Abschnitt 8

Über die niedreren Stände
auf dem
flachen Lande in
Meklenburg-Schwerin


Die größte aller Festlichkeiten ist eine Hochzeit, die auf Höfen gewöhnlich zum Erntebiere aufbewahret wird. Hier sei die Rede von einer Bauerhochzeit. - Nicht leicht verspricht sich ein Bauer mit einer Kathentochter; es ist unter seinem Stande. Nach dem Wunsche der Eltern darf er nur eine solche wählen, deren Bruder seine Schwester nimmt (Tauschfrei). Gewöhnlich macht ein Jahrmarkt das Verlöbniß, und er schenket seiner Künftigen dann bedeutungsvoll ein blankes Gesangbuch. Die Hochzeit pflegt im Herbste zu sein. Einige Tage vorher reitet ein unverheiratheter Freund als Hochzeitenbitter aus. Alles ist mit flatternden Bändern an ihm geschmückt und mit schimmernden Sträußen; selbst die Peitsche über den Schultern, ja den Kopf und den Schweif seines Rosses schmücken tiefrothe Bänder. Langsamer draußen reitend, jagt er jauchzend durch die Dörfer. Nicht bloß auf die Diele, auch in das enge Stübchen reitet er hinein und schnattert mit entblößtem Haupte seine Formel her; ein Glas Branntwein ist überall sein Lohn.


