Abschnitt 14

Über die niedreren Stände
auf dem
flachen Lande in
Meklenburg-Schwerin


Dies Platte ist mit dem Englischen vielleicht näher als andere platte Mundarten, die im Holsteinischen herrschende etwa ausgenommen, verwandt, wie man aus manchen Formen und Wörtern z. B. was, black, down, little, girl im Platten: ick was, Black (Dinte), duhn (nahebei), lütt, Göhr (Kind, im westlichen Meklenburg aber wie im Holsteinischen ein kleines Mädchen) wahrnimmt; es ist zum Verstehen alter Urkunden und Gedichte so geeignet, daß man oft nicht bloß einzelne Wörter, sondern ganze Sätze wieder zu finden glaubt; es ist von allen platten Mundarten am wenigsten durch fremden Einfluß geändert - Gründe, welche zu der Behauptung führen dürften, als sei diese Mundart dem Urstamme aller germanischen Sprachen am nächsten, wie auch Kinderling dasselbe überhaupt schon vom Platten vermuthet (siehe dessen gekrönte Preisschrift). Und nur hin und wieder scheint das Slavische einigem, freilich sehr geringen, Einfluß zurückgelassen zu haben, eine Vorneigung zu gewissen Tönen in der Aussprache (man vergleiche das häufig für g gebrauchte j, das oben erwähnte unreine n und r, das au, ei mit dem böhmischen g, n', r' au, ey z. B. n'ikdy, r'jpa, gak, saud, meydlo Negedlys böhm. Grammatik), und einige wenige Wörter: Pietsche- peitsche (bic c ), Dätz - Kopf, näwrig - eigennützig (newz c ily), Lootse (Lod'-Schiff), Pracher - Bettler (prach - Staub, Schmutz), Slaw-großer Mensch, Sood-Brunnen (sud), Wuhrd - Ackerwerk beim Hause (worati - ackern) u. s. w.


Zur Uebersicht der Verwandtschaft des Platten mit dem Hochdeutschen in Hinsicht einzelner Wörter mag folgende Tabelle dienen:

das Hochdeutsche bleibt oder wird im Platten a - - - - ä, o, äu, ö

Beispiele sind: Zahn - Tähn, halten - hollen, fahren - fäuern, Alter - Oeller, Paar - Poor, Thräne - Thran, mähen - maihen, Härchen - Hörken, Gedärme - Gedirm, Baum - Bom, glauben - glöwen, Haus - Hus, räubern - röwern, Mäuse - Müs, Flecken - Placken, Leben - Läwen, zehn - tein, mehr - mihr, Pferd - Pfierd, fremd - frömd, Heerde - Haud, Heerd - Hierd, geheißen - häten, Kleid - Kled, dein - dien, heulen - hulen, Leute - Lüd', geglichen - gläken, Milch - Melk, glich - gleik, gewinkt - wunken, immer - ümmer, spielen - spälen, die-dei, Spiel- Spil, schieben - schuwen, riechen - rüken, soll - sall, Sohn - Sähn, Wolle - Wull, Loos - Lott, Moos - Muß, Oefen - Awens, hören - hüren, Nuß - Nät, gut - gaud, Fuder - Fauder, fluchen - flöken, Uebel - Aewel, hüten - häuden, betrügen - bedreigen.

Was die Consonanten betrifft, so wird b in der Mitte und am Ende eines Wortes ein w: leben - läwen, Leib - Liew; ch wird r oder ck: ich-ick, fällt weg in: Ochs, Wachs, sechs - Oß, Waß, sös, bleibt vor t: Licht, und wird zwischen 2 Vocalen verdoppelt: Leder - Lädder, oder tönt in r über: Erde - ier, verliert sich nach n und l: Kinder - Kinner, Felder-Feller; f wird gewöhnlich p: Flecken - Placken, wird einmal ch: Luft - Lucht; g bleibt, wird verdoppelt: liegen - liggen; h und j bleiben; k wird g: Rücken -

Rüggen, bleibt übrigens; l bleibt, verliert sich in: sollst -schast oder sast; m, n und p unveränderlich; pf wird stets p: Pfund-Pund; qu wird einmal dw: queer-dweer; r bleibt häufig, wird zuweilen s: verlieren-verleisen, und verschwindet in: mir-mi; s bleibt im Anfange, wird ss: diese - disse, wird t: das - dat, wird sch: Wiese-Wisch; ss bleibt zuweilen, wird t: essen - äten, wird tz: Messer - Metz; sch bleibt zuweilen, verliert sich vor w: Schwein - Swein, verändert sich im Munde einiger Menschen in sk: Fisch - Fisk; st bleibt gewöhnlich, wird s und ß: ist - is, Mist - Meß; ß wird fast immer t: reißen - rieten; t bleibt selten, t und dt werden gewöhnlich d: rathen - radhen, Städte - Städer, t fällt weg in: nicht- nich, Alter - Oeller; v und w unverändert; z bleibt: kratzen, wird d: Zwang - Dwang, wird ss: hetzen - hissen, wird gewöhnlich t: zahm - tam.

Das e kann in den meisten Fällen apostrophirt werden, auch mitunter i, ei, und ie, z. B. wat ‘s dor? ‘n' fruh. -

Genitiv und Dativ fehlen. Ersterer wird umschrieben, z. B. den Mann sien Fruh, oder dei Rock van den Mann - beides mit sehr verschiedener Bedeutung; der Dativ wird durch den Accusativ oder durch die Präposition: för - für, ausgedrückt. Die 5 Declinationen unterschieden sich durch die Bildung der Mehrzahl. Die erste bildet die Mehrzahl durch Umlaut: dei Dochter, dei Döchter; die 2te durch ein angehängtes en oder n: Arft (Erbse), Arften; die 3te durch ein angehängtes s: Hahn, Hahns, die 4te durch ein angehängtes er: Dörp (Dorf), Dörper; die 5te durch Umlaut und ein angehängtes er: Fat (Faß), Fäter. Als anredendes Pronomen gebraucht man: du, ji, hei und sei; das hochdeutsche Sie drängt sich aber immer mehr ein. Die Verba haben kein Particip. Act., kein Fut. Conj.; dem Partic. Pass. fehlt die Vorschlagsylbe ge. Der Conjunctiv wird durch mögen. umschrieben, oder auch eigens gebildet. Es giebt nur 1 Conjugation; aber 155 Verba bilden Imperf. und Partic., zuweilen auch die 2te und 3te Pers. Sing. Präs. Ind. auf eine eigene, jedoch nicht immer ganz regellose, Weise. 105 von diesen irregulairen Verben haben außer dem gewöhnlichen Imperf. Indic. noch ein zweites, das gewöhnlich durch Umlaut aus jenem gebildet wird. Dies Imperf. II. wird gebraucht, wenn ein relativer Satz mit as, dor, wenn damit verbunden ist, oder in Gedanken zurückbleibt, z. B. ick wier in Hamborg (nicht: ick was), as dei Franzos dor ankeim (nicht ankam), d. h. ich war in H., als die Franzosen dort ankamen; ick släug em (nicht: slaug), as hei dor so jäug (nicht: jaug), d. h. ich schlug ihn, als er dort so jagte.