Vierte Fortsetzung

Auf der entgegengesetzten Seite sprechen wieder andere Erscheinungen für eine allmähliche Temperaturabnahme des Mittelmeers. Man findet längs seinen Küsten fossile Gattungen von Weichtieren in außerordentlicher Menge, die im lebenden Zustande in denselben Gegenden nicht mehr vorkommen, sondern sich nach wärmeren Gegenden gezogen haben. Ein Umstand, der allerdings zu dem Glauben berechtigt, das Mittelmeer habe seit dem Zeitpunkte, wo die Ablagerung dieser Mollusken stattgefunden, an Wärme abgenommen.

Die Geologie beweist ferner, der Begriff von Festland schließe den einer unwandelbaren Ruhe nicht in sich. Auch unsere Kontinente sind einer fortwährenden Wandlung unterworfen. Ganze Landstriche werden sanft emporgehoben und dadurch ihre Stellung zum Meer eine ganz andere. Namentlich gilt dies von Skandinavien. Die allmähliche Hebung der schwedischen Küste ist in neuester Zeit außer Zweifel gesetzt. Ähnliches erfährt man aus der Vendée. Bei Bourgneuf scheiterte im Jahre 1752 ein englisches Kriegsschiff von 64 Kanonen auf einer Austernbank. Jetzt liegt der Wrack mitten in einem bebauten Felde, fünfzehn Fuß über dem mittleren Meeresspiegel. Jene Gemeinde hat seit fünfundachtzig Jahren über fünfhundert Hektaren Ackerland gewonnen. Port-Bahaud, wo sonst die holländischen Schiffe Salz luden, liegt jetzt gegen neunhundert Fuß im Lande. Alle diese Veränderungen sind in weniger als einem Jahrhundert vorgegangen. Dieselbe Beobachtung hat man an den südöstlichen Ländern von Europa gemacht. Der Marktflecken Deva-Wanja liegt in einer Ebene Ober-Ungarns, die noch vor fünfzig Jahren größtenteils Sumpf war. Jetzt wird diese Gegend von Jahr zu Jahr trockener und diese merkwürdige Erscheinung zeigt sich selbst in nassen Jahren. Den sprechendsten Beweis, dass hier einst Alles Sumpf gewesen, liefert das viele Rohr, das zwar noch jetzt auf vielen Stellen des trockenen Landes wächst, aber von Jahr zu Jahr in seinem Wuchse abnimmt.


Und so führt uns diese letztere Erscheinung zur Bestätigung jener Forschungen der Neuzeit, dass nämlich alle Gebirge wie alles Festland überhaupt nicht durch massenhafte Niederschläge aus dem alten Ozean — nach der früheren Ansicht — nicht durch Zurückziehen des Meers von den Gipfeln der höchsten Berge in seine jetzigen Grenzen, sondern durch die im Innern der Erde wirkenden Gewalten entstanden sei, die den Boden der Erde zu verschiedenen Zeiten hier rascher, dort langsamer emporhoben. Man weiß jetzt, dass in allen bekannten Ländern, an den Küsten sowohl, als tiefer im Lande und in den verschiedensten Höhen über dem Wasserspiegel Bänke von Sand, Ton, Kalk, voll von Schalentieren gefunden werden, welche mit den im benachbarten Meere lebenden voll, kommen übereinstimmen: Erscheinungen, die sich nur aus einer allmählichen Hebung des Landes von unten und zwar in verhältnismäßig neuer Zeit erklären. Die Annahme, das Meer ziehe sich zurück, wird schon durch den Umstand beseitigt, dass das Niveau des Meers im Hafen von Brest, wie der Meeresspiegel an der schwedischen Küste seit hundert Jahren unverändert dieselben geblieben sind. Auch aus den Anschwemmungen des Meers am flachen Küstenstrande und aus der Dünenbildung erklärt sich diese Erscheinung nicht. Nimmermehr kann durch diese Ursache allein eine Austerbank in fünfundachtzig Jahren in ein Ackerfeld umgewandelt worden sein. — Wir können uns in jener präadamitischen Zeit die Erdoberfläche nur als einen ungeheueren Ozean von heißem Wasser denken, aus dem zerstreut einzelne bewaldete Eilande hervorragten. Nach und nach hob sich das Land, die Inselgruppen verbanden sich zum zusammenhängenden Festlande und verdrängten allmählich das überwiegende Wasser. Das Leben auf der Erde begann mit den Pflanzen und zwar mit der einfachsten Form derselben. Die großen Steinkohlenlager, die sich fast überall auf der Erde zerstreut finden, sind nichts Anderes als die verkohlten Reste jener Urvegetation. Was diese urweltlichen Steinkohlenlager am meisten auszeichnet, ist die in ihnen enthaltene Menge von Farnkräutern. Von diesen wissen wir aber einesteils, dass sie auf Eilanden unendlich zahlreicher vorkommen als auf dem Festlande, andernteils, dass sie um so höher und stärker wachsen, je wärmer das Klima, je höher die Temperatur ist. Die fossilen Farnkräuter, wie wir sie in der Kreidebildung finden, sind wahre Bäume und von so mächtiger Größe, wie sie dieselbe gegenwärtig kaum noch in dem heißesten Tropenklima erreichen. Ja es würden die kleinsten jener fossilen Farnen zum Mindesten gegenwärtig das Klima des Kaps oder Australiens erfordern. Folglich kann man sich einen Begriff von der Hitze jener Inselgruppen und des sie umflutenden Urmeers machen. Ferner lebte auf diesen Inselgruppen aller Wahrscheinlichkeit nach noch kein höheres Tier, wie in diesem kochenden Meere noch kein Fisch. Die einzige Manifestation des tierischen Lebens bestand damals wohl nur aus Schaltieren. Was dieses um so wahrscheinlicher macht, ist der Zustand der Atmosphäre in jener präadamitischen Periode. Während die Tiere bekanntlich Kohlenstoff ausatmen, ziehen die Pflanzen denselben an sich. Durch diesen Wechselprozess erhält unser Luftkreis den Charakter seiner Stabilität. Bedenkt man nun, dass jene ungeheuere Vegetation der Urwelt die Menge Kohlensäure, die ihren riesenhaften Massen entsprechen musste und die nach ihrem Absterben in Gestalt von Steinkohle, Erdharz, versteinertem Holze in der Erde zurückblieb, aus der Luft schöpfte, so begreift man, dass eine solche Menge von Kohlensäure, verbunden mit jener mehr als tropischen Hitze die Urvegetation zu jener massenhaften Produktion steigern konnte, aber der Existenz des Tierlebens notwendig feindlich entgegentreten musste. Daher in jener Urwelt kein atmendes Tier. Erst als nach Verlauf von Jahrhunderten die ersten Wälder der Luft einen Teil jenes überflüssigen Kohlenstoffs entzogen, konnte schon die monströse Bildung jener präadamitischen Eidechsen auftreten, die als Amphibien ihren Respirationswerkzeugen nach weit weniger reine Luft erfordern, als die warmblütigen Tiere, deren Lungen die eingeatmete Luft so zersetzen, dass der Sauerstoff derselben zu ihrem Blute tritt, der Kohlenstoff aber ausgeatmet wird.