- Am Donnerstage Abends wird die Mitgift der Braut zum künftigen Wohnsitze, wenn möglich, hingeblasen, und dann wird getanzt. Diese Nacht gehört dem Bräutigam, aus Furcht, es möchten, durch Arglist böser Leute (Hexen) während der Trauung, späterhin Kinder fehlen. Am Freitage ist die Trauung, in einigen Kirchspielen in der Kirche, in andern gewöhnlich im Pfarrhause, und bei großen Hochzeiten im Bauerhause. In den Domainen muß die Frau des Predigers die Braut aufputzen. Eine oder zwei Schärpen um den Leib, ein weißes Kragentuch, mit vielem Grün benäht, mehrere Halsketten, und auf dem Haupte gleich einem Vogelneste die blanke Krone - das ist der Schmuck der jungfräulichen Braut. Alles Haar wird so viel als möglich durch blanke Blumen versteckt, auch ein Theil der Aermel, die Brust; selbst auf dem Rücken fehlt Flittergold nicht. In Warnemünde wird der Braut ein blankes, an den Ohren dicht anschließendes, Kopfzeug aufgesetzt, und vorne mit einer blanken Nadel befestigt; obenauf ist die Krone, an deren Vorderseite ein Spiegel sich findet. - Schwarz ist Rock und Jope, weiß gewöhnlich die Schürze; an jeder Seite derselben hängt ein seidenes Tuch nieder, oft auch mehrere. Ihre Führer sind 1 oder 2 Brautfrauen, 2 Ehemänner, 2, 4, ja 8 Brautjungfern, und bei Trauungen in der Kirche im Amte Dargun außerdem noch 2 unconfirmirte Mädchen (Nibben), die vor der Braut her um den Altar gehen, - alle Jungfern auch mit Schärpen und blankem Putze unter dem Mützenstriche und auf den Aermeln versehen. Den Bräutigam führen ein oder zwei Ehemänner (Trauführer) und eine ledige Mannsperson. Die Trauung im Hause geschieht gewöhnlich auf der großen Hausdiele. In der Mitte derselben ist (z. B. bei Doberan, anderswo mit geringen Abweichungen) ein Tisch mit einer großen Schüssel zum Opfern für den Prediger, hinter dem Tische zwei Stühle die Lehne gegen denselben. Vor dem Ringewechseln steht die Braut zur Rechten des Bräutigams neben den Stühlen, die Führer um sie her, die Jungfern hinter ihr; wenn aber die Ringe gewechselt werden sollen, tritt sie zur Linken des ihr sich nähernden Bräutigams. Auf der andern Tischseite stehen Prediger und Küster, die Gäste, wo sie wollen. Vor und nach der Handlung wird gesungen. - In einigen Gegenden, z. B. bei Bützow, Dargun, wo die Trauung gewöhnlich in der Kirche geschieht, wird bei der Rückkehr der Braut unter alle der Brautkuchen, doch nicht immer, vertheilet, von dem die Braut zuerst drei Stücke abzubeißen und aufzubewahren pflegt, um bei künftiger Schwangerschaft in der Lüsternheit daran zu nagen, da es dann den Geschmack des Gewünschten wundersam an sich hat. Alle küssen sich darauf (Bützow), da zur andern Zeit Küsse und Umarmungen (sick in dei Keiwen fallen - sich in die Kiefern fallen, d. h. sich umarmen) selten sind. - Nach der Trauung geht es sofort zu Tische. Die Braut muß mit den jungen Leuten auf der Diele essen, und der Bräutigam mit dem Hochzeitenbitter aufwarten. Speisen sind: dicker Reiß, Fische, Schwarzsauer, d. h. Schweinefleisch in dem Blute mit Essig gekocht, und Grapenbraten, hin und wieder auch Hühnersuppe, Hühnerreiß, Gänsebraten. Zuweilen wird zur Fischleber gereimt. Während des Essens bitten die Köchinnen auf einem Teller voll Salz sich eine Gabe, indem sie vorgeben, es sei die Schürze verbrannt. Die Braut steckt (bei Dargun) dem Hochzeitenbitter ein seidenes Tuch heimlich als Geschenk auf die Schulter, und derselbe danket nach dem Essen vom Stuhle den Gästen (ebenda). Beim Aufstehen wünscht man sich gegenseitig mit Handgeben eine gesegnete Mahlzeit. Dies Handgeben ist so gebräuchlich, daß auch zur andern Zeit Niemand kommt oder sich entfernt, Niemand dem Andern ein Glas zutrinkt, ohne die Hand zu geben. - Nun wird auf der Diele wacker getanzt, gewöhnlich auch noch des Sonnabends bis zum Sonntage. Dann ist Kirchgang, und zuweilen wird dann noch getanzt bis zum Montage, ja selbst bis in die folgende Nacht. Bei Dargun dauert die Hochzeit nur einen Tag. - Die zahlreichen Gäste quartieren sich in die Häuser ein; jeder hat ein Geschenk mitgebracht, z. B. Butter, Milch, ein Huhn, eine Schüssel; jeder Arme wird gesättigt. Bei Bützow muß die Braut bis zum Sonnabend Abend die Krone aufbehalten und darf so lange nicht zu Bette; anderswo wird sie schon Freitags abgetanzt im sogenannten Rückelreih. Zwei junge Kerle nehmen die Braut in die Mitte; um sie schließen die Jungfern einen Kreis, um diese Andere andere Kreise. Im letzten und äußersten Kreise haben zwei Männer sich einander nicht angefaßt; er ist also auf dieser Stelle geöffnet. Der eine von diesen beiden Männern reitet auf einer Gaffel, und der andere treibt ihn mit knallender Peitsche. Nun drehen sich alle Kreise tanzend, der äußere stets nach einer Richtung; der Bräutigam muß sie mit Gewalt durchbrechen, um seine Liebste zu gewinnen. Dann ändert sich plötzlich die Scene; der Bräutigam schützt die Braut; die Kreise bewegen sich wieder, und mehrere Weiber drängen an, um die Braut zu erhaschen, die sie daraufin die Kammer schleppen und ihr die Krone abpflücken, von der oft schon ein Theil im Gewirre unter die Füße gekommen ist. Nun erhält die junge Frau die schwarze Mütze. Beim Kirchgang geht die Braut wie eine Sechswöchnerin (siehe unten) um den Altar, aber geputzt mit den Resten der Krone. In einigen Gemeinden bleibt die Krone unversehrt.