Abschnitt 13

Über die niedreren Stände
auf dem
flachen Lande in
Meklenburg-Schwerin


Im Mai stellt man nicht gerne eine Hochzeit an. Perlen im Schmucke der Braut sind dem Bauer gleichgültig; aber manchem im höheren Stande deuten sie auf künftige Thränen. - In den Zwölfen nach Weihnachten darf man nicht waschen, weil sonst Jemand im Haufe stirbt. In Johannisnacht darf kein Zeug draußen liegen, weil der böse Krebs (Gryllus gryllotalpa) stch darauf setzt. Die Zeichen des Thierkreises im Kalender bestimmen vielfältig das Geschäft des Tages. Junge Gänse werden durch ein Beinkleid gesteckt; dann holt die Krähe sie nicht. Eine Doppeleiche ist von geheimer Kraft, nicht minder eine hohle, in die man hauchen muß. Der Storch, die Schwalbe, die Eule werden gemeinhin als heilig verschont. Der Kukuk, der im Winter Sperber ist, kündigt des Lebens Länge an nach scherzender Sage, der Brustknochen der Gänse die Witterung des nahen Winters, Doppeläpfel Zwillinge der sie essenden Personen, das Heimchen, Maulwurfshaufen im Hause, Eulengeschrei den Tod, Krähenzüge nahe Kriege, flatterndes Spinnegewebe an den Stubendecken eine Hochzeit; Kröten und Katzen deuten auf Hexen; Donnerkeile (Belemniten) kommen mit dem Blitze und schützen gegen denselben. Ueberall sieht man Wunder, überall glaubt man die Nähe der unsichtbaren Welt zu gewahren.


Neben dem Hochdeutschen findet sich auch in Meklenburg das Platte. Ersteres wird fast allgemein in den höheren Ständen gesprochen, wiewohl man auch da hin und wieder das Platte wie einen lieben, bequemen Hausrock nach den Geschäften des Tages im stillen, häuslichen Kreise vorzieht. Reine Betonung, reine Aussprache aller Buchstaben sind die bemerkenswerthen Vorzüge des Hochdeutschen in Meklenburg. Nirgends wird b mit p, d mit t, g mit ch oder k verwechselt, nirgends ein Vocal unnöthig und ärgerlich gedehnt; selbst das ei wird, befonders im östlichen Meklenburg, von dem ai deutlich genug unterschieden - eine glückliche Folge der Verbindung mit dem Platten.- Wie aber jede Sache ihre Schattenseite hat, so dürfte auch hier zu tadeln sein, daß man ziemlich allgemein pf wie f spricht, dem z nicht die gehörige Schärfe giebt, und das i nicht gespitzt genug, sondern mehr in ie hinüber tönen läßt. Letzteres erkennt man besonders beim Aussprechen des Französischen z. B. la fille.

Als Eigenthümlichkeit einzelner Gegenden verdient es einer Erwähnung, daß man im Strelitzschen und an der Gränze von Neu-Vorpommern beim Hochdeutschreden j und g häufig verwechselt, im Strelitzschen und an der Elbe öfters scht und schp für st, sp, z. B. Schtein für Stein hören läßt, und in der Umgegend Schwerins das e und a vor rz nicht scheidet, z. B. Herz wie Harz, schwarz wie schwärz spricht. Auch möchte man im Schwerinschen das j richtiger gesprochen wünschen, da es gemeinhin wie dj oder vielmehr wie das g der Italiäner vor e und i tönt. Von dem Platten verleitet, zieht endlich der Halbgebildete das a in gedehnten Sylben gerne in ao hinüber z. B. Wåter für Water, und stößt das ch in schw aus z. B. Schwein - Swein.

Die niedere Volksklasse redet immer platt, obgleich in verschiedenen Mundarten. Die südwestlichen Bewohner und die in den Städten von ganz Meklenburg sprechen das Platte ohne viele starre Doppellaute aus, z. B. de - die, een - ein, bleew - blieb, Hö - Heu, Beer - Bier, höden - hüten, möten - müssen Die übrigen Landbewohner verwenden unzählige Doppellaute z. B. dei, ein, bleiw, Heu, Beier, häuden, mäuten Verschieden von beiden Mundarten ist die in Warnemünde herrschende. Die Bewohner dieses Ortes, meistentheils Lootsen und Seeleute, ziehen alle Vocale, wenn es angeht, in e und i hinüber z. B. Werneminner, und verwenden beim Aussprechen der Wörter mehr die Lippen, während die übrigen Meklenburger mehr die Zunge gebrauchen.

Das Platte mit den vielen Doppellauten wird vorzugsweise das breite genannt. Weil fast alle Vocale irgend einen Doppellaut zu berühren scheinen, so widerstehen sie oft aller Schreibung z. B. schälen-sollen, möten - das Weglaufen hindern. Die Sprechwerkzeuge des Platten werden dadurch auf eine Weise geübt, daß ihm das Aussprechen fremder Zungen, besonders des Schwedischen und Englischen, wenig schwierig ist. - Nicht minder als die Vocale, sind auch manche Consonanten mit Mühe abzusprechen, vorzüglich das r am Ende,

das d zwischen zwei Vocalen und das n. Weil man im Schreiben die Radical-Consonanten des Wortes im Hochdeutschen gerne beibehält, damit das Wort fürs Auge kenntlich bleibe, weil man aber dennoch der Aussprache nichts zu vergeben wünscht, so hat man viele Mühe, das d von r zu unterscheiden, z. B. in: Fädder - Feder, warren - werden. Am Ende verhallt das r fast in ä, jedoch mit einem leisen Anschlage des r z. B. Füer - Feuer, hür- höre, sprich fast wie füäh, hüäh. Das n vermischt sich meistentheils so wunderlich mit j, z. B. Länner - Länder, Hand fast wie Länjer, Hajnd, daß man es keineswegs mouillé nennen möchte und auch das j zu schreiben, wegen seiner Undeutlichkeit, nicht für gut finden dürfte. Das h wird in einigen wenigen Ortschaften (bei Goldberg) nicht hörbar z. B. dei Und ät bäten - der Hund hat gebissen.