Abschnitt 9

Über die niedreren Stände
auf dem
flachen Lande in
Meklenburg-Schwerin


Merklich anders ist es in Warnemünde. Am Abende vor der Hochzeit wird von den Verwandten unter Musik und Scherz das Brautbette errichtet und nebenbei geschmauset. Sechs Kopfkissen, mit buntem Taffet und klarem Zeuge überzogen, schmücken das hohe Bette. Am Hochzeitstage ist der Bräutigam des Morgens mit seinen Beiständen in seinem Hause, die Braut mit den ihrigen im Hause der Eltern, von der Kronenfrau aufgeputzt. Darauf trinkt sie eine kräftige Eiersuppe, während der Bräutigam zur Kirche mit seinen Führern geht, und dort mit Prediger und Küster vor dem Altare singet: Wie schön leuchtet der Morgenstern Bei den letzten Versen holen zwei seiner Führer die Braut unter Musik zur Kirche; 6 Brautjungfern mit grünen Schürzen, hochrothen Bändern und schwarzen Kopfzeugen führen den Zug. - Nach der Trauung gehen alle dreimal unter Musik um die Kirche und dann zum Brauthause. Nun werden die, von der Ortsköchin, zum Theil in dem Ortskessel bereiteten, Speisen aufgetragen, Rindfleisch mit Senf, Reiß und Kümmelbrot, Fische, Rindfleisch und Pflaumen, Butter, Käse, Aepfel, Nüsse. Je sechs Mann haben eine Schüssel vor sich, die, wenn sie geleert ist, wieder gefüllt wird, und dann unter die sechs vertheilt wird, von denen jeder seinen Theil nach Hause sendet, den Reiß in ausgehöhltem Kümmelbrote (Rießkniese), selbst Aepfel und Nüsse. Der Bruder der Braut giebt den Wein und Zucker und ist Brautdiener, die Serviette am Knopfe; die Schwester deckt den Tisch und giebt das Tischtuch her. Nach dem Essen wird, wie auch an andern Orten geschieht, gesungen und dann getanzt. Punsch ist das Getränk des Nachts, nie Bier. Die heimlich sich wegschleichenden Gäste werden mit der Bahre, auf der ein Stuhl ist, wieder geholt. Des Morgens wird der Großvatertanz durch das Fenster gemacht, und um 6 Uhr ein Gericht Fische gegessen.


Dreimal des Jahres haben die Warnemünder außerdem feststehende Schmausereien, das Fastelabendbier, bei dem der Bullenvater, d. h. derjenige gewählt wird, der das Jahr über den Ortsbullen halten muß, das Gräsergeldbier, wann die Herren aus Rostock (das Gewett) der Weide wegen kommen, und an dem Tage, an dem des Voigts Heu eingebracht wird, ist das dritte Gelag.

Brunshaupten und Ahrensee i. Amte Neubukow feiern ein eigemhümliches Kirchfest. Vor mehreren 100 Jahren soll dort ein Gewitter über acht Tage lang gestanden und großen Schaden angerichtet haben. Am Tage Urban, dem 25. Mai, wenden sich die geängsteten Einwohner an jenen Heiligen, und sogleich zieht das Gewitter seewärts. An diesem Tage ist Kirche; es wird selbst nicht gefischt.

Bei einer Entbindung bedarf man nicht immer eines Stuhls, obgleich Stühle gesetzlich eingeführt sind; der Ehemann nimmt häufig die Kreißende auf den Schooß. Es wird ihr, um das Gefühl für Schmerz zu betäuben, Franzbranntwein in Menge gereicht, und nach der Entbindung Brotbrocken in Butter gebraten, um die Eingeweide geschmeidig zu machen. An manchen Orten bestreicht man mit den Secundinen die Brustwarzen (z. B. bei Rostock); im Amte Dargun pflegt man damit Brust und Gesicht der Mutter zu salben, ohne nachher die Feuchtigkeit abzutrocknen. Auch verbrennt man hin und wieder die Secundinen, und giebt die Asche Kranken ein. Wollen sie nach der Entbindung nicht erfolgen, so muß sich der Mann den Bart abnehmen und denselben nebst der Seife der Frau eingeben. Eine Hose, auf das Bette gelegt, schützt gegen Nachwehen. Von einem ruhigen Verhalten nach der Entbindung ist gar nicht die Rede; daher häufig kränkliche Frauen. - Zwillinge hält man gewöhnlich für ein großes Unglück. - Das Kind wird, sobald als thunlich, getauft, aus Furcht, es möchte sterben und dann als Irrlicht ewig umherhüpfen (bei Neustadt), und auch aus Sparsamkeit, weil bis zur Taufe des Nachts die Lampe brennen muß, damit die Unterirdischen (besonders bei Rostock) es nicht stehlen und einen Wechselbalg hinlegen. Drei Gevattern sind gebräuchlich, die am Tauftage bei den Eltern des Kindes speisen. Bei unehelichen Kindern Gevatter zu stehen, ist anderswo zuweilen glückbringend; zu Warnemünde aber pflegen sie dann, den Kopf mit einer Schürze verhüllt, über die Straße zu gehen. Das Kind darf bei der Taufe nicht geschüttelt werden, weil ihm die Kleidung sonst nachher nicht hält. Gewöhnliche Namen sind Johann, Jochen, Hinrich, Carl, Friederich, Niklas, Christoph, Christian, Dethlof, zu Warnemünde Jacob, contrahirt Jap, -Anna, Maria, Sophia, Catharina, Dorothea, Friederika, Margaretha, Elisabeth Häufige Vaternamen sind Möller, Schmidt, Schneider, Schuhmacher, Weber, Zimmermann, Vaigt, Jäger, Awe (Ofen), Bär, Ebert, Hahn, Hase, Roß, Voß, Wolf,Düwel, Engel, Radder, Wiegert, Sachse und Sasse, Wendt, Westphahl, seltener Dütschmann. - Nach 6 Wochen geht die Mutter zur Kirche in Begleitung einer oder 6 Frauen um den Altar und opfert; setzt sie sich ohne Weiteres in den Stuhl, so bezahlt sie mehr.