Abschnitt 7

Über die niedreren Stände
auf dem
flachen Lande in
Mecklenburg-Schwerin


Die vielen Flüsse, Seen und Sölle (kleine stehende Gewässer, vielleicht vom wend. Worte Sal, Fischteich, herstammend) geben Gelegenheit zum Fischfange, wobei man sich der Angel, der Reusen, der Bungen, der Wade, des Kessers (ein Stangennetz) bedienet. Aale fängt man vornämlich bei Mühlenteichen in den Aalkisten, und in der Ostsee entweder mit Aalschnüren, oder mit langen Stangen, an deren Enden Widerhaken sind, womit man den Wassergrund durchsucht. - Zu Wasserfahrten bedient man sich häufig schmaler Kähne ohne Kiele, deren Seitenbretter fast senkrecht auf dem horizontalen Grundbrette stehen, - oder man hat Boote, die durch Segel und Ruder getrieben werden, und auf der Ostsee große Boote, Jöllen genannt, vorne und hinten spitz. Die Ruder heißen Remen, die Stifte zur Befestigung derselben Dollen. In großen, viereckigen Fahrzeugen (Prahmen) werden auf den Füssen Holz, Korn, Steine verfahren.


Weil der Bauer von früher Jugend an schwere und einförmige Arbeiten treiben muß, so ist er gemeinhin sehr steif, aber oft unerwartet kräftig, ohne sich dessen immer bewußt zu sein. Wer nicht 6 Scheffel Korn Rostocker Maaß, etwa 360 bis 380 Pfund, zu tragen vermag, wird für schwach, und unfähig, ein Pferdeknecht zu werden, gehalten. Brüche sind häufig. Verkrüppelte werden Schneider. - Sehr oft ringen die stärkeren mit einander, indem zwei sich umarmen (faten - fassen) und sich einander niederzuwerfen suchen, wobei besonders das Emporheben (Bostsmät - Brustschmiß) hilft, oder indem zwei sich, an den Kragen fassend (Bostfaten - Brustfassen), mit den Armen niederzureißen bemüht sind. Zuweilen wird auch in die Wette gelaufen, und ein Pägel oder ein Pott Branntwein macht die Wette.

Hauptgelage (Beir - Bier, Köst - Brotrinde, dann Gastmahl, Häg - Fröhlichkeit, von hägen - lachen herstammend) sind: Fastelbeir vor den Fasten, Pingstbeir nach Pfingsten, Austbeir nach vollbrachter Ernte, oder Fastelköst, Pingstköst, Austköst. Dann wird getanzt, gescherzt, getrunken, auch wohl gegessen. Eine Violine, wenn's hoch kommt, ein Klarinet, und eine uralte Baßgeige, die jeder streicht (treckt - zieht), der will, machen die Musik. Sie kreischen laut auf; wie unwillkührilch bewegen sich die Füße. Dies Kreischen überwältigt sie mitten im Tanze, und der Venus wird dann späterhin meistens sehr reichlich geopfert. Dann und wann entspinnen sich Schlägereien, nicht grade aus Eifersucht, sondern aus Uebermuth der Berauschten. Der Tänzer läßt gemeinhin die Pfeife nicht ausgehen und den Hut nicht vom Kopfe, um sich recht würdig zu zeigen. Jeder, auch noch so beschränkte, Platz genüget. Ihre Tänze werden jetzt sehr durch Walzer verdrängt; sonst wählt man auch die große und kleine Acht, den Acht-, Vier-, Drei- und Zweitourigen, den Küssertanz, Klappertanz, Katz und Maus, sieben Sprünge, englisch Geck, Schuster-, Schneider-, Weber-, Scharfrichter-, Barbier-, Großvater-, Schäfer-, Pfannkuchen-, Gucker- (Kieker-), Windmühlen-, Küchentanz, Numero 8, preußisch Nummeré, Puckelkatrell (Rückenquadrille), lang Englisch, Hanacksch, Russisch Beliebte Touren sind: schän dör und stolz. Bei der ersteren Tour tanzen 4 Personen kreuzweise durch einander hin; bei der letzteren gehen sie, die Hände in die Seite gesetzt, im Kreise herum. - An Festtagen, an denen nicht getanzt wird, spielet man Pfand, Holtendröller mit Nüssen, Mann und Frau, ick sitt, ick sitt, up wän sien Glid (ich sitz, ich sitz, auf wessen Glied), jagt den Dritten In den Karten spielt das ernstere Alter Solo und Scherwenzel, Brausebart, Schaafskopf und Hund Kinderspiele sind im Frühlinge Kuhlsäg (Grubensau), wobei ein hölzerner Ball von einem Knaben mit einem Stecken unter dem Widerstande anderer in eine Grube gehütet wird, Kliew (bei Brandenburg Kliesk genannt), wobei ein Stückchen Holz, das auf einem in der Erde steckenden Stabe ruht, mit einem Stocke in die Höhe geschlagen und von einem Knaben im Hute aufgefangen wird, zur andern Zeit auch Sonn und Mond, Kükewieh (Küchlein und Weihe), Westenbrügge, Buck, Boll, Papöken, Ruthen fief her - In Bauerdörfern, die nicht auf Hufen liegen, d. h. wo der Bauer nicht eine, von den übrigen abgesonderte, Hufe besitzt, haben die Pferdehirten Pfingsten ein Fest, dei Gill (Gilde). Ein Krähennest oder lebendige Krähen werden an eine Stange gebunden, mit der, wie mit einer Fahne, sie im Dorfe von Hause zu Hause ziehen, und in einem Reimel Brot, Milch, Bier und Branntwein sich bitten. Im Felde wird darauf Alles verzehrt, wobei sie hin und wieder nach einem Kranze reiten - Weddbahn jagen.

Nach vollbrachter Ernte ist das Erntebier besonders auf Höfen ein glänzendes Fest, das die Gutsherren oder Pächter ihren Dienstleuten geben. Dann wird auf dem Hofe gegessen, getrunken, getanzt bis in die späte Nacht, wobei zuweilen Verkleidete erscheinen. Das ganze schwere Jahr hindurch freuet sich der gemeine Mann (lütt Mann) zu dieser Feier.