Der Mensch, der sich so gern als Haupt und Mittelpunkt der Erde betrachtet, schmeichelt sich mit dem Gedanken, die Umgestaltung der Erde, aus der seine Form hervorgegangen, müsse notwendig die letzte sein und bemüht sich zu seiner Beruhigung physikalische Beweise dafür aufzusuchen. Aber eben diese sprechen dafür, dass der Planet, den wir bewohnen, unaufhörlich neuen Veränderungen entgegengeht. Nur sind diese nicht mehr von so außerordentlichen Erscheinungen begleitet, als in jener vorsündflutlichen Zeit, da die bildende und schaffende Kraft, noch in ihrer ersten Fülle, unterstützt von jenem außerordentlichen Grade der Hitze und Feuchtigkeit, in so ungeheuren Massen emporwucherte. Sie musste erst in gemessenere Schranken zurücktreten, um die Zierde der Erde, den Menschen, zu gestalten. Der vorsündflutlichen Periode gehörte die Schöpfung des Menschen nicht an. Nirgends zeigen sich Spuren menschlicher Gebeine unter jenen Überresten einer riesigen Vorwelt. (Blumenbach. Cuvier.) Der ebenso zarte als biegsame Körper des Menschen ist jünger als die Erde und erst nach jenen großen Umwandlungen der Erdoberfläche entstanden. Wie dies geschehen, bleibt nach allen uns bekannten Naturgesetzen, wir mögen ausgehen von welcher Analogie wir wollen, immer gleich unbegreiflich. Genug für uns, dass die Epoche der Menschwerdung durch die Allmacht Gottes erst dann eintrat, als die Erde bis zu einer gewissen Reife und zur Bildung gefälligerer Formen gediehen war. Wer kann ermessen, wie viele Veränderungen sie erlitten, wer berechnen, wie viele Wesenreihen auf ihr entstanden und untergegangen sind, bis die edle, aufrechte Gestalt des Menschen hervortrat! Früher den Einflüssen der ihn umgebenden Natur schuhlos bloßgestellt, hat er später, gehoben durch Kultur, gestärkt durch Willen, veredelt durch Kunst, die Elemente um sich her besiegt und umgestaltend auf sie zurückgewirkt. — Denn ist auch die Erde überall des Herrn und nur als ein bestimmtes Organ im unendlichen Weltall anzusehen, der Anteil des Menschen an ihr ist ebenso gewiss göttlichen Ursprungs und wird sich deshalb auch immer siegender entfalten und nie erlöschen.