Abschnitt 15

Über die niedreren Stände
auf dem
flachen Lande in
Meklenburg-Schwerin


Sehr erklärlich wird dies Imperf. II. ungleich häufiger gebraucht, als das Imperf. I.


Eine doppelte Verneinung verneint recht kräftig, z. B. nüms nich - Niemand, narens nich - nirgends. Von den Präpositionen sind achter - hinter (vergl. das engl. after), mang - unter, jünt und tens - jenseit, bemerkenswerth; tens bezeichnet, daß der jenseits befindliche Gegenstand der Länge nach queer vorliege, z. B. tens dei bäk liggt dat Hus - jenseit des Baches liegt das Haus der Länge nach queer vor. -

Die Menge der Interjectionen ist zahllos; noch immer werden neue gebildet. Sie sind zum Theil Substantiva und Verba geworden, z. B. husch, haps, dei Husch, dei Haps, huschen, hapsen. Einen gleichen Ursprung haben ojehen: hei ojehet so väl (von o Jesus.), bumsen, dunsen, brummen, butzen, bullern, ballern, kloppen mit ziemlich verschiedener Bedeutung. Daher die unendlich vielen Onomatopoien.

Was die Stellung der Worte betrifft, so liebt man die Voransetzung des Wortes, welches den stärksten Nachdruck hat. Das veranlaßt häufige und mannigfaltige Inversionen, welche dem Platten eine große Modulation und einen lebhaften Ausdruck geben, aber jedesmal den Sinn der Worte in etwas ändern. Fast kein Gespräch wird unter Bauern geführt, in dem nicht eine Menge Versetzungen vorkommen.

Einzelne Wörter haben im Platten einen andern Sinn als im Hochdeutschen. So bezeichnet z. B. Leidenschaft: eine Trübsal, gemein: herablassend; Wesen, Natur, Leben haben einen sehr unanständigen Nebenbegriff; Lebensart bedeutet hin und wieder Lebensbedürfnisse, und im östlichen Meklenburg wird nicht selten der Begriff von hochmüthig und großmüthig vertauscht.

Die unzähligen Apostrophirungen der schon an sich wenigsylbigen Wörter, die weiche Aussprache einzelner Buchstaben, die keine besondere Thätigkeit der Organe erfordert, und die vielen Inversionen machen es begreiflich, daß der Platte das Gedachte mit einer Schnelligkeit hervortreten läßt, wie vielleicht in keiner andern Zunge. Im langsamem Munde eines betagten Bauern scheint es freilich nicht immer diesen Charakter zu haben, wohl aber in dem rascheren Munde besonders der weiblichen Jugend. Der Reichthum an eigenthümlichen, in den übrigen deutschen Dialecten nur zum Theil in der Ableitung gefundenen, oft auch denselben ganz entfremdeten Wörtern, welche eine rechte Vorrathskammer an Terminologien für Kunst und Gewerbe genannt werden können, die tägliche Vermehrung derselben durch Onomatopoien und auf andern Wegen, dievielen bildlichen und sprichwörtlichen Reden, welche eine Fülle von Nebenideen hervorrufen, die ganz gewöhnlichen Inversionen der Rede, alle mit ihrer eigenen Deutung, und endlich die Einwirkung des Accents auf Quantität machen das Platte ohne Zweifel zur Poesie ganz passend, und die große Gemüthlichkeit, welche demselben innewohnt, da es im Munde eines gemüthlichen Völkchens angewachsen ist, giebt den platten Versen eine liebenswürdige Naivetät, so daß dieser Dialect, wie unter den griechischen der dorische, sich vorzüglich für Idyllen, für den Komus und für kindlich fromme Lieder eignen dürfte (vergl. Voß und Babst), weniger freilich für den ernstern Kothurn. Vom platten im Allgemeinen hat ein entschiedener Kenner germanischer Mundarten (Adelung, Lehrgebäude der deutschen Sprache, S. 74 und 79) unter andern geurtheilt: es fehlt demselben nichts als eine sorgfältige und verständige Cultur, um sie zu der reichsten, angenehmsten und blühendsten Sprache zu machen.