiner hölzernen Stellfalle, eine alte Kanalschleuse (Taf. 7. 11. 20. 27. 54)! Und dasselbe gilt von industriellen Anlagen, wozu doch auch eine Wasser- oder Windmühle gehört. Die Mühlen sind ja fast sprichwörtlich als Idyllen anerkannt. Abseits gelegen, hinter Bäumen und Gebüsch versteckt, im Teich widerspiegelnd, stets belebt vom Rauschen des Wasserrades, vom Geklapper der hölzernen Triebwerke und vom dumpfen Dröhnen der Mühlsteine, von schnatterndem Geflügel und stampfenden und schellenklingenden Rossen im Hofe (Taf. 56. 65. 81). Ähnliche Reize haben aber auch die alten Sägemühlen (Taf. 65) Hammerschmieden und Eisenschmelzen, Kalköfen und Kohlenmeiler; alle Betriebsstätten der Kleinindustrie der guten alten Zeit. Aber auch manche größere Fabrikanlage aus dem 18. Jahrhundert und der ersten Hälfte des nachfolgenden, mit ihren mäßig hohen, glattgeputzten Wänden, schlichten, aber wohlausgebildeten Dächern und dem Kranze alter großer Bäume, der sie meist umgibt, wenn sie für sich stehen.

Straßen, die schnurgerade einen Berg erklimmen oder eine wellige Ebene durchschneiden, stören immer das Landschaftsbild, während auf topfebenem Boden wohl auch eine schnurrgerade Bahn am Platze ist. Die alten Bergstraßen winden sich oft ebenso bequem als malerisch am Abhang hin zur Höhe. Sie sind eben der Natur gefolgt und durch den Gebrauch selbst entstanden. Der schönste Schmuck der alten Straßen sind die Alleen, Linden oder Platanen in der Nähe der Stadt, an der Landstraße Pappeln, meist aus der Napoleonischen Zeit, oder Obstbäume, in raueren Gegenden Vogelbeeren. Nichts ist vornehmer als solch eine Allee von Linden am Zugang zum Herrensitz. Noch malerischer als die Linden wirken wegen ihrer zackigen Umrisse die Eichen; malerisch schön kann aber auch ein alter rauer Birnbaum sein. Schwarzpappeln geben mit ihren riesenhaften Silhouetten oft großartige Bilder, namentlich in Flusslandschaften. Italienische Pappeln wirken am besten, wenn sie über andere, rundliche Baume und Büsche herausragen. Laubbäume mit runden, weichen Umrissen stehen auch am schönsten zum Bauwerk mit seinen geraden Linien und harten Ecken.

******************** Erste Fortsetzung **************

01 Heilbronn

01 Heilbronn

02 Canstatt

02 Canstatt

03 Marbach

03 Marbach

04 Kloster Maulbronn

04 Kloster Maulbronn

05 Weinsberg

05 Weinsberg

06 Wimpfen am Berg, Wimpfen im Tal und Faxtfeld

06 Wimpfen am Berg, Wimpfen im Tal und Faxtfeld

07 Guttenberg am Neckar

07 Guttenberg am Neckar

08 Schwalbennest

08 Schwalbennest

09 Heidelberg

09 Heidelberg

10 Bronnen

10 Bronnen

11 Blaubeuren

11 Blaubeuren

12 Hohenstaufen & Rechberg

12 Hohenstaufen & Rechberg

13 Reissenstein

13 Reissenstein

14 Hohenurach

14 Hohenurach

16 Schloss Lichtenstein

16 Schloss Lichtenstein

16 Die Nebelhöhle

16 Die Nebelhöhle

17 Burg Hohenzollern mit Hechingen

17 Burg Hohenzollern mit Hechingen

18 Haygerloch

18 Haygerloch