Abschnitt 6

Über die niedreren Stände
auf dem
flachen Lande in
Mecklenburg-Schwerin


Im Sommer wird fünfmal des Tages gegessen, Morgenbrot, Kleinmittag (Hochimt), Mittag, Abendbrot, Nachkost; im Winter nur dreimal. Schwarzes Roggenbrod, Kartoffeln, Milch- und Mehlspeisen, Backobst, Kohl, Erbsen, Bohnen, Saubohnen (grot' Bohnen), Schwein- und Gänsefleisch, eingepökelt oder geräuchert, sind gewöhnliche Speisen; daher schlachtet in den besseren Gegenden auch der Aermste sein Schwein und einige Gänse. Zweimal in der Woche, Sonntags und Mittwochs, wird gekocht und Fleisch gegessen; an den übrigen Tagen wird das Essen aufgewärmt, und entfernte Arbeiten nötigen den Tagelöhner oft wochenlang aus der kalten Kiepe von Brot und Speck zu leben. Zu Hause wird schon zum Morgenbrot brauner Kohl, Erbsen in Bier, Kartoffelsuppe (Suppkartoffel), Graupen in Buttermilch, aufgewärmt verspeiset. Das Gänsefleisch wird von den Wohlhabenden mit dem Blute sauer eingekocht und vom Herbste zur kommenden Ernte aufbewahrt. Lieblingsspeisen sind Semmel (Stuten), Klöße und Backbirnen (Klümp und Backbeeren), Pfannkuchen, dicker Reiß, Grapenbraten, d. h. Rindfleisch mit allerlei Backobst (Backbirnen und Backäpfeln - Backbeerenun Appelbackbeeren) in eisernen Grapen gebraten. Wie in Walhalla nach der Edda der gebratene Sährimer der Lohn der Enheriar ist, so wird noch jetzt Schweinsbraten jedem andern vorgezogen. Der Bauer sagt: Gausbrad sall de best sien, un Swiensbrad is't. Wasser hält man für ungesund; ick mag't nich in die Schauh hämmen - ich mag's nicht in den Schuhen haben. sagt der Bauer. Jeder sehnt sich nach Bier, das aber süßlich schmecken muß; daher wird es häufig mit gelben Wurzeln (Daucus Carola) versüßt. Das sauer gewordene wird hin und wieder in eine Tonne neben dem Feuerheerde gegossen, um sofort Essig zu den Speisen zu haben. Kaffee trinken nördlich wenige, und diese werden verlacht; doch trauen sie demselben unbegreifliche Kräfte zu; allein südlich, z. B. bei Grabow, ist Cichorien-Kaffee allgemein. Seit der Branntwein wohlfeil ist, trinkt auch der dürftigste ihn; er ist ihnen, wie Scorpionöl, ein Mittel wider alle Krankheiten.


Die gewöhnliche Beschäftigung ist Ackerbau und der damit verbundene Betrieb. Die Pachthöfe halten zu dem Zwecke außer den Kathenleuten mehrere Pferdeknechte, einen Ochsenknecht, einen Jungen, Haus- und Außenmädchen (Butendierns); der Bauer nach der Größe seines Ackerwerks einen oder zwei Kathenleute, einen Großknecht, einen Halbknecht, Großjange und Kleinjunge (Lüttjung), Großmädchen und Kleinmädchen, von denen jeder seinen Rang und sein Geschäft weiß. Pferdeknecht oder Großknecht zu werden, ist das höchste Ziel der Jünglinge. - Der Acker ist meistentheils in 7 Schläge getheilet, die zuweilen wie Koppeln eingehägt sind; 3 werden besäet, 1 als Brache, 3 als Weide benutzt. Die Wintersaat bekommt in besseren Gegenden 4 Furchen: Dreesch-, Brach-, Wende-, Saatfurche (Dreisch-, Brak-, Wenn-, Saatfohr), die erste Sommersaat 3, die zweite 2 Furchen. Gemergelt wird von den Klügern. - Ziemlich allgemein wird mit Ochsen gepflügt (gehakt). Der sehr zweckmäßige Pflug (Haken) ist außer der Schaar ganz von Holz, ebenso die hölzernen Eggen. 5 Kühe, 6 Pferde und viel Jungvieh machen mit den 20 Schafen und 4 - 8 Schweinen den gewöhnlichen Viehstand aus. - Zwei Blockwagen mit geringem Eisenbeschlage und ein wohlbeschlagener Stadtwagen sind das kostspieligste Geräthe. -Die Pferdesielen sind gemeinhin sehr unvollständig, z. B. bei Levin, Doberan . oft ohne Söltel ., so daß das Pferd beim Zurücktreten sich selbst frei machen kann. Des Sommers werden die Pferde von Knaben gehütet, die auf dem ersten besten ohne Zaum die übrigen durchs Dorf treiben. Dann kann der Bauer seine Kinder nicht täglich zur Schule senden,weil er anders keine Hirten hätte. Zur Vorbereitung auf eine weite Reise werden die Pferde die Nacht vorher durchgefüttert; sind sie im Begriff einzuschlafen, so werden sie durch einen Peitschenschlag wieder munter gemacht. Ist ein Pferd dumm, so heißt es: es studird. Die Ernte ist die schwerste, aber liebste Arbeit. Dann wird besser, oft im freien Felde, gegessen und getrunken, und die meisten Geburten dürften sich von dieser Zeit herschreiben. Dann schenkt der Schnitter (Mäher) seiner Binderin eine Harke, in einigen Gegenden mit farbigem Wachse bunt gemacht, sie ihm dagegen zuweilen einen blanken Erntekranz (Austkranz) auf den Hut. Lustig zieht man aus, singend kommt man heim. Lieder und Melodien liefert der Liederhändler auf Jahrmärkten. Müssige Zuschauer oder neckende Reisende werden gestrichen oder gebunden. Ersteres geschieht von den Männern, welche vor den Fremden, die Hüte auf den Sensen, hintreten, diese mit dem Streichholze schärfen und sich in einem Reimel eine Gabe erbitten; letzteres thut ein Mädchen, das um den Arm des Zuschauers ein Strohseil mit den Worten bindet:

hies bring' ich ihn'n ein Kränzelein,
damit soll'n Sie gebunden sein,
und wollen Sie wieder erlöset sein,
so mäuten Sie mi ‘n lütt' Bescherung gäwen,

d. h. so müssen Sie mir eine kleine Bescherung geben.

Das Flachsbrechen (Brachen) ist eine Abendpartie der jungen Leute im Herbste. - Im Winter dröscht der Bauer mit seinen Leuten des Morgens frühe sein Korn aus; in neuern Zeiten aber läßt er dies oft durch seinen Kathenmann, etwa um den 16ten Scheffel, thun, während die Tagelöhner auf den Pachthöfen gewöhnlich um den 17ten dröschen. In dieser Jahreszeit spinnen die Frauen, oder weben auch zum Theil, besonders bei Grabow, Stavenhagen. Eine solche Weberin heißt Knäbsch